Hueftgold - Kommentare

Alle Kommentare von Hueftgold

  • 7

    Direkt nach der ersten Verfolgungsjagd gibt es eine Plansequenz, bei der man sich eigentlich in Baby Driver verlieben müsste, denn Baby Driver ist klarer Style over Substance. Das Problem jedoch ist, dass sich hinter Baby Driver nichts anderes als ein Konzeptfilm verbirgt. Ein Konzept, welches Filminszenierung auf Taktgefühl abstimmt und seine Rasanz aus den donnernden Akustik schlussfolgert. Über weite Strecken funktioniert die kombination aus Heist-Action und zuckersüßer Romanze famos, doch gerade im letzten Drittel, wenn die Story in den generischen Autopilot driftet und der x-te Schusswechsel in schnellem Beat-Editorial erfolgt, zeigen die etlichen Referenzen an die Actionfilme der 70er einige Abnutzungen. zwar sind Ansel Elgort und Lily James ein traumhaftes Paar, doch der Rest der Charaktere entspringt aus Schablonen und bildet somit die schlechteste Auswahl aus Edgar Wrights Vita. Klar, das ist immer noch bei weitem besser als ein Großteil aller Produktionen, die ins Kino kommen, hat das Herz am rechten Fleck und trifft den Takt so gut, dass keine Langeweile aufkommt, doch um sich auf einer Wellenlänge mit Hot Fuzz & Co. zu schlagen, bleibt leider nur wenig im Gedächtnis. Aber vielleicht ist es ja bei Baby Driver so wie mit einem Radiosong, der erst richtig ins Ohr geht, wenn man ihn öfter hört.

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    • 8
      über Suburra

      Grandioses europäisches Kino. Das Drehbuch vermag es zu Beginn noch mit den etlichen Charakteren und den verschiedenen Gruppen zu verwirren, doch mit fortschreitender Handlung entflechtet sich dieses Gestrüpp und man ist als Zuschauer komplett mit den Beziehungen vertraut. Die verschiedenen Charaktere und Perspektiven sind nämlich wichtig, denn Suburra ist stark fokussiert auf seine Personen und deren Handlungen. Hier sticht bereits die Vielschichtigkeit ins Auge. Jede Figur ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, jede Kriminelle ist zugleich Monster, als auch liebender Vater/Mann, jeder in diesem Konstrukt hat seine Handlungsmotivation und vermag es nicht immer rationale Entscheidungen zu treffen. Und audiovisuell ist das umwerfend inszeniert! In ruhigen, statischen Bildern erzählt Sollima seine Geschichte, orientiert sich oft am neongetränkten Kino und hat in Verbindung mit dem Soundtrack des französischen Duos M83 einige Szenen, die Gänsehaut hervorrufen (der umwerfende Einsatz am letzten Tag von „Wait“). Die elektronischen Musikstücke geben der Handlung einen Impuls, lassen die monströsen 135 Minuten wie im Fluge vergehen. In dieser Welt gibt es keine Helden, keine Möglichkeit über Entsacheidungen nachzudenken, denn alles könnte im Handumdrehen durch einen Wasserschwall fortgespült werden. Suburra ist tolles Kino, dass hierzulande kaum Aufmerksamkeit genießen durfte. Dieses finstere, brutale und dramtische Gangsterepos verdient es gesehen zu werden. Denn auch wenn Stefano Sollima nicht ganz an die Klasse eines Francis Ford Coppola oder Martin Scorsese kommt, ist Suburra nur ein kleines Stückchen entfernt, zu einem echten Klassiker zu avancieren. Ein dicke dicke Empfehlung!

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        • 3

          Eine chinesisch/amerikanische Co-Produktion ist The Great Wall, bei der der dahergelaufene weiße Amerikaner nicht nur zeigt wie ordentlich mit Pfeil und Bogen umgeht. Nein er steppt einfach aus der Wüste und rettet ohne große Spannung ein gesamtes Volk. Wem das nun schon zu blöd ist, sollte direkt auf einen anderen Film umsteigen, denn auch Matt damon Fans werden enttäuscht. Zwar mimt er den Dynastie-Legolas mit solidem Niveau, doch gibt es nichts, dass seine Präsenz ausmacht. Diesen Charakter hätte wirklich jeder andere Schauspieler ebenfalls darstellen können, ist The Great Wall ohnehin verdammt dünnes Eis wenn es um Figuren geht. Von merkwürdigen Entscheidungen und Wandlungen abgesehen gibt es hier überhaupt niemanden, mit dem man mitfiebern darf.

