Patrick Reinbott - Kommentare
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Alle Kommentare von Patrick Reinbott
"Under the Shadow" reiht sich in die aktuelle Liste von Horrorfilmen wie "The Babadook", "The Witch" oder "It Follows" ein, die den moderneren Mechanismen des Genres entgegenwirken. Der Horror, dem die Figuren in diesen Filmen ausgeliefert sind, entfaltet sich über eine psychologische Ebene, auf der sich Traumata, Ängste und Sorgen in realen Schrecken manifestieren, aber eher als unterbewusstes, metaphernartiges Stilmittel in die Handlung eingeflochten werden.
Der im Iran geborene und aufgewachsene Regisseur Babak Anvari erzählt in seinem Debütfilm von einer Mutter, die mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Mann zur Zeit des ersten Golfkriegs in Teheran lebt. Zu Beginn bekommt Shideh mitgeteilt, dass sie ihr Medizinstudium nicht mehr fortführen und nie wieder an die Universität zurückkehren darf, da sie zuvor an politisch engagierten Aktivitäten beteiligt war. Ein Rückschlag für die ambitionierte Frau, denn Shideh hat ohnehin unter den gesellschaftlichen Konventionen zu leiden, durch die sie sich in der Öffentlichkeit verhüllen muss und zudem von ihrem Mann, der als praktizierender Arzt tätig ist, vorgehalten bekommt, dass es vielleicht besser wäre, wenn sie sich als Hausfrau um die gemeinsame Tochter kümmert.
Als Shidehs Mann erneut von der Armee eingezogen und diesmal mitten an der Front stationiert wird, muss sie mit der kleinen Dorsa alleine in der Wohnung bleiben. Eine Wohnung, die bald schon zum Ort des Horrors mutiert, den Anvari auf vielfältige Weise inszeniert. Der Regisseur, der den Irak-Iran-Krieg als ganz kleines Kind ebenfalls hautnah miterleben musste, bringt einen spürbar intimen Einfluss in "Under the Shadow", indem er die Ausmaße des Kriegs als beklemmendes, kammerspielartiges Szenario porträtiert, das er mit persönlichen Schwierigkeiten von Shideh, deren Mutter sechs Monate zuvor verstarb, sowie einem gruseligen Mythos aus einer iranischen Sage verwebt.
Nachdem Dorsa von einem Jungen aus dem Wohnkomplex gesagt bekommt, dass sich böse Geister, genannt "Djinns", über den Wind in das Gebäude einschleichen würden und schließlich eine Rakete in das Dach einschlägt, die nicht detoniert, aber einem älteren Bewohner des Hauses durch einen Herzinfarkt das Leben nimmt, häufen sich die sonderbaren Ereignisse, bei denen Dorsa einer Krankheit verfällt und sich zunehmend merkwürdiger benimmt, während Shideh erschreckende Gestalten sieht.
Die übernatürlichen Elemente und klassischen Schockmomente haben in "Under the Shadow" aber nur einen geringen Anteil an der gesamten Geschichte. Furchteinflößend ist Anvaris Werk dennoch, denn viel schlimmer als Geister und Dämonen ist die Vorstellung, dass jeden Moment Bomben oder Raketen auf einen niederregnen könnten oder das eigene Kind in einer unerklärlichen Gefahr schwebt. Jedes Mal, wenn die Alarmsirenen in diesem Film wieder in schriller Lautstärke aufheulen und die Figuren dazu gezwungen sind, sich schnell in einen Schutzbunker im Keller zu flüchten, will man die Arme nach ihnen ausstrecken und sie ebenfalls beschützen. Durch die feinfühlige, starke Charakterzeichnung hat der Regisseur eher ein Drama geschaffen, das von stimmigen Horror-Elementen unterstützt wird.
Dass beide Stilrichtungen nahtlos ineinanderfließen können, beweist Anvari mit einem aufwühlenden Finale, in dem die Spannung schließlich ein beeindruckendes Ausmaß erreicht. Der Regisseur hält fest zu seinen Figuren, genauso wie er in seiner Kindheit vermutlich jemanden brauchte, an dem er sich festhalten konnte, und hat mit "Under the Shadow" ein ebenso beängstigendes wie persönliches Debüt gedreht, in dem realer Horror und unterbewusster Terror auf schlüssige Weise zueinanderfinden und durch stark gezeichnete Figuren einen emotional mitreißenden Zugang gewähren.
Die Figuren in Don Hertzfeldts Kurzfilmen sehen aus, als seien sie von einem kleinen Kind mit nur wenigen Bleistiftstrichen gezeichnet worden. Was für Themen und Denkanstöße der Künstler in seine Kunstwerke packt, steht allerdings im extremen Gegensatz zu den simplen, kindlichen Figurenentwürfen.
In "It's Such a Beautiful Day" erzählt Hertzfeldt die Geschichte von Bill. Bill lebt als Erwachsener in einer Großstadt und schleppt sich von einem Tag in den nächsten, geht draußen Besorgungen nach und kümmert sich zuhause um den Haushalt, schaut Sendungen im Fernsehen oder macht sich etwas zu essen. Mit Bill stimmt allerdings irgendetwas nicht, denn nachts wird er von bizarren Albträumen heimgesucht, die bald auch tagsüber in Form von grotesken Horror-Visionen in sein Leben einziehen. Was für eine Krankheit Bill hat, können ihm auch die Ärzte nicht sagen. Mal diagnostizieren sie ihm, dass er bald sterben wird, am darauffolgenden Tag ist er plötzlich wieder gesund. Die Symptome verändern sich, Bill erinnert sich an Todesfälle und Krankheiten in seiner Familie, an seine Kindheit, verbringt wieder mehr Zeit mit seiner Ex-Freundin, beginnt, große Erinnerungen in seinem Kopf zu vergessen und verliert sich in Fragen über sein Leben und allgemein über das Dasein auf der Erde.
Hertzfeldts 62 Minuten langes Werk quillt über mit einer Vielzahl von philosophischen Ansätzen und kreativen Einfällen, mit denen er die Erinnerungsfetzen und surrealen Trips von Bill visualisiert, doch in das Herz des Zuschauers dringt "It's Such a Beautiful Day" nur schwer vor. Anstelle eines emotionalen Stils erzählt Hertzfeldt die Geschichte von Bill, in der er sich nicht nur mit dem Innenleben sowie dem Krankheitsverlauf eines psychisch geschädigten Menschen beschäftigt, sondern darüber hinaus tiefgründige Überlegungen über den Sinn des Lebens, den Wert des Vergangenen sowie von Erinnerungen anstellt, mit einem schwarzen Humor, der hin und wieder in leichten Dosen aufblitzt und nicht zum Ton des Gesamtwerks passen mag.
Hinzu kommt, dass der Künstler nicht nur sämtliche Posten wie Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt und die Auswahl der Musik übernommen hat, sondern auch das Voice-over selbst eingesprochen hat. Hertzfeldts Stimme schwankt zwischen der eines gutmütigen Märchenonkels und der eines dezent ironischen Humoristen, so dass die alleinige Narration einen eher distanzierenden Eindruck erweckt, der den berührenden, nachdenklichen Kern des Films überdeckt.
Ein ungewöhnlicher, vor kreativen Ideen nur so sprudelnder Ausnahmekünstler bleibt Don Hertzfeldt also auch mit diesem Werk, doch "It's Such a Beautiful Day" vermag kaum zu berühren und verläuft unentschieden zwischen philosophischen Überlegungen und simplen, bewegenden Gefühlen.
Abgehalfterte Rockstars, wohlhabende Filmproduzenten, ihre frustrierten Ehefrauen, die sich in Affären stürzen sowie unbekümmerte Kinder im jugendlichen Alter, die zu den Eltern keine Verbindung spüren, irren ziellos und ohne Geldsorgen durch ein gespenstisches Los Angeles oder können sich im sedierten Zustand unter dem Einfluss zahlreich eingeworfener Xanax-Pillen kaum noch aus ihren Betten oder den Liegestühlen am Swimmingpool erheben. Der Konsum diverser Rauschmittel und der fast schon mechanische Sex miteinander gerät zum verzweifelten Versuch, die sinnlose Leere im Inneren irgendwie noch durchbrechen zu können, auch wenn am Ende wieder nur die Einsamkeit sowie das Verlorensein mit sich selbst warten.
"The Informers" ist der Versuch von Regisseur Gregor Jordan, Bret Easton Ellis' gleichnamige Kurzgeschichtensammlung zu verfilmen und vor allem den einzigartigen, unnachahmbaren Stil des Autors in die Form des Kinos zu übersetzen. Ellis' Roman besticht, wie jedes seiner Werke, durch die kalte, minimalistische Sprache, mit der sich der Autor den exzentrischen, gefühllosen, abgestumpften Figuren nähert, die kaum noch etwas menschliches an sich haben und eher wie ausdruckslose Hüllen erscheinen, die sich in letzter Konsequenz in fleischliche Exzesse oder bestialische Gewaltfantasien flüchten. Es ist das typische Motiv, welches der Autor in beinahe all seinen Romanen umkreist, da er selbst in solch einem Umfeld aufgewachsen ist und ihn diese Erlebnisse vermutlich auf ewig geprägt haben.
Die Struktur des Romans, bei der jedes einzelne Kapitel aus der subjektiven Sicht eines anderen Charakters geschildert wird und jeweils einen eigenen, mehr oder weniger abgeschlossenen Handlungsbogen umspannt, wird im Film durch einen episodenhaften Stil ersetzt. Jordan springt zwischen den Figuren und Handlungssträngen hin und her, wobei er das emotionslose, lethargische Gefühl von Ellis' Vorlage in eisige Bilder hüllt und mit den Pop- und Rockklängen der frühen 80er unterlegt, in denen die Geschichten des Films angesiedelt sind.