          Reihenweise werden Menschen und Echsen ohne Eigenschaften zum puren vergnügen weggeschnetzelt, nur liegt das Vergnügen leider nicht auf der Seite des Zuschauers. Nach dem ersten großen Angriff hat man sich bereit satt gesehen und verbringt die Restzeit mit plattem Malen nach Zahlen Vorgang. Dabei geht The Great Wall nur knapp über 90 Minuten und hätte eine ganz doofe Schlachteplatte werden können. Dass das Endergebnis nun aber wirklich so strunzdoof und langweilig ausfällt, hätte man beim besten Willen nicht erwartet. Jeder, der möchte soll ruhig einen Blick riskieren. Im Gegenzug sollte man jedoch nicht erbost reagieren, wenn man mehr als enttäuscht in den Abspann blickt. Denn davor haben bereits zum Kinostart etliche Leute gewarnt und wir werden es zum Heimkinorelease erneut machen.

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          • 8

            [...] Bayona inszeniert Sieben Minuten nach Mitternacht so aufwühlend und tragisch, dass man ein Eisblock sein müsste, um nicht davon emotional berührt zu werden. Die Erkenntnis, dass Verlust oftmals nur mit persönlicher Akzeptanz erträglich wird, spitzt sich in den Traumwelten bereits so zu, dass man eventuell die letzte Stunde nur noch am schluchzen ist. Es geht darum aus seinem Leiden herauszubrechen, sich in Akzeptanz mit dem Tod zu bringen und loszulassen. Für diese Erkenntnis braucht man vielleicht auch etwas Zeit nach dem Kino, insofern man die Leinwand vor lauter Tränen überhaupt noch erkennt. Sieben Minuten nach Mitternacht ist einer der schönsten und bedrückendsten Filmen des Jahres und so bewegend, dass man danach direkt zu seiner Mutter rennen möchte, um ihr zu sagen, dass man sie liebt bevor es vielleicht irgendwann zu spät dafür ist. Seine stärksten Momente hat Sieben Minuten nach Mitternacht nämlich nicht in seinen aufwändig animierten Traumsequenzen, sondern in den gefühlvoll nuancierten Tönen zwischen Mutter und Kind. Ein wirklich toller Film!

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            • 5

              Weg ist der Underdog-Status und das Überraschungserlebnis. Guardians of the Galaxy 2 ist eben eine waschechte Fortsetzung, die versucht optisch und vom Krawall noch einige Stufen höher zu gehen und Fanservice zu liefern. Ja, das macht er auch ziemlich intensiv, doch es schmeckt nur wie eine bereits gekochte Suppe, die nochmal warm gemacht wurde. Das was auch hier wieder gut funktioniert sind Dinge, die bereits im Erstling gut funktionierten. Eine Eröffnung mit einem Tanz durch Baby Groot, der auf Dauer zum nervigsten Sidekick des Jahres avanciert, ein stimmiger Retro-Soundtrack und einige Dialoggefechte im Team. Der "Witz" besteht hier jedoch aus etlichen Rohrkrepierern (wer weiß was in der deutschen Fassung aus den Vorlagen gemacht wurde), das Finale ist wieder ein feinster CGI-Schinken und die Emotionalität, die die letzten 5 Minuten dominiert wirkt zu forciert und passt einfach nicht zum restlichen Ton des Films. Sicher, James Gunns Handschrift ist erkennbar, Herz und Seele stellenweise spürbar, doch verlässt man hier nie die sicheren Pfade, sondern geht auf Nummer sicher. Und das ist mehr als schade. GotG2 ist kein schlechter Film, aber eine dicke Enttäuschung. Als Fan des ersten Teils, stellt sich hier bei mir größtenteils nur Ernüchterung ein. Aber hey, Kurt Russel haut mal wieder auf die Kacke.

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              • 3

                Der brutale und schockierende Mord von Sharon Tate verkommt zu einem abgestanden Home Invasion Film mit den billigsten Scares seit Beginn des Horrorfilms. Mit 73 Minuten braucht Nichtskönner John R. Leonetti lange um endlich wieder etwas Tempo zu gewinnen. Dabei ist das Opening nicht gänzlich missglückt und bietet stellenweise ganz angenehme Spannung. Das Katz und Maus Spiel im Haus von Tate ist eine überraschungsarme Mischung aus Geschrei, Flucht und lauten Toneffekten. Die Intensität wird nicht beispielsweise durch Tex´s Satz "Im the Devil and Im here to do the devils work" angezogen oder durch bitteren und aussichtslosen Terror, nein. Hier sehen wir auch nur die üblichen Horrorklischees die um ihr Leben rennen und sich dabei so doof anstellen, dass sie es nicht anders verdient. Denn trotz des reißerischen Spruchs zu Beginn "This is a true Story" ist man nicht an einer genauen Rekonstruktion interessiert. Das hier ist langweiliger Einheitsbrei, der nur gelegentlich für Spannung sorgt. Nach Annabelle der zweite Griff ins Klo mit Leonetti, der sich nun endlich wieder um die Kameraarbeit kümmern sollte. Denn als Regisseur taugt der Typ überhaupt nichts.

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                • 7

                  Deepwater Horizon baut über eine knappe Dreiviertelstunde die Charaktere auf, erläutert in groben Zügen wie es zu dem Unglück kam und ist sehr daran interessiert, die kommende Dynamik einzuleiten. Doch Peter Berg wäre nicht Peter Berg, wenn er nicht auch auf audiovisueller Basis ein Spektakel zeigt. Und in Sachen Dramatik und Intensität hat Deepwater Horizon ordentlich etwas auf dem Kasten! Die Spannung ist stellenweise so nervenzerfetzend, dass man beginnt an den Fingernägeln zu kauen. Das Heimkino wird erschüttert von umherpeitschenden Ölfluten, verschlingenden Feuerwalzen und brodelnden Beben. Die Suche nach Überlebenden gestaltet sich als angespanntes Aussitzen, man bangt regelrecht, dass die Zeit vergeht. Die Stimmung hält dann auch tatsächlich für den Rest der Laufzeit an, bevor im Abspann die Honorierung der Gestorben ansteht. Vielleicht geht die Inszenierung einige Charaktere nur oberflächlich an, vielleicht ist die Exposition etwas zu überspannt und vielleicht sind die „Bösewichte“ auch nur klischeebehaftete Arschlöcher, aber wenn das Inferno losbricht, gibt es keine Zeit mehr für Atemzüge, was Deepwater Horizon letztendlich auch so sehenswert, wie erschütternd macht!

                  Das ist Katastrophenkino, dass sich seiner Herkunft bewusst ist und seinen Charakterbezug im Laufe verliert. Dafür zückt er in der zweiten Hälfte jedoch eine überwältigende Bilderflut, bei dem das Schicksal des schuftenden Amerikaner im Mittelpunkt steht. Der bundesweite und internationale Flop ist leider wirklich schade! Gerade solche Filme wie Deepwater Horizon müssen einfach auf der gigantischen Leinwand gesehen werden.

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                  • 5
                    über Trolls

                    Nun sollte direkt im Vorfeld gesagt sein, dass es eine Leichtigkeit wäre, Trolls komplett zu zerreißen und als pures kommerzialisiertes Kino abzustempeln. Wer von den überbunten und hyperaktiven Trailern bereits abgeneigt ist, sollte sich auch keinesfalls etwas besseres erhoffen, doch im Kern haben es Mitchell & Dohrn tatsächlich geschafft, einen kurzweiligen und herzerwärmenden Animationsfilm zu kreiren. Die simple Geschichte zwischen den Trolls und den Bergens und der konfliktbedingten Rettungsaktion wird lediglich genutzt um in einem tobsuchtartigen Tempo Action und wilde Musicaleinlagen zu liefern. Mit wilden Covern von „Sound of Silence“ von Simon and Garfunkel, „Clint Eastwood“ der Gorillaz oder „September“ von Earth, Wind & Fire rast die Inszenierung von einem überbunten Geschwindigkeitsrausch zum komödiantischen Performen populärer Songs bis hin zu schnellen Verfolgunsjagden.