Nicholas Jarecki und Ellis selbst schrieben das Drehbuch für den Film, wobei Ellis behauptete, er habe ein gigantisches, umfassendes Epos à la Robert Altman im Sinn gehabt, in dem verschiedenste Handlungsstränge aufgezogen und schließlich ineinander gefädelt werden sollten. Die endgültige Fassung, mit der Ellis selbst nicht zufrieden ist und bei der das Studio wohl maßgeblich eingegriffen hatte, fängt den giftigen, widerwärtigen sowie verrotteten Kern von Ellis' Roman nur noch bedingt ein.
Auch wenn "The Informers" mit einem bemerkenswerten Cast besetzt wurde, in dem Darsteller wie Billy Bob Thornton, Kim Basinger, Mickey Rourke, Winona Ryder oder Amber Heard verlorene, kaputte Persönlichkeiten spielen, die womöglich einem gewissen Teil ihrer wahren Persönlichkeiten gar nicht mal so unähnlich sein könnten, erreicht der Film selten die intensive Beklemmung sowie unangenehmen Zuspitzungen der Vorlage.
Durch die fragmentarische Konzeption der Handlungsstränge wirkt Jordans Werk zu zersplittert und sprunghaft, wodurch die lineare, kontinuierlich in dunklere Gefilde abstürzende Linie der vollständigen Geschichten angeschnitten, aber nie ausformuliert wird. Ein großes Manko ist außerdem der weichgespülte Ton, durch den die brutalen Gewaltspitzen des Buchs entweder knapp angedeutet oder meist vollständig ausgespart werden, weshalb "The Informers" als Film die abschreckenden Konsequenzen fehlen.
So sieht man überwiegend gutaussehenden Menschen dabei zu, wie sie in Markenkleidern, mit Ray-Ban-Sonnenbrillen und modischen Frisuren in ihrem eigenen Selbstmitleid baden und an persönlichen Abgründen taumeln, ohne dass sie vom Film jemals in sie hinein gerissen werden.
[...] Child of God ist eine unbequeme, spezielle Seherfahrung, die sich einem verwilderten Einzelgänger widmet, der in den 60ern fernab von der Zivilisation durch die Wälder streift, üblicherweise mit einem Gewehr bewaffnet, und durch sein eher animalisches, primitiv anmutendes Verhalten von den örtlichen Einwohnern verstoßen wird. [...] Tatsächlich ist der von Scott Haze (Midnight Special) faszinierend gespielte Hauptcharakter das Epizentrum des Films, dem die überwiegend unruhig geführte, geradezu nervöse Kamera nur ganz selten von der Seite weicht. Franco verfolgt die Handlungen von Lester mit einer gewöhnungsbedürftigen Langsamkeit, durch die sich Child of God zu einem überaus sperrigen Erlebnis entwickelt. Die ambivalente, beunruhigende Persönlichkeit der Hauptfigur verschmilzt mit den ausufernden Einstellungen zu einem Erzählrhyhthmus, in dem der Betrachter wie durch einen pechschwarzen, zähflüssigen See aus Teer schwimmen muss, um sich die zweifelsohne vorhandenen Qualitäten des Streifens zu erschließen. Einige Szenen, in denen der Regisseur den Protagonisten aufgrund moralisch höchst anstößiger Aktionen durchaus als das brutale Monster entblößt, das viele Zuschauer vermutlich schon nach dem Auftakt vor Augen hatten, strahlen die furchtlose Atmosphäre der schmutzigen Skandalfilme aus, wie sie in den 60ern oder 70ern entstanden sind, doch Franco beschränkt sich keineswegs darauf, Lester als das pure Böse darzustellen. Viel mehr funktioniert Child of God als polarisierende Charakterstudie, in der ein Mensch nicht den üblichen Vorschriften des zivilisierten Lebensstandards entspricht, wodurch er zum geächteten, abtrünnigen Außenseiter mutiert, der sich in seiner extrem isolierten Situation nichts sehnlicher wünscht als Nähe und Geborgenheit. Die Methoden, mit denen Lester diese Zwischenmenschlichkeit schließlich erzwingt, mögen widerwärtig erscheinen, doch für ihn stellen sie den letzten Ausweg dar, um überhaupt noch so etwas wie liebevolle, sexuelle Erfahrungen gewinnen zu können. Ein tragischer, aber ebenso denkwürdiger Höhpunkt ist in diesem Zusammenhang die Szene, in der Lester auf dem Jahrmarkt mehrfach am Schießstand triumphiert, um anschließend alleine und wie ein kleines Kind mit ein paar großen Stofftieren davonzuschreiten, die er fortan wie Ersatzfreunde behandelt. Wie man diese Figur schlussendlich bewertet, überlässt Franco am Ende jedem selbst. Den eindeutigen Weg hat er dabei aber glücklicherweise durchgängig umlaufen. [...]
Eigentlich wollte sich Theo nur mit seinem besten Kumpel Valentin in einer Bar treffen, um mit ihm darüber zu reden, dass sich die Ehe mit seiner Frau Katja kurz vor dem Aus befindet. Das Glück scheint dem Schriftsteller in seiner niedergeschlagenen Situation aber einen netten Trost spenden zu wollen, denn die gutaussehende Kellnerin Mörli outet sich als großer Fan von Theo und stellt ihm eine heiße Nacht mit ihr in Aussicht. Dass diese Nacht allerdings anders verläuft als vorher angenommen, erfährt man als Zuschauer schon in der Eröffnungsszene von "Sex & Crime", in der Theo Valentin aufgebracht anruft, während Mörli blutverschmiert und leblos auf dem Wohnzimmerboden liegt.
Das Langfilmdebüt von Paul Florian Müller wirkt zunächst wie eine deutsche Variante von schwarzhumorig-skurrilen Thrillerkomödien wie "Very Bad Things", wenn sich die beiden Kumpels darüber streiten, wer denn nun die Leiche der jungen Frau zersägen soll, bevor sie in Müllsäcken aus der Wohnung transportiert und unbemerkt beseitigt werden soll. Ein bloßer Abklatsch ist "Sex & Crime" aber dann doch nicht geworden, denn Müller, der auch das Drehbuch selbst geschrieben hat, lenkt die Handlung im Minutentakt in eine andere Richtung, springt immer wieder aus dem gegenwärtigen Geschehen in der Zeit zurück, um Motive und Hintergründe aus einer anderen Perspektive zu zeigen und setzt so ein genüssliches Verwirrspiel in Gang, bei dem nie wirklich klar wird, wer denn nun wen mit wem hintergeht und austricksen will.
Durch die unchronologische Inszenierung sowie den ausgelassenen Erzählton, bei dem Müller Finte an Finte reiht, gelingt dem Regisseur auch aufgrund der sehr kurzen Länge von nur 77 Minuten eine rasante Groteske, die bedauerlicherweise mit einfältigen Figuren und zahlreichen miserabel geschriebenen Dialogausfällen gefüllt ist.
Wenn Theo von Valentin in der Bar direkt als "Schwuchtel" begrüßt wird und dieser seinen bandagierten Finger dadurch erklärt, dass er zuvor in der Mutter von Theo steckte, sinkt das sprachliche Niveau der vermutlich locker und humorvoll gemeinten Dialoge sofort in den Keller, in dem sich die von Wotan Wilke Möhring gespielte Figur sichtlich am wohlsten fühlt. Überhaupt wirkt der fast 50-jährige Schauspieler hier eher wie ein Fremdkörper, dessen vulgär-infantile Art und der jugendliche Ton kaum zu seinem Charakter passt, der von Beruf Versicherungsmakler ist und hauptsächlich im Anzug rumläuft.
Theoretisch müsste man Müller vorwerfen, dass er seine Figuren generell mit Desinteresse straft, als hinterlistige Betrüger zeichnet, die bei der kleinsten Gelegenheit ohne zu Zögern über Leichen gehen, sofern dadurch finanzielle Vorteile rausspringen und dabei impulsiv in unüberlegte Situationen stolpern. Im endgültig zur Farce umfunktionierten Finale macht der Regisseur aus seiner eigenen Abneigung gegenüber diesem Umstand aber selbst gar kein großes Geheimnis mehr und lässt jeden wahlweise vor die Wand laufen oder vor die Hunde gehen, so dass "Sex & Crime" als kurzweilige, ansprechend konstruierte, mit mäßigen bis üblen Dialogen ausgestattete Albernheit hängenbleibt.
Was uns in der fernen Zukunft wirklich erwartet, wie sich die Erde und vor allem wir Menschen verändern oder entwickeln werden, kann niemand mit genauer Sicherheit sagen. Ein einzelner Song lässt sich dazu texten, in Filmen kann lange und ausführlich darüber spekuliert werden und ganze Bücher sind mit Gedanken zu diesen Fragen vollgeschrieben.
Don Hertzfeldt nimmt sich in "World of Tomorrow" nicht mehr als 17 Minuten Zeit, um beängstigende Vorstellungen der Zukunft zu beschreiben, in der das Unterbewusstsein der Menschen nur noch in endlos reproduzierbaren Klonen existiert, Gedanken und Erinnerungen künstlich erhalten und transferiert sowie jegliche Gefühle lediglich oberflächlich und als blasse Versuchsanordnung existieren, die man grob beschreiben, aber kaum mehr persönlich wahrnehmen kann.