                    Der Gesang fungiert als Katalysator, der den Film am Leben hält und die lähmenden Passagen, nämlich wenn sich die Handlung auf die Bergens fokussiert, auf eine Startrampe transportiert, damit sich das Tempo turbomäßig wieder entladen darf. Für die angepeilte Zielgruppe legt Trolls eine flotte Sohle auf das Parkett und sorgt sicher für einige großer Lacher und insgesamt für einen wirklich süßen Spaß. Doch nun passiert etwas, mit dem man im Vorfeld sicher wenig gerechnet hat. Auch Erwachsene können ihren Spaß in den teils zynischen Späßen finden und bekommen wieder das hippe Jugendgefühl schwingender Hüften. "Got this feeling in my body". Trotz offensichtlicher Schwächen eine kleine Überraschung!

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                    • Ach kann man Filme auch auf dem Fernseher oder im Kino gucken?

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                      • 7
                        über 31

                        Schade ist es, dass Rob Zombie nicht an die überragenden Qualitäten von „The Lords of Salem“, „The Devils Rejects“ oder seinem Magnum Opus „Halloween 2“ anschließen kann. Dafür wartet er in „31“ mit zu einseitigen Charakteren auf, die in einer zu langen Exposition weder Sympathie gewinnen können, noch besonderes Mitgefühl erregen. Im Spiel angekommen, gelingt Zombie allerdings erneut der Beweis, wie gut er das moderne Terrorkino beherrscht, ohne das Schmuddelkino der 70er und 80er dabei außer Acht zu lassen. Er tobt sich sichtlich aus und Schauspieler Richard Brake tut es ihm gleich. Als Doomhead gelingt ihm eine wahrlich beängstigende Performance, der den eingeschlagenen Autopilot etwas zu kaschieren vermag. Am Ende bleibt der blanke Pessimismus, kein Lichtblick wird am helligten Tage gewährt und die Montage glücklicher Menschen geleitet uns in den Abspann. Ein fader Beigeschmack verbleibt dennoch. Der erwähnte Autopilot beherrscht die Inszenierung, anders als in Zombies früheren Werken. Kein Subtext, keine künstlerische Entfaltung sondern ein bitterböser, brutaler Überlebenskampf wie eine rohe Blutwurst. Aber unter günstigen Rahmenbedingungen schmeckt die auch.

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                          • 6 .5

                            Mit Motorrädern übers Meer Rasen, mit Skiern durch den Dschungel donnern oder ohne Fallschirm aus einem explodierenden Flugzeug springen. Testosterongeschwängertes Machokino, dass sich selbst auf strunzdumme Witze und abgefahrene Stunts reduziert und diese voll auf die Zwölf ans Publikum weitergibt. Hirn aus, Bier auf und sich die volle Drohung Action verpassen. Auch wenn der Mittelteil im Vergleich zum abgefahrenen Opening etwas durchhängt und sich zu sehr auf seine Charaktere aus der Mottenkiste konzentriert, versöhnt sich Caruso mit seinem Publikum im halbstündigen Finale wenn es Shootouts, Verfolgungen und übertriebene Ideen nur so hagelt. Geschwängert mit Vin Diesel verwandten Familien-Pathos, übertriebener Übercoolness und tausendfach gesehen Wendungen werden 107 Minuten ohne Atempause serviert, auf die man im Abspann erstmal klarkommen muss. Eine abgefuckte Actionsause nicht nur für den Kopf, sondern für den stolzen Bierbauch.

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                            • 5
                              • Wer Lust hat Live über die kommende Verleihung zu schreiben, darf sich mir hier gerne anschließen: http://inglouriousfilmgeeks.de

                                #FreeMandela

                                • Deadpool ist der Film des Jahrhunderts! Ein mehrbödiges Meta-Meisterwerk. Eins Elf.

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                                  • 3
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                                      • 5

                                        „Free State of Jones“ bemüht sich leider viel zu sehr auf eine Rekonstruktion, anstatt sich auf die Mechaniken des Spielfilmes zu fokussieren. Im Gegenteil, kurzzeitig wartet man nur auf den dokumentarischen Off-Erzähler, der die Beweggründe genauer erörtert. Interessanterweise schafft das allerdings einen interessanten Kontrast zu anderen Historienfilmen. Die Genauigkeit mit der an den Stoff gegangen wird ist beachtlich, die Darstellung zeitgemäß und doch ohne richtige Elan um Faszination beim Zuschauer auszulösen! Es ist ein Scheitern, dass in tolle Bilder und Kostüme gepresst wird mit kurzzeitigem Herausbrechen aus der trockenen Fassade. Frustrierend und faszinierend zugleich. Doch man wird die Vorstellung nicht los, was aus diesem Film geworden wäre ohne seinem Hauptdarsteller. Vielleicht ein 138 minütiger Unterrichtsfilm für den Sezessionskrieg, vielleicht ein Film von ähnlicher Qualität. Fakt bleibt jedoch, dass etwas mehr Wucht und Vielfalt dem ganzen deutlich besser getan hätte, auch wenn gerade die tolle Ausstattung und die stellenweise gute Inszenierung das Gesamtpaket zumindest für ein einmaliges Sehen durchaus guckbar machen.

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                                        • 6 .5

                                          Das deutsche Genrekino lebt. Es pulsiert wie ein epileptischer Rave in den schäbigen Clubs der Hauptstadt. Genrekino, dass sich rücksichtslos mit isochronischen Tönen, binauralen Frequenzen in die Psyche hämmert und mit epileptischen Stroboskoplichtgewittern dafür sorgt, dass wir selbst schon Teil eines Delirium werden. Akiz Film ist nicht nur ein audiovisuelles Erlebnis, es fordert uns heraus. Wir sind Teil eines Kopfes und doch können wir ihn nicht verstehen. Der Nachtmahr ist ein mutiger, herausfordernder Genrebeitrag geworden, der seinen komplette Sogwirkung durch die szenischen Wechsel zwischen Coming of Age Alltag, Home Invasion Body Horror und bewusstseinserweiternden verzerrten Trip erzielt. Audiovisuelle Perfektion eines psychischen Zerfalls, dass zurecht mit vollem Druck in die Welt posaunt, dass die deutsche Filmlandschaft getrost auf „Honig im Kopf“ & Co. scheißen kann. Dann aber auch auf vollster Lautstärke!

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                                          • 10

                                            !SPOILER!
                                            [...]Dabei macht Polanski es dem Zuschauer alles andere als leicht und erzählt in einer ausführlichen Exposition von den Lebensumständen in der Wohnung, ersten Bekanntschaffen und der Angewöhnung ans neue Umfeld. Der Zuschauer bekommt von der Inszenierung die eindeutige Identifikationsfigur, Rosemary, in den Fokus gerückt, bis der Film nach einer dreiviertelstunde seine gesamte Wucht entfaltet. Man erlebt die Investigation am eigenen Leibe mit, wird mit Themen wie Satanismus, Okkultismus und schwangerschaftlicher Paranoia immer wieder an den Rand des Wahnsinns getrieben. Man wird gezwungen zu distinguieren ob es sich lediglich um eine gedankliche Manifestation der Angst handelt, eine Paranoia da sich das Umfeld beginnt abzuspalten und zu verändern (oder ob es selbst nur aufgrund der Schwangerschaft tut) oder ob die Vergewaltigung lediglich eine Halluzination im Traum wahr. Dabei sperrt Polanski Rosemary immer wieder in ein Gemäuer aus Hinterfragung und Zweifel, während sich die Wände mit ansteigender Laufzeit kontinuierlich verengen. Es ist die pure Suggestion, die das Handeln beherrscht. Die Paranoia beginnt Besitz zu ergreifen, die Atmosphäre drückt sich ungemütlich in den Vordergrund, lässt die Indiziensuche verstummen und gipfelt in einem Finale, dass in seiner Spannung nahezu unerträglich ist.