Um die pessimistischen Aspekte dieses Zukunftsentwurfs geht es Hertzfeldt aber gar nicht, denn was kümmert einen schon die Zukunft, wenn man ein vierjähriges Kind ist, das sich an Formen und Farben von Spielzeugautos erfreut, vorbeirauschende Sternschnuppen zählt und glücklich strahlend ein Dreieck aufmalt?
Wenn Emily am Ende wieder nach Hause zurückgebracht wird, nachdem sie von einem ihrer Klone mithilfe einer Zeitreise durch die Zukunft geführt wurde, lächelt das Mädchen und singt "What a happy day it is". Es ist ein essentieller Moment von unbeschreiblicher Schönheit, mit dem der Regisseur das verzweifelte Dilemma unserer quälenden, immer wiederkehrenden Fragen nach dem Sinn des Lebens mit dem Gemüt eines unschuldigen, neugierigen und lebensfreudigen Kindes in Verbindung bringt und nur für diesen einen Moment wieder alles so einfach und leicht erscheinen lässt.
Es sind immer wieder die gleichen Erinnerungsfetzen, die Tom vor seinem geistigen Auge erscheinen. Ein Treppenhaus, ein kleiner Junge, eine alte Frau und das Gesicht einer Person, die mit einer Schusswunde in der Stirn auf dem Boden liegt. Gleichzeitig sind diese vagen Momente alles, was dem verwirrten Mann aus seiner Vergangenheit noch geblieben ist und an das er sich jetzt verzweifelt klammert, um irgendwie vielleicht wieder ein klares Bild formen zu können.
Zu Beginn von Omer Fasts "Remainder" wird Tom durch einen nicht näher geklärten Unfall von herabstürzenden Gebäudeteilen schwer am Kopf getroffen, was bei dem Engländer einen Gedächtnisverlust auslöst, der ihn in eine Art Sinnkrise stürzt. Von seinem Anwalt erhält er den Rat, den Vorfall komplett unter den Tisch fallen zu lassen und kein einziges Mal mehr zu erwähnen. Als Entschädigung erhält Tom dafür mehrere Millionen Pfund, die er im weiteren Verlauf seiner Identitätssuche unter anderem dafür verwendet, seine wenigen noch verbliebenen Erinnerungen so detailgetreu wie nur möglich mit Statisten und Nachbauten zu rekonstruieren.
Um den Verlust von Erinnerungen oder zeitweise Amnesien, durch die den Betroffenen bedeutende Ereignisse verloren gehen, ging es im Kino schon desöfteren. Entscheidend ist dabei meistens, welche Art von Film aus dieser grundsätzlichen Ausgangslage entsteht. In "Memento" erschuf Christopher Nolan aus der Prämisse ein clever verschachteltes Thriller-Puzzle, während die Suche nach der eigenen Identität im ersten Teil der "Bourne"-Trilogie den Grundstein für ein rasantes Action-Spektakel lieferte oder in "Hangover" durch eine zusätzliche, alkoholische Komponente als Komödie aufgezogen wurde, in der ein massiver Blackout den Startschuss einer irrwitzigen Las-Vegas-Odyssee bildete.Was für eine Richtung der in Berlin lebende, gebürtig aus Israel stammende Regisseur dagegen mit diesem Film einschlagen will, wird lange Zeit nicht klar und dürfte viele auch nach der Sichtung von "Remainder" noch zum Grübeln bewegen.
Als Identifikationsfigur dient Tom nur eine gewisse Zeit, denn nachdem man sich als Zuschauer ebenso neugierig und verwundert wie der Hauptcharakter darum bemüht, herauszufinden, wer dieser Mensch überhaupt ist, verfolgt Fast in der zweiten Hälfte eine zunehmend irritierende erzählerische Linie. Sobald Tom beginnt, die Ereignisse seiner Erinnerungen auf penibelste Weise nachstellen zu lassen, läuft die Handlung über weite Strecken nicht nur ziellos in die Irre sowie Leere, sondern sorgt dafür, dass sich der Protagonist zu einem launischen Exzentriker entwickelt, der den Betrachter aufgrund seiner fast schon manischen Art konsequent auf Abstand hält. Zugute kommt dem Film hierbei lediglich noch, dass sich der Regisseur, der zuvor als Videokünstler arbeitete, in einigen Szenen als erfahrener Handwerker behaupten kann.
Gelegentlich macht "Remainder" den Eindruck eines stilsicheren Kunstwerks, in dem Bilder und Töne zu einer betörenden Einheit verschmelzen, wobei die Handlung zugunsten atmosphärisch starker Eindrücke in den Hintergrund rückt. Ganz zum Schluss muss aber auch Fast zu einem Ende finden, das ihm hierbei völlig misslingt. Irgendwo zwischen David Lynch und M. Night Shyamalan erweist sich das Finale als ebenso bemüht konstruierte wie logischen Hinterfragungen kaum standhaltende Brücke, die endgültig ins erzählerische Niemandsland führt.
Rückblickend wird Russ Meyer wohl auf ewig als Regisseur in Erinnerung bleiben, der seine Vorliebe für pralle Oberweiten sowie wohl geformte Rundungen offen auslebte. In seinen günstigen und schnell abgedrehten Low-Budget-Produktionen standen die optischen Reize der absichtlich äußerst attraktiv ausgewählten Darstellerinnen im Mittelpunkt und Meyer scheute keine Gelegenheit, damit diese die Hüllen fallen lassen konnten.
Dass der Regisseur aber keineswegs nur ein Softporno-Filmer war, der sich hinter dem Vorwand des Trash- und Exploitation-Kinos versteckte, veranschaulicht sein womöglich beliebtestes und ikonischstes Werk "Faster, Pussycat! Kill! Kill", das in Deutschland mit dem kaum weniger spektakuläreren Titel "Die Satansweiber von Tittfield" erschien. Mit den drei Go-Go-Tänzerinnen Varla, Rosie und Billie präsentiert Meyer direkt zu Beginn drei Figuren, die aufgrund ihrer makellosen Kurven und fast schon schwindelerregenden Dekolletés dem typischen Frauenbild entsprechen, das der Regisseur in all seinen Filmen bevorzugt. Nach einem euphorischen Auftakt im Strip Club und einem kleinen Badespaß schickt Meyer das Trio aber erstmal im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste. Hier treffen die Frauen auf den jungen Mann Tommy und dessen Freundin Linda. Von Tommy lassen sie sich zu einem Autorennen hinreißen, nach dem der Streifen urplötzlich eskaliert.
Durch einen kaltblütigen Mord entwickelt sich "Faster, Pussycat! Kill! Kill" mit einem Mal zu einem völlig anderen Film, als es zunächst noch den Anschein hatte. Obwohl Meyer die aufreizend gekleideten Körper der drei Frauen immer wieder auf provokative Art mit der Kamera einfängt, stellt er in beinahe jeder Szene klar, dass das weibliche Geschlecht hier eindeutig am längeren Hebel sitzt. Als es das Trio nach dem Auftakt in der Wüste auf ein abgelegenes Landhaus verschlägt, wo sie einen im Rollstuhl sitzenden, älteren Mann um das Geld erleichtern wollen, das dieser als Abfindung für einen Unfall erhalten hat, entwickelt sich der Film endgültig zu einer Verdrehung damals noch gängiger Rollenbilder sowie Geschlechterklischees. Meyer zeigt die Männer entweder als körperlich benachteiligte Schwächlinge, eingeschüchterte, wortkarge Muskelprotze oder Spielfiguren, die sich von den optischen Vorzügen der Frauen jederzeit um den Finger wickeln oder den Kopf verdrehen lassen.
Auch wenn "Faster, Pussycat! Kill! Kill" neben den stilvollen Schwarz-Weiß-Bildern und dem stimmungsvollen Score an einigen arg platten Dialogen leidet, bei denen der Regisseur seine Trash-Herkunft nicht verleugnen kann, versprüht Meyers Film eine rebellische Aura, die vor allem im Hinblick auf das Erscheinungsjahr 1965 erstaunt. Im Gegensatz zu den Männern zeigen sich die Frauen als ausgefuchstes Trio, welches das vermeintlich stärkere Geschlecht manipuliert, austrickst, ihm gleich die Knochen bricht oder geradewegs über den Haufen fährt. Wenn man so will, ist "Faster, Pussycat! Kill! Kill" also eine Art des kraftstrotzenden Feminismus, bei dem ganz am Ende folgerichtig nur innerhalb des eigenen Geschlechts Gut gegen Böse triumphiert.
Nachdem "Bridge of Spies" wohlige Humanität und aufrichtigen Pathos, beides Faktoren, die Steven Spielbergs Filme in den letzten Jahren etwas abgingen und somit dem Glanz der alten Tage hinterherhinkten, wieder aufflammen ließ, ist "The BFG" die Rückkehr des Regisseurs zu einem Kino der fantasievollen Attraktionen und weit aufgerissenen, strahlenden Kinderaugen.
Eines Nachts wird die kleine Sophie von einem Riesen aus dem Waisenhaus, in dem sie lebt, in das Land der Riesen entführt. Hier findet sich das Mädchen in der übergroßen Hütte zunächst auf dem Küchentisch wieder, wo sie zwischen einer eklig schleimigen Stinkfrucht aufpassen muss, dass sie nicht im Eintopf des sanftmütigen Riesen landet, der sein scharfes Messer im Sekundentakt auf das Schneidebrett niedersaußen lässt. Die überraschenden Ereignisse nehmen hier allerdings erst ihren Anfang, denn Sophie muss feststellen, dass der "Big Friendly Giant" noch zu den kleineren Vertretern seiner Art gehört. Wesentlich größere Zeitgenossen tragen bizarre Namen wie "Fleshlumpeater" oder "Bloodbottler" und fressen kleine Kinder am liebsten. Dem Mädchen bleibt allerdings kaum Zeit, diese Informationen zu verarbeiten, denn schon im nächsten Moment wird sie vom BFG mitgenommen, um Träume einzufangen, die der Riese den schlafenden Menschen jede Nacht in die Körper pustet.
Roald Dahls Vorlage gestaltet Spielberg als verspieltes Abenteuer, in dem er die düsteren Aspekte der Geschichte sanft abglättet, um sich ganz auf das Verhältnis zwischen dem Waisenkind und dem freundlichen Riesen zu konzentrieren, die gemeinsam einen Weg finden wollen, um die bösartigen Riesen zu bezwingen. Durch die gelungenen CGI-Effekte, unter denen Schauspieler Mark Rylance den BFG mithilfe von Motion-Capturing tatsächlich fast schon lebensecht verkörpert, und einen markanten Score von John Williams inszeniert der Regisseur den Film als familienfreundliche Unterhaltung, bei der die typisch kindlich-naive Sichtweise von Spielberg voll zum Tragen kommt. Da Dahls Kinderbuch vom Umfang her bereits eher schlank daher kommt, ist die Verfilmung leider etwas substanzlos ausgefallen.
Spielberg ist sichtlich bemüht, die dünne Geschichte, die man leicht in wenigen Sätzen vollständig nacherzählen könnte, auf fast zwei Stunden Gesamtlaufzeit zu bringen. Im Mittelteil zieht sich "The BFG" daher auffällig in die Länge, denn nachdem der Regisseur die außergewöhnliche, mit zahlreichen Eigenheiten bestückte Welt der Riesen umfangreich beleuchtet, bewegt sich der Plot kaum noch von der Stelle. Erst im letzten Drittel, wenn Sophie und der BFG einen Abstecher in den Buckingham Palace unternehmen, um die Hilfe der Queen höchstpersönlich aufzusuchen, weht plötzlich wieder die vertraute Spielberg-Magie durch das Werk. Die Sequenz, in der sowohl das kleine Mädchen als auch der überproportionale Riese von der Queen zum Dinner eingeladen werden, enthält einige der schönsten Momente des Kinojahres.
So stimmt "The BFG" auf der Zielgeraden doch noch versöhnlich, denn trotz der erzählerischen Durchhänger ist dem Regisseur ein sympathisches Werk gelungen, das die staunende Kraft naiver Märchen und das pochende Herz seiner staunenden, lächelnden Figuren in einem Kino-Abenteuer bündelt, das in dieser Form wohl nur von Spielberg stammen konnte.
[...] In seinem ersten französischsprachigen Film macht er wieder einmal genau das, was niemand vermuten würde, unterläuft vertraute Sehgewohnheiten mit einem schelmischen Grinsen und zerlegt ein Genre in seine Einzelteile, um sie nach eigenem Belieben wieder zusammenzupuzzeln, damit dadurch ein völlig neues, ungewohntes Bild entsteht. Aufgrund des anfänglichen Vorfalls könnte Elle als typischer Vertreter des Rape-and-Revenge-Subgenres eingeordnet werden, doch Verhoeven schlägt sofort eine neue Richtung ein. Um einfache Rache geht es hier zu keinem Zeitpunkt, viel mehr entwickelt der Regisseur seine Hauptfigur als unglaublich vielschichtige, komplexe Frau, die sich gängigen Standards und Kategorisierungen strikt verweigert. Das Bild des armen Opfers, das Gerechtigkeit anstrebt, durchkreuzt Michéle bereits am nächsten Morgen nach ihrer Vergewaltigung. Als Chefin einer Firma, die Videospiele entwickelt, gibt sie ihrem Team die Anweisung, dass die Zuckungen der Spielfigur, die in einer Zwischensequenz durch Tentakel eines monströsen Orks geschändet wird, noch orgiastischer und somit authentischer aussehen sollen. Durch die komplizierte Verwicklung in ein dysfunktionales Geflecht aus problematischen Familienmitgliedern, darunter eine Mutter, die sich regelmäßig mit deutlich jüngeren Männern einlässt, ein Ex-Mann, der sich ihr immer wieder annähert und ein Sohn, der sein Leben kaum auf die Reihe bekommt und vom Geld der Mutter abhängig ist, einem schockierenden, tragischen Ereignis aus ihrer Kindheit und flüchtigen Affären mit dem Ehemann ihrer besten Freundin und Firmenpartnerin wird Michèle immer stärker zu einem undurchsichtigen Mysterium. Das mit grandioser Schärfe konstruierte Drehbuch von David Birke (13 Sins), in dem abgesehen von der Hauptfigur selbst kleinere Nebencharaktere schlüssig gezeichnet sowie stimmig in den Handlungsverlauf eingepasst werden, verwandelt Elle zu einem fesselnden Drama, bei dem man jede neu entblößte Wesensfacette von Michèle neugierig in sich aufsaugt, während viele Szenen in den ersten zwei Dritteln unentwegt von einer äußerst unterschwelligen Bedrohung geprägt sind. Diese Atmosphäre rührt daher, dass die Identität des Vergewaltigers nicht nur unklar ist, sondern dieser Michèle durch vulgäre Nachrichten belästigt und einen weiteren Angriff zu jedem Zeitpunkt wahrscheinlich werden lässt. Dass Verhoevens Film im letzten Drittel, nach einer weiteren überraschenden Wendung sowie frischen, irritierenden Verwunderungen, nicht endgültig zur überzogenen Satire verkommt, liegt dabei an der sensationellen Hauptdarstellerin. Die großartige Isabelle Huppert (Süßes Gift) lässt Michèles Gesichtsausdrücke zu Landschaften werden, in denen man sich wieder und wieder verlieren kann und die einen nach der Sichtung nicht so schnell loslassen werden. Wie Huppert ihre vom Schicksal gebeutelte Figur als unerschütterliche, unangepasste sowie wahrlich standhafte Kämpferin verkörpert, die nach dem Vergewaltigungsakt, der so etwas wie der letzte Tropfen auf den heißen Stein war, beschließt, in ihrem Leben endgültig das Steuer an sich zu reißen, entspricht der Leistung einer denkwürdigen Schauspielerin von Weltformat, zu der sie sich völlig zurecht zählen darf. [...]
"Angel Express" ist ein Film, ganz im klassischen Sinne, der gesehen werden will und geradezu danach giert, dass man sich von ihm überschwemmen lässt. RP Kahls Porträt des Berlins vor der Jahrtausendwende zeigt eine unterkühlte Metropole, die das einengende Gefühl der anonymen Großstadt in schwirrende Bilder hüllt, deren Sog man sich kaum entziehen kann.
Um eine Handlung geht es kaum, viel mehr montiert der Regisseur flüchtige Momentaufnahmen, zufällige Begegnungen und kurzweilige Eindrücke zu einem funkelnden Kaleidoskop, in dem sich die Kamera in ständiger Bewegung befindet, genauso wie die einzelnen Figuren, die sich offenbar alle auf der Suche nach etwas befinden. Eine Verbindung bringt nur die Pistole, die im Verlauf des Films mehrfach den Besitzer wechselt. Sie ist ein Sinnbild für das verbotene Verlangen, den tödlichen Reiz und das Spiel mit Leben und Tod, das in "Angel Express" so sehnsüchtig verfolgt wird.
Der flackernde Bildersturm treibt die Menschen in die vibrierenden Nachtclubs, wo die Menge elektrisiert zu hämmernden oder klackernden Beats tanzt, während die Abgetanzten auf den Toiletten im Drogenrausch die nächste Stufe des Kicks suchen, in die vorübergehende Stille eines Taxis, die von neugierigen Fragen und Antworten durchbrochen wird, in die Eigentumswohnungen, in denen sich frische Bekanntschaften zu heißen Affären entwickeln könnten, reizvolle Erotikvideos entstehen oder junge Männer nach der Dominanz älterer Frauen lechzen. Nebenbei vermischt sich der Soundtrack einer ganzen Generation, die Musik eines eingefangenen Lebensgefühls mit hypnotisch gesampelten Stimmfetzen zu einem geschlossenen Rhythmus, der vor sich hin treibt, um im nächsten Moment unsanft unterbrochen zu werden.
"Angel Express" will erlebt werden, hölzerne Dialoge sowie manchmal unbeholfenes Schauspiel werden durch Montage und Ausdruck unterdrückt, das Berlin des Films wird zum festen Protagonisten, die Figuren wiederum zu kleinen Lichtern in einer bild- und tongewaltigen Symphonie, in der Kälte, Isolation, Orientierungslosigkeit und die Sehnsucht nach Nähe, überhaupt nach Gefühlen, nur noch durch den ohrenbetäubenden Schuss aus der Waffe übertroffen werden können.
Schon in den ersten Momenten, in denen sich der gerade mal 18-jährige Sean vor seiner Kamera auf der Couch räkelt, mit den Händen über den eigenen Körper streichelt und die Unterhose langsam auszieht, dabei durchgehend ein schelmisches Grinsen im Gesicht, erkennt Stephen, dass er einen künftigen Star vor sich hat. Stephen ist Porno-Regisseur und betreibt mit "Cobra Video" eine eigene Produktionsfirma, die sich auf Schwulenpornos spezialisiert. Sean wird tatsächlich sein bisher größter Star, dessen Künstlername Brent Corrigan nach kurzer Zeit bereits als feste Marke gelten darf, die den DVD-Verkauf ankurbelt und im Netz extrem gefragt ist. Unterdessen hat das Pärchen Joe und Harlow, die in der gleichen Branche arbeiten und gemeinsam Pornos drehen, mit finanziellen Problemen zu kämpfen und wirft bald ein Auge auf den neuen Jung-Star.
Justin Kelly orientiert sich für sein Werk an einer wahren Begebenheit, bei der verschiedene zwischenmenschliche Differenzen und Probleme zusammen mit grundlegenden Emotionen wie Neid, Gier und Hass schließlich zu einer tragischen Eskalation führten. "King Cobra" gestaltet sich jedoch als problematische Angelegenheit, denn in Kellys Film schlagen in gewisser Weise zwei Herzen in einer Brust. Mit fast schon exploitativer Art ergeht sich der Regisseur immer wieder an dem Spektakel, wenn er freizügige Sex-Szenen, die nie die Grenze zur wirklich expliziten Darstellung überschreiten, zwischen seinen Figuren in lustvollen, verschwitzten Aufnahmen auslotet. "King Cobra" gerät in einigen Momenten zum Flirt mit dem Exzess, bei dem er die Motivation der zentralen Charaktere kunstvoll überhöht, was sich auch im mitunter wahnhaften Schauspiel niederschlägt. Auch wenn man James Francos unbekümmerte, zeigefreudige Wandelbarkeit weiterhin bewundern sollte, schlägt er hier unangenehm über die Stränge, so dass sein verschuldeter Porno-Produzent, der regelmäßig zwischen privatem Liebesleben und beruflichem Risiko hin- und hergerissen wird, zu oft wie eine schrille Karikatur wirkt. Während Garrett Clayton in der Rolle des schillernden Nachwuchs-Pornostars schon alleine durch sein hübsches Äußeres auf Oberflächlichkeiten reduziert wird und unterfordert bleibt, sind es eher Christian Slater und Keegan Allen, die mit überzeugenden Zwischentönen aufwarten und ihren unzureichend beleuchteten Figuren zumindest etwas Tiefe verleihen.
Überhaupt ist die Gratwanderung zwischen augenzwinkernder Karikatur und ernstgemeintem Drama hier zu schmal ausgefallen. Kelly bringt die beiden wichtigen Handlungsstränge erst sehr spät zusammen, filmt die entscheidenden Parteien zu isoliert voneinander und konzentriert sich letzten Endes zu stark auf den 2012 erschienenen Roman, der seinem Drehbuch als Vorlage diente. Dadurch wirkt "King Cobra" zu sehr wie ein gewöhnliches, banales True-Crime-Drama, das man in ähnlicher Form häufiger als Fernsehfilm präsentiert bekommt, mit dem kleinen Unterschied, dass der Regisseur aufgrund der eher ungewöhnlichen Thematik der Schwulenporno-Szene einige Abstecher in lustvoll überhöhte, fiebrige Ausreißer vornimmt. Zu wahrer Größe hätte sich "King Cobra" nur erheben können, wenn er diese ungewöhnlichen, zügellosen Momente auf die volle Länge ausgedehnt und die Vorlage freier zu seinen Gunsten geformt hätte, anstatt sich ihr sklavisch unterzuordnen.
Schon im Auftakt von Andrew Neels Film wird deutlich, dass "Goat" eine ungemütlichere Seite einschlagen wird, als es zuerst den Anschein hatte. Auf Szenen des ausgelassenen Feier-Exzesses, wo der Alkohol in Strömen fließt, jugendliche Körper zu wuchtigen Beats in Wallung geraten oder übereinander herfallen, folgt das schockierende Erwachen. Als Brad von der Party verschwinden und nur noch schnell zwei fremde Jugendliche nach Hause fahren will, wird er von beiden auf einen abgelegenen Landweg geführt, wo sie ihn brutal zusammengeschlagen und ausrauben.
Neuen Halt sucht er nach einer Weile bei seinem Bruder Brett, der am College studiert und Teil einer Studentenverbindung ist, der Brad auch beitreten will. Was der Regisseur von nun an auf Grundlage einer wahren Geschichte zeigt, darf ruhigen Gewissens als traumatisierendes Schock-Kino bezeichnet werden, das den verzweifelten Weg unsicherer, junger Männer in die raue Welt von Anerkennung, Zusammenhalt und Maskulinität porträtiert. Bei der Aufnahmezeremonie, die jeder Bewerber durchlaufen muss, spart Neel kein noch so bizarres Ritual aus und inszeniert sein Werk als Kreislauf qualvoller Mutproben, die in ihrer erniedrigenden Wirkung an Schreckensbilder aus Gefängnissen oder Straflagern wie Guantanamo erinnern, in denen Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen misshandelt und gedemütigt werden.
"American Pie" trifft auf "Salò", wenn "Goat" die vertrauten Traditionen und Symbole aus leichtfüßigen College- und Partyfilmen ins perverse Gegenteil verdreht und den Alltag am Campus als Vorhof zur Hölle zeigt, wo es nur darum geht, unbedingt dazugehören zu müssen. Folgerichtig bekommt Brad von seinem Mitbewohner, der ebenfalls in die Bruderschaft aufgenommen werden will, in einer Szene gesagt, dass für ihn gar keine Alternativen existieren, als Teil der Studentenverbindung zu werden. Neel zeichnet ein beängstigendes Männerbild, bei dem nur noch zwei Extreme vorkommen. Entweder verweichlichte Jungs, die sich schikanieren und herumkommandieren lassen oder durchtrainierte Kerle, die wie stumpfe Monster wirken, um ihr Verständnis von brüderlicher Zugehörigkeit auf grausame Weise durchzusetzen.
Auf der Route in den sicheren Abgrund nimmt Neel aber trotzdem Umwege in Kauf, indem er das brüderliche Verhältnis zwischen Brad und Brett ergründet, das zwischenzeitlich völlig erstarrt, da beide in ihren vorgeschriebenen oder sich zum Ziel gesetzten Rollen gefangen sind. Nur das eher offene Ende erscheint etwas zu simpel, denn die mögliche Lösung, welche "Goat" anbietet, wirkt mit ihrer sanftmütigen Bemühung um familiären Zusammenhalt zu sehr aus der Klischeekiste gegriffen, um das vorangegangene Horror-Szenario friedfertig abzufedern.
[...] Während die erste Episode gerade wegen der scheußlich glatten, zuckersüßen Oberfläche, unter der sich tiefste Abgründe und Traumata verbargen, Untertöne des charakterlichen Horrors versteckte, wird dieser in Erlebnishunger furchterregende Wirklichkeit. Die zweite Episode kann als große Liebeserklärung an das Horror-Genre aufgefasst werden, in der Drehbuchautor Charlie Brooker (Dead Set) erschreckende Visionen der momentan aufkommenden Veränderungen im Videospiel-Sektor mit einem Spukhaus-Szenario kombiniert, in dem persönliche, tief sitzende Gefühle eine große Rolle spielen. Hauptfigur Cooper, der durch die Welt reist, weil er den Tod seines Vaters und gleichzeitig besten Freundes noch nicht verarbeitet hat und sich daneben unfähig fühlt, mit seiner Mutter zu sprechen, stellt sich aufgrund von Geldnot als Testperson zur Verfügung, die an einer innovativen Spielentwicklung teilnimmt. Mithilfe einer speziellen Augmented-Reality-Technologie soll er dabei an die Grenzen der Belastung geführt werden. Sobald Cooper in einem leerstehenden, alten Haus alleine gelassen wird und nur über einen Knopf im Ohr mit der Leiterin des Tests in Kontakt steht, entwickelt sich Erlebnishunger zu einem verspielten Horror-Trip, in dem sich künstlich erschaffene Projektionen und reale Ängste in einen bald schon unüberschaubaren Strudel des puren Terrors verwandeln. Eine wahre Spielwiese für Regisseur Dan Trachtenberg, der bereits mit 10 Cloverfield Lane zeigte, dass er klaustrophobische Beklemmung und paranoide Schreckensszenarien gekonnt in Szene setzen kann, wobei es am Ende wieder einmal an Brooker liegt, der wie gewohnt nicht davor zurückschreckt, emotionale Tragik in zynische Boshaftigkeit kippen zu lassen. Ein Tonfall, der sich unmittelbar auf die nächste Episode übertragt, welche neben Böse Neue Welt als bislang nihilistischste, niederschmetterndste Erfahrung der gesamten Serie gelten darf. Mach, was wir sagen stellt einen 19-Jährigen in den Fokus des Geschehens, der vor der Webcam dem nachgeht, was jeder andere junge Mann seines Alters regelmäßig vor dem Bildschirm so treibt. Da sein Laptop allerdings von einem mysteriösen Programm zur Reinigung von Malware gehackt und er beim Masturbieren gefilmt wurde, gerät der sensible, schüchterne Kenny in ein Erpressungskomplott, bei dem ihm eine unbekannte Partei wie einen Botenjungen durch die Stadt schickt. Falls Kenny die Aufgaben nicht erfüllt oder vorgegebene Zeitvorgaben überschreitet, wird das brisante Video an jeden Kontakt aus Kennys Freundes- sowie Bekanntenkreis gesendet. Regisseur James Watkins (Die Frau in Schwarz), der zuletzt Idris Elba (Beasts of No Nation) und Richard Madden (Cinderella) in einem atemlosen Parforceritt durch Paris auf Terroristenjagd schickte, inszeniert die dritte Episode als schnittigen Thriller, der die etwas schlichte Botschaft der Geschichte in eine gehetzte Schnitzeljagd verpackt. Mach, was wir sagen schwingt sich kontinuierlich in immer stärkere Eskalationen, bis die Episode in einem Ende gipfelt, dessen finale Enthüllung einem Schock gleichkommt, bei dem durchaus berechtigte Zweifel an der Motivation von Kenny mit einem schmerzhaften Faustschlag revidiert werden, nach dem nur noch Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung übrig bleiben. Wenn es etwas gibt, was bei der dritten Staffel der Serie besonders zur Geltung kommt, dann ist es die tonale Wandlungsfähigkeit. Nachdem die beiden vorangegangenen Episoden den Zuschauer förmlich am Boden aufschlagen ließen, ist San Junipero der emotional überwältigende Höhepunkt dieser Staffel. Zunächst wirkt alles wie ein irritierender Rückschritt, bei dem Brooker die Handlung ins Jahr 1987 verlegt, wo sich zwei Frauen in der schillernden Partystadt zwischen pulsierenden Neon-Lichtern und fetzigen Disco-Krachern kennen sowie lieben lernen und plötzlich voneinander getrennt werden. Nach ungefähr der Hälfte der Laufzeit, wenn sich das Konzept nach und nach erschließt, wächst die vierte Episode zu einem Wirbelwind der Gefühle, bei dem existenzielle, komplexe Fragestellungen mit zwei Figuren in Verbindung gebracht werden, deren Schicksale irgendwann zu Tränen rühren. Genauso, wie sich Yorkie und Kelly an ihre begrenzte Zeit des futuristisch entworfenen Konzepts klammern, klammert man sich als Zuschauer an jede kostbare Minute dieser Episode, die man gar nicht mehr loslassen will und die einem doch so schnell zwischen den Fingern entrinnt. San Junipero ist vermutlich die beste Black Mirror-Episode, die jemals geschaffen wurde. [...]
[...] Im Vorfeld war In a Valley of Violence durchaus mit großer Spannung zu erwarten, denn wenn ein Regisseur dazu in der Lage ist, ein alteingesessenes Genre durch herausragendes Handwerk und durchdachte Kombination einzelner Elemente mit pulsierenden Impulsen zu versehen, dann mit Sicherheit West. Leider entpuppt sich dieser Ausflug in neue Gewässer als Enttäuschung, denn auch wenn die typische Handschrift des Regisseurs beinahe durchgängig erkennbar ist, krankt der Film an seinem uninspirierten, generischen Drehbuch, in dem sich West stur an teilweise überholten Klischees abarbeitet und zu keinem Zeitpunkt aus dem simplen, extrem dünnen Gerüst eines vorhersehbaren Rache-Plots ausbricht. Hawke fügt sich optimal in seine Rolle des stoischen Einzelgängers ein, der lediglich durch kleine Nuancen dafür sorgt, dass man die innere Zerrissenheit seiner Figur erkennt, doch im weiteren Verlauf der Geschichte ist auch er nicht viel mehr als ein eindimensionaler Racheengel, der eine gnadenlose Exekution an die nächste reiht. Mit den anderen Figuren verhält es sich ähnlich, vor allem John Travolta (Pulp Fiction) als brummiger, eher unfreiwilliger Widersacher wirkt deutlich unterfordert. West ergötzt sich mit sichtlicher Freude an dem schnörkellosen Szenario, indem er den Showdown praktisch über das gesamte letzte Drittel streckt, doch nichtsdestotrotz fühlt sich der Film eher wie eine kompetent inszenierte Fingerübung an, die weitaus weniger Herzblut ausstrahlt als vergießt. In manchen Einzelmomenten scheint die gewohnte Klasse des Regisseurs immer noch durch, wenn West vor allem die frühen Konfrontationen sowie Eskalationen mit seiner markanten Inszenierung zu atmosphärisch unglaublich dichten Szenen formt, und auch der Score von Jeff Grace stellt eine fast schon verschwenderische Offenbarung dar, die gleichzeitig den absoluten Höhepunkt dieses Films markiert. In a Valley of Violence verfällt durch die vielen Klischees, unter denen beispielsweise die Dialoge fast schon wie aus einer Parodie wirken, aber immer wieder in belanglosen Durchschnitt. [...]
[...] Nachdem Daley das Home-Invasion-Szenario ausgebreitet hat, liegt das Schicksal der Familie und natürlich das eigene Wohlergehen alleine an Kelly, die sich nun in genau diesem Haus, in dem sie nicht erwünscht ist, zurechtfinden, der Situation anpassen und sich gegen die Angreifer zur Wehr setzen muss. Zunächst erregt Tiger House durchaus die Aufmerksamkeit des Zuschauers, denn die anfängliche Ausgangslage, bei der sich Kelly unter einem Bett befindet, auf dem einer der Eindringlinge, welcher nach einem Gefecht schwer verwundet ist, liegt, sorgt für einige packende Szenen, in denen die ruhige Kamera sorgfältig durch den Raum schwebt und in passenden Momenten Spannung erzeugt. Ab dem Punkt, an dem sich das Mädchen aus dem Zimmer schleichen kann, was keine Überraschung sein dürfte, wird der bis dahin durchaus positive Eindruck aber Stück für Stück gedämpft. Aus der äußerst kurzweiligen Laufzeit von nur gut 80 Minuten schlägt das Drehbuch von Simon Lewis kaum Kapital, denn die Handlung wartet nach dem soliden Auftakt mit regelmäßigen Logikpatzern und ärgerlichem Figurenverhalten auf. Natürlich sollte man es langsam gewohnt sein, dass sich in Filmen dieser Art ein gewisses Maß an Plausibilität stets dem effektiven Spannungsfaktor beugen muss, doch es sind simpelste Fehlentscheidungen, kaum nachvollziehbare Entwicklungen oder harsche Wendungen, die kaum in den minimalistischen Rhythmus des Streifens passen und den Gesamteindruck stark nach unten ziehen. Auch wenn die Protagonistin eine angenehme Abwechslung zur sonstigen Figurenzeichnung ähnlicher Filme aus diesem Sub-Genre darstellt, indem sie einigermaßen rational handelt und neben einigen durchdachten Aktionen auch auf glaubwürdige Weise den Spieß umdrehen kann, krankt Tiger House in erster Linie an den Antagonisten, die wahlweise als durchgeknallte Psychopathen oder überraschend warmherzige Zeitgenossen in Erscheinung treten und somit immer genau so hingedreht werden, wie es dem Film gerade dienlich ist. [...]
Sein Name stand nicht nur für ein literarisches Gesamtwerk, das die Gemüter ebenso erhitzte wie erregte und unzählige Künstler nachhaltig inspirieren sollte, sondern war ebenfalls der Ursprung für den Begriff des "Sadismus". Als adeliger Erbe aus gutem Haus provozierte Marquis de Sade im Frankreich des 18. Jahrhunderts regelmäßig, indem er sich mit zahlreichen Frauen jeglicher Bevölkerungsschicht vergnügte, ausschweifende Orgien zelebrierte und schließlich aufgrund von Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs zum Tode verurteilt wurde. Immer wieder gelang ihm die Flucht, doch irgendwann landete Sade schließlich doch im Gefängnis und führte fortan ein langes Leben in Gefangenschaft, bei dem er begann, seine wilden, ungezügelten Gedanken textlich niederzuschreiben und ein anstößiges Werk nach dem anderen zu kreieren.
Henri Xhonneuxs Film "Marquis" widmet sich der Zeitspanne, in der Sade in der Bastille eingesperrt war und kurz vor der Französischen Revolution und dem damit verbundenen Sturm auf die Bastille als politische Schlüsselfigur eingespannt werden sollte. Das dabei entstandene Werk ist von einem herkömmlichen Biopic oder authentischen Ausschnitt eines Lebensabschnitts des Schriftstellers jedoch weit entfernt. Maßgeblichen Einfluss auf "Marquis" übte der französische Künstler Roland Topor aus, der unter anderem für das psychedelische Design des berauschenden Animationsfilms "La planéte sauvage" verantwortlich war.
Was Xhonneux und Topor hier gemeinsam geschaffen haben, ist ein surreales Puppenspiel, das sich ganz dem unzüchtigen Wesen von Sade verschreibt. Jede Figur wird von realen Schauspielern verkörpert, die Masken tragen und jeweils unterschiedliche Tiere darstellen. Im Mittelpunkt der Handlung steht Sade selbst, der als sanftmütiger Cocker Spaniel auftritt, welcher ständig in Streitgespräche mit seinem sprechenden Penis verfällt, der auf den Namen Colin hört. Mit Dialogen, die eine geradezu lyrische Qualität ausstrahlen und sich trotzdem nicht selten um den Zwiespalt zwischen sexuellem Verlangen und rationalen Denken drehen, erhält "Marquis" den Anstrich einer skurrilen Komödie, die durch zahlreiche makabere Nebenfiguren und bizarre Ereignisse endgültig zur schwarzen Groteske erwächst.
Löcher in der Wand, die mit einem Mal wie verlockende, weibliche Rundungen erscheinen und penetriert werden, eine bisexuelle Wärter-Ratte, die sich von einem in Mayonnaise getunkten Hummer befriedigen lässt, eine schwangere Kuh, die von selbigem Wärter vergewaltigt wird, indem er sie melkt, bis Blut aus den Eutern spritzt oder eine frivole Orgie, bei der sich der Hochadel Hähnchen als Tarnung über den Kopf zieht, sind nur einige sonderbar-einprägsame Momente dieses Films, in dem das Ernsthafte neben dem Albernen existiert, während sich Obsessionen und Abgründe miteinander vereinen.
Dabei wurde "Marquis", wie es von Topor nicht anders zu erwarten war, mit äußerster Liebe zum Detail entworfen, wobei neben den tollen Masken und Kostümen vor allem die Sequenzen herausstechen, in denen die Fantasien und Geschichten von Sade mithilfe von Knetfiguren und Stop-Motion-Animation visualisiert werden.
Eine Geschichtsstunde der besonderen Art, bei der man einen ungemein bedeutenden Künstler garantiert mit ganz anderen Augen betrachten wird.
Schon als kleines Kind bekommt es so ziemlich jeder von den Eltern meist überdeutlich eingetrichtert, dass man niemals zu Fremden ins Auto steigen sollte. Eine Warnung, die im Horrorfilm wieder und wieder bewusst missachtet wird, denn sonst würden die meisten Streifen dieses Genres vermutlich ein überraschend schnelles Ende finden.
Auch Katie und Sloane, zwei Freundinnen vom Land, können nicht widerstehen und lassen sich von den zwei gutaussehenden Jungs, die sie zuvor in einem Diner erstmals kennengelernt haben, im Auto mitnehmen. Eigentlich sind die beiden Teenagerinnen auf dem Weg zu einer Öko-Farm, auf der sie einen Monat lang arbeiten wollen, um das frisch verdiente Geld direkt für ein Shopping-Wochenende in New York zu verprassen. Als sie schließlich angekettet in Containern aufwachen, beginnt für die beiden ein regelrechter Albtraum.
Terry Miles macht um die Art seines Films gar nicht erst ein großes Geheimnis. "Even Lambs Have Teeth" ist ein reinrassiger Rape-and-Revenge-Streifen, der sich für all diejenigen als ideologisch fragwürdig erweisen wird, denen die Darstellung weiblicher Qualen in reißerischer Exploitation-Manier, gefolgt von einem Akt der puren Katharsis, in dem abstoßende Rache-Fantasien Wirklichkeit werden, nur ein genervtes Kopfschütteln entlockt. Dabei überrascht der Film eine Weile durch kleine ironische Brechungen, bei denen der Regisseur seinen Protagonistinnen regelmäßig Referenzen zu bestimmten Filmen oder Serien in den Mund legt, bis hin zu einem Punkt, an dem die vermutlich ikonischste Szene aus Michael Ciminos "The Deer Hunter" ein grimmiges Revival erfährt. Auch beim Martyrium der beiden Freundinnen blendet Miles in expliziten Momenten ab, um die grausamsten Momente viel mehr über die unmittelbaren Reaktionen und Gesichtsausdrücke der gepeinigten Mädchen auszudrücken.
Das ironischste an "Even Lambs Have Teeth" ist aber womöglich, dass Miles´ Werk unter der fast schon poppigen Oberfläche, die der Regisseur durch eine saubere Digital-Optik und den eingängigen Soundtrack erzeugt, schlussendlich ganz und gar unironisch gemeint ist. Der Rachefeldzug von Katie und Sloane ist eine höchst unbequeme Aneinanderreihung gnadenloser Grausamkeiten, in denen die beiden Mädels mithilfe von zahlreichen Werkzeugen so unerschütterlich zur Tat schreiten, dass Miles trotz der modernen Ausstrahlung seines Films in Sphären des radikalen 70er-Jahre-Kinos vordringt, wenn selbst unmenschlichste Täter, die anfangs wie Monster erschienen, in der umgedrehten Opferrolle zu bemitleidenswerten Gestalten verkommen.
Subversiver Charakter äußert sich in "Even Lambs Have Teeth" somit lediglich durch minimale Details in Gestaltung und Dialog. Terry Miles hat ansonsten einen ganz und gar ungemütlichen Film geschaffen, der sich der altbekannten Rape-and-Revenge-Formel so pflichtbewusst unterwirft, dass er bis an die subjektive Schmerzgrenze heranführt. Ob man den Film deshalb verteufelt oder mit einer gewissen Faszination an sich ranlässt, muss jeder für sich selbst wissen. Leicht macht es einem der Regisseur in keinem Fall.
[...] Nach der Einführung, bei der Schneider gewissermaßen als Hauptfigur etabliert wird, verschiebt van Warmerdam den Fokus plötzlich auf die Zielperson. Der Autor Roman Bax führt im Vergleich zu dem Auftragskiller ein völlig konträres Leben. Während Schneider es mithilfe einer einfachen Lüge gelingt, ein friedliches Familienleben zu führen, ist Bax ein menschliches Wrack, das nicht nur von Alkohol und anderen Substanzen abhängig ist, sondern zusätzlich an dem Tag, an dem seinem Leben ein Ende bereitet werden soll, Besuch von seiner depressiven Tochter bekommt, zu der er ein schwieriges Verhältnis pflegt. Als Bax schließlich einen Anruf von dem Mann erhält, der auch Schneider beauftragt hat, wird die Handlung erst recht auf den Kopf gestellt. Aus diesem Szenario spinnt der Regisseur ein Thriller-Geflecht, über das er vordergründig den Deckmantel eines Familiendramas legt. Mit fortschreitender Laufzeit entwickelt sich die anfangs recht einfach gestrickte Lage zu einem zunehmend unübersichtlicheren Geschehen, bei dem Dinge nicht so verlaufen wie geplant, Figurendynamiken von einem Moment auf den anderen rapide verändert werden und das Auftauchen immer neuer Charaktere zu zusätzlichen Komplikationen führt. Schneider vs. Bax findet trotz der unangepassten Atmosphäre und dem ständigen Wechseln der Stilrichtungen nie so richtig in die Spur. Van Warmerdams Film wirkt wie ein unorigineller, antiquierter Versuch, an den ungezügelten Stil der Gangster-Filme erfolgreicher, wilder Regie-Ikonen wie Quentin Tarantino (Pulp Fiction) oder Guy Ritchie (Snatch - Schweine und Diamanten) anzuknüpfen. Ähnlich wie diese beiden Filmemacher unterläuft der Niederländer immer wieder die Erwartungshaltung, verschiebt munter Genre-Bausteine, lässt spannende Einzelmomente ins Leere laufen und setzt auf zynische, bösartige Einschübe. Das Problem dabei ist nur, dass der Regisseur hierdurch den Blick auf seine Charaktere völlig vernachlässigt und sie zu reinen Spielfiguren degradiert. Während er den entscheidenden Personen im ersten Drittel zumindest noch so etwas wie mehrdimensionale Facetten zukommen lässt, opfert van Warmerdam diesen Ansatz zugunsten kurzlebiger Pointen oder zynischer Gewaltausbrüche, die ohne großen Effekt verpuffen. Obwohl der Regisseur bedeutende Motive zu Beginn und im Finale ausspart, verfehlt Schneider vs. Bax beinahe vollständig seine Wirkung, da spätestens im letzten Drittel der Eindruck entsteht, dass selbst der Regisseur kaum Interesse für seine Figuren aufbringt. [...]
Ein Blick auf Takeshi Kitanos "Hana-bi" genügt, um die kleinen, aber umso signifikanteren Unterschiede zwischen dem westlichen und dem fernöstlichen Kino erkennen zu können. Speziell Regisseure aus dem japanischen Raum drehen ihre Filme ganz anders, als man es gewohnt ist und verschreiben sich einem ganz und gar eigenen Rhythmus der poetisch angeordneten Stimmungsbilder, in dem die feinen Details gewürdigt und die großen Gefühle mit wundervoller Hingabe herausgeschält werden.
Über diesem Werk von Kitano breitet sich schon mit Einsetzen des Vorspanns und zu den bewegenden Klängen von Komponist Joe Hisaishi eine traurige Melancholie aus, die den Betrachter zusammen mit dem tragischen Schicksal der Hauptfigur ergreift und nicht mehr loslässt. Schaut man in das Gesicht von Nishi, so wird einem der ganze Schmerz, aber auch die gewaltigen Abgründe dieses Menschen bewusst. Hinter der eingefrorenen, geradezu maskenartigen Fassade des Polizisten verbirgt sich ein Mann, der nicht nur seine kleine Tochter frühzeitig verloren hat, sondern auch noch machtlos dabei zusehen muss, wie seine Frau durch eine Leukämie-Erkrankung immer schwächer wird und nur noch eine begrenzte Zeit vom Leben übrig hat. Hinzu kommt, dass einer seiner Kollegen bei einem Einsatz erschossen wird, während ein anderer Folgeschäden davon trägt, die ihn dauerhaft an den Rollstuhl fesseln. Als Nishi es nicht mehr gelingt, das Geld, das er sich von den Yakuza leiht, zurückzuzahlen, greift der desillusionierte, mittlerweile vom Dienst suspendierte Ex-Polizist zu den letzten Mitteln, die für ihn noch übrig bleiben.
Kitano ergründet das Wesen seines Protagonisten mit bedächtiger Stille sowie nachdenklicher Langsamkeit, wobei er den Pfad von Nishi mit schmerzvoller Entschlossenheit beschreitet, das Unvermeidliche dabei stets vor Augen. Hin und wieder durchbricht der Regisseur den introvertierten Erzählstrudel jedoch durch Momente von hässlicher Gewalt, die mitunter nur kurz aufblitzen. Von einer Sekunde auf die nächste werden Augen von Essstäbchen durchstochen, Gesichter auf den Boden geschlagen oder ganze Körper mit Kugeln zerschossen. Kitano zeigt diese abstoßende Seite seiner Figur so brutal und gleichzeitig so knapp wie nötig, so dass von Nishi der Eindruck eines Mannes entsteht, der die überwiegend ruhig gewahrte Fassung jederzeit durchbrechen könnte, um mit präziser Geschwindigkeit andere Leben zu beenden.
Trotzdem, und diesbezüglich ist gar nicht einmal sicher, ob man dies dem Regisseur Takeshi Kitano oder dem Hauptdarsteller Takeshi Kitano mehr zu verdanken hat, ist "Hana-bi" im Kern ein Drama, in dem ein Mensch, der bereits jeglichen Lebensmut verloren hat und entschlossen auf das Ende zusteuert, alles dafür tut, um seine große Liebe nochmal zum Lächeln zu bringen. In dieser Hinsicht kann der Regisseur trotz des niederschmetternden Pessimismus, der dieses Werk durchzieht, nicht anders, als Nishi und damit auch dem Zuschauer zumindest diesen Wunsch zu erfüllen.
Nach einigen Kurzfilmen durfte sich Jim Hosking nun endlich in einem Spielfilm austoben, wobei der britische Regisseur seinem Wahnsinn völlig freien Lauf gelassen und mit "The Greasy Strangler" eine der bizarrsten "Bad Taste"-Entdeckungen geschaffen hat, die das Filmjahr 2016 zu bieten hat.
Hoskings Werk ist ein klassischer Publikumsspalter, der Gesprächsstoff ohne Ende zu bieten hat und schon nach ungefähr 10 Minuten dafür sorgen dürfte, dass einige dem extremen Stil und Ton des Films sofort verfallen werden, während andere bereits angewidert oder genervt das Handtuch werfen. Der Regisseur kreiert eine provokante Art von Anti-Ästhetik, die gegen all das rebelliert, was üblicherweise in Filmen als Standard gilt. Sauber geschminkte, glatte Gesichter, symmetrische Körper, die nahezu perfekt durchtrainiert sind oder Outfits, die stets passend zum jeweiligen Anlass ausgesucht wurden, ersetzt Hosking durch Figuren, die hierzu einen gewollt abstoßenden Kontrast darstellen.
"The Greasy Strangler" ergötzt sich an dicken Bäuchen, ungepflegtem, schütterem Haar, hässlichen Klamotten, die von beiden Protagonisten zusätzlich im Partnerlook zur Schau gestellt werden, grotesken Mikropenissen sowie überdimensionalen Riesenpenissen und natürlich an massenhaft in glibbriges Fett getauchte Speisen und Körper, während schmutzige Perversionen, cartoonesk überzogene Gewaltexzesse, bei denen die Augen lautstark aus dem Gesicht ploppen und dadaistische Humor-Einlagen zelebriert werden.
Hoskings Geschichte von einem Vater-Sohn-Gespann, zwischen dem ein Wettstreit um dieselbe Frau entbrennt, während ein mit Bratfett überzogener Serienmörder regelmäßig Menschen ermordet, ist ein völlig grotesker White-Trash-Albtraum wie aus einem schrulligen Paralleluniversum, in dem sich John Waters und Helge Schneider lachend die Hand reichen. Dass der Regisseur mit seinem Langfilmdebüt in der etablierten Filmszene sofort die Aufmerksamkeit von Leuten wie Elijah Wood oder Ben Wheatley erlangte, die dem Streifen als ausführende Produzenten zu noch größerer Bekanntheit verhelfen dürften, verwundert nicht.
"The Greasy Strangler" ist eine bodenlose Unverschämtheit in Filmform, die unentwegt provoziert, Tabus bricht und den umgangssprachlichen "Shock Value" als fast schon konventionelle Konstante in den Handlungsverlauf integriert. Dabei werden völlig überzogene Anti-Pointen stellenweise über Minuten gezogen, inhaltlich redundante Passagen fallen niemals störend ins Gewicht und alles endet in einem surrealen Finale, bei dem dann sowieso alles zu spät ist.
Auch wenn die klassischen "Midnight Movies" heutzutage praktisch kaum noch existieren, hat sich Jim Hosking mit seinem Werk in einer der zu füllenden Lücken dieses Vermächtnisses breit gemacht und eine ganz eigene Form von unbekümmertem, rotzig-dreckigen Kino geschaffen, das viele Menschen hassen werden, während ihm andere schon nach kurzer Zeit verfallen und die schrägen Klänge des Soundtracks sowie vor allem die wilden Bilder lange Zeit nicht mehr aus dem Kopf bekommen wollen.
Eigentlich will Craig nur in Ruhe eine riesige Schüssel voll Cornflakes zum Frühstück essen, doch der Morgen an diesem Freitag beginnt für den 22-Jährigen aus der Hood nicht besonders rosig. Nachdem er sich beschwert, dass keine frische Milch im Kühlschrank ist, hält ihm sein Vater erstmal einen Vortrag darüber, dass Craig ihm sowieso ständig alles wegfrisst und sagt ihm später noch, er solle seinen faulen Hintern aus dem Haus bewegen, um sich gefälligst einen neuen Job zu suchen, nachdem er am Tag zuvor gefeuert wurde. Stattdessen verbringt Craig seine Freizeit aber lieber mit seinem Kumpel Smokey auf der Veranda, raucht Gras und lässt den Tag einfach so auf sich zukommen.
In "Friday" wirft Regisseur F. Gary Gray zusammen mit Hauptdarsteller und Rapper Ice Cube, der zusätzlich am Drehbuch mitschrieb, einen sympathischen Einblick in die Hood von Los Angeles, bei dem er den Alltag im afroamerikanischen Viertel ebenso lässig wie ziellos abbildet. Ohne wirklich erkennbaren Spannungsbogen wirkt der Streifen selbst so, als schlendere man gemütlich durch die Straßen dieser Gegend, wo einem an jeder Ecke irgendwelche schrägen Vogel, aufreizende Damen, freche Jugendliche, kriminelle Typen oder zugekiffte Rumtreiber begegnen.
Mit der Kombination eines authentischen Sittengemäldes, das durch die Erlebnisse und Beobachtungen von Ice Cube geprägt ist, und dem eher seichten Humor, der sich aus lakonischen Stoner-Momenten und überdrehter Situationskomik zusammensetzt, ist "Friday" eine dieser typischen 90er-Komödien, die sich ganz klar an eine jugendliche Zielgruppe richten und auf naive, aber trotzdem charmante Weise für einen ausgelassenen Videoabend ausgelegt wurden, bei dem man sich mit Kumpels, Bier und anderen Substanzen vor dem Fernseher vergnügt.
Einzig der Wechsel in dramatischere Regionen mag nicht so recht in das Gesamtbild passen. Während sich der Film über mindestens zwei Drittel hinweg einfach treiben lässt, lose Einzelszenen mit passender Musik aus der frühen Hip-Hop-Ära aneinanderreiht und nur ganz seichte Anflüge von problematischen Konflikten aufblitzen lässt, wirken Szenen, in denen plötzlich wirklich Kugeln fliegen und Fäuste zum Kampf geballt werden, fast schon fehl am Platz.
Als charmantes Zeitdokument, das sich hier und da gerne zu sinnlosen Blödeleien verleiten lässt, ist "Friday" als Gesamtwerk aber eine kurzweilige Komödie, von der sich in erster Linie diejenigen angesprochen und unterhalten werden dürften, die viel für das damalige Lebensgefühl der zappeligen, erhitzten sowie sich ständig in Bewegung befindenden Kultur afroamerikanischer Ghetto-Viertel übrig haben.
[...] Auf gleichermaßen schaurige wie herausfordernde Weise verwebt Zulueta die Abhängigkeiten beider Männer zu einem versponnen Martyrium, in dem der Regisseur die extremen Belastungen des Innenlebens seiner Figuren durch extreme Schnittfolgen und ein unbehagliches Sound-Design zum Ausdruck bringt. Am Anfang der Geschichte erhält José ein Päckchen von Pedro, in dem sich ein Tonband, eine Filmrolle und ein Schlüssel befinden. Als er sich das Tonband anhört und gleichzeitig den Film abspielt, verwandelt sich Arrebato zunehmend in einem halluzinatorischen Rausch, der die Vergangenheit und das Verhältnis der beiden Figuren beleuchtet, miteinander verschwimmen lässt und in ununterbrochen kryptischen Szenenfolgen verläuft. Für den Regisseur selbst muss dieses Werk von ungemein persönlichem Wert gewesen sein, denn Zulueta war ebenfalls heroinabhängig. Der gewaltige Schmerz, von dem Arrebato ständig durchzogen wird, ist ganz klar eine Reflexion der Leiden des Regisseurs, der mit 66 Jahren schließlich verstarb, nachdem er erneut rückfällig wurde. Ein roter Fleck auf dem Filmstreifen von Pedro, der immer größer wird und irgendwann den ganzen Platz einnimmt, ist dabei stellvertretend für den schleichenden Untergang, durch den der Künstler schlussendlich vom Wahnsinn, der ihn zuvor dauerhaft aussaugte, konsumiert wird. Vollständig entschlüsseln lässt sich Zuluetas oftmals bewusst anstrengendes Werk kaum, dafür ist der Interpretationsspielraum schlichtweg zu breit gefächert. Arrebato kann genauso als Metapher für die destruktive Macht des Mediums selbst gelesen werden wie als abstrakter Vampirfilm, in dem die blutdürstigen Kreaturen der Nacht durch eine Filmkamera ersetzt werden, oder aber als Versuch der Darstellung einer Drogenabhängigkeit mit den Möglichkeiten des Kinos. [...]
Ob sie nun Videotheken- oder Supermarktangestellte, einfache College-Studenten oder Comic-Zeichner waren, eines vereint alle Protagonisten aus den früheren