                                            Es vermengen sich Realität und Fiktion und das aussichtslose Ende offenbart sich in mimischer Erschütterung. Wir erkennen, dass die Ausgeburt des Teufels durch Rosemary auf die Erde gekommen ist und jegliche Todesfälle von Freunden Rosemarys, nicht nur eine Verkopplung von ungünstigen Ereignissen oder die Erblindung von Guys Schauspielkonkurrenten ein Unfall war. Am Ende herrscht das blanke Entsetzen in den Augen von uns und der jungen Mutter. Ein Entsetzen, dass schlussendlich in Liebe endet, als Rosemary ihr Babyglück erkennt und mit einem Lächeln die Wiege ins Schaukeln bringt, während sich der unvergessliche Score ein letztes Mal aus dem Hintergrund erhebt. Rosemarys Baby ist mit Sicherheit einer der besten Horror/Psychothriller, der je auf die Leinwand losgelassen wurde. Ein beängstigend langsamer kalter Hauch in den Nacken mit extremer Nachhaltigkeit, nach dem es sichtlich schwer fällt, beruhigt in den Schlaf zu gleiten.

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                                            • 8

                                              Anstatt sich mit expliziter Brutalität abzufeiern, zeigen die unterkühlten Bilder fast schon anteilnahmungslos inszenierte Gewalt. Ein einfacher Schritt, eine falsche Entscheidung kann das Leben kosten, ohne dass man musikalisch manipuliert und vorbereitet wird. Jeremy Saulnier beweist erneut, dass er das perfekte Gespür für den Aufbau der Atmosphäre hat und diese eben nicht mit vorhersehbaren Jump Scares ausklingen lässt. Es ist eine Konsequenz die seinen Film beherrscht, eine scheußliche Routine die die Band zum bloßen Jagdgut verkommen lässt. In seinem Green Room verbarrikadiert sich nicht nur die Angst, sondern auch die Beziehungen der einzelnen Charaktere, die, wenn auch sehr oberflächlich, Tiefe bekommen und nicht als reine Schlachtobjekte fungieren. Auch der Exzess wird nicht als seelenloses Blutbad zum Selbstzweck gezeigt, sondern als schmerzvoller Überlebenskampf, bei dem es manchmal schwer fällt hinzusehen, gerade im Ansatz der Parteienzeichnung. Während die Identifikationsfiguren in monotonen Grünbildern der Aussichtslosigkeit entgegen blicken, koordiniert ein wirklich diabolischer Patrick Stewart die Tatortverpfuschung und den Angriff selbst, als wäre es ein alltägliches Konzept. Es ist die Sinnlosigkeit die uns in einen Zustand der Depression wirft, eine Konsequenz bis zur letzten Einstellung, die uns erschöpft wie einen Kampfhund, dem die Fleischeslust vergeht und der sich wehmütig neben sein totes Herrchen legt.

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                                              • 5 .5

                                                Sicher ist "Blair Witch" nach dem obergeilen "The Guest" ein Schritt rückwarts in Adam Wingards Vita, aber dennoch weiß er hier wie man Terror inszeniert, auch wenn er diesen und vorallem seine Zuschauer mit repetitiven Fake-Scares abstumpft und etwas ungelenkt zwischen Angst und Bodyhorror hin und herspringt. Auch die Atmosphäre ist durch die hochwertigen Bilder bei weitem nicht so ungemütlich wie sie hätte sein können, aber wenn im Mittelteil das Sound Design komplett ausgeschöpft wird und die Nacht nicht aufhören möchte zu enden, krallt man sich förmlich an den Kinositz und beginnt zu schwitzen. Schade nur, dass das Ende den Originalfilm entmystifiziert und die Überladenheit sauer aufstößt. Wingard beherrscht sein Handwerk, setzt dieses stellenweise überragend ein, aber es bleibt ein fader Beigeschmack. Zu hohe Erwartungshaltung, ein zu guter Originalfilm? Eines ist sicher, besser als der abgeranzte 0815-Blumhouse Quark ist er allemale, auch wenn ein eigenständiger Horrorfilm namens "The Woods" mit Symbiose aus Shaky und Steadycam deutlich besser funktioniert hätte.

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                                                • 8

                                                  Debütant Robert Eggers beweist direkt mit seinem Debüt, wie vielschichtig das Genre Horror ist, wenn man es mit einem Familiendrama kreuzt und altertümliche Gewohnheiten/Ansichten als Manifestation der Angst katalysiert. Eine streng gläubige Familie, die abseits der Zivilisation von etwas Übernatürlichen terrorisiert und allmählich dysfunktionalisiert wird, zumindest ist es dem Zuschauer überlassen dies zu glauben, denn bis zum Schluss ist es ein Spiel mit der Psyche, ob es nun ein Kreatur ist oder eine fehlinterpretierte Abfolge ungünstiger Zufälle. Eingefangen mit einer ungewöhnlichen Cinematographie, einer katatonisch narrierten Erzählung und behutsamen Spannungsaufbau entfaltet sich das Schauermär auf eine unikate Weise und setzt auf eine beunruhigende Atmosphäre, anstatt den Zuschauer mit billigen Effekten an der Stange zu halten. Wird der menschliche Organismus anfälliger für Angst, der durch eine undefinierbare Präsenz ausgelöst wird, wenn er ewig isoliert gelebt hat? Ist es die strenge Gebundenheit an eine religiöse Schrift die menschliches Handeln fehlleitet?

                                                  The Witch gibt wenig Antworten und sorgt dafür, dass sich der Horror im Kopf des Zuschauers manifestiert und ihn lange beschäftigt, auch wenn die krampfhaften letzten Einstellungen untermauern, dass Überambitionen oftmals ein Lachen entfesseln können, auch wenn es den Mut den Regisseurs repräsentiert. Jegliche Interpretation, jeder erfasster Symbolismus wird kaschiert, indem die Inszenierung offensichtlich zeigt, was sonst so sezierend entnommen werden könnte. Ein intimes Porträt einer allmählig zerfallenden Familie, schauriges Horrorkino, das großen Fokus auf seine Charaktere und deren Entwicklung legt und die zwischenmenschlichen Konflikte nach dem Vorbild von altertümlichen Ansichten wie ein tragisches Familiendrama inszeniert, angereichert mit fantastischem Soundtrack. Innovatives Kino mit starkem Ensemble, dass für Robert Eggers sicherlich einen Grundstein für eine vielversprechende Karriere markiert und die Frage offen lässt, ob der Teufel nicht in jeder Menschengestalt auf der Erde wandert.

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                                                  • 10

                                                    Der Beengung des sozialen Umfeldes entfliehen, weg vom Mülltonnenplündern, häuslicher Misshandlung durch eine Gruppe Jugendliche, die Zeitungen verkaufen und doch ihr Leben leben ohne familiäre Verpflichtung. Eine Gruppe mit der Star das Leben kennenlernt, eine Gruppe die wir durch eine unsichtbare dritte Person in Form der naturlichtgetränkten Bilder wahrnehmen und selbst Teil dieser werden. American Honey ist ein Reise voller individueller Charaktere die Zeit bekommen, sich zu entwickeln. Die Selbstfindung und Lebenserhaltung als intimer Prozess. Das Donnern vulgärer Rap-Songs oder Country während man auf dem Autodach die Straßen von Kansas unsicher macht. Metaphern und Gegenüberstellung von Wohlstand und Armut die man in seiner geldtreibenden Prozedur wahrnimmt. Liebe und Leidenschaft als sinnliches Porträt des menschlichen Triebes, Lebensverdienst durch das Ausnutzen der Triebe anderer. Es ist ein Kunstwerk dass man am eigenen Leib erfährt, eine Entwicklung die man selbst durchlebt. Eine Entwicklung wie eine Raupe die im Mondlicht zum Schmetterling wird, während die Augen nach vorne auf die Zukunft gerichtet sind.

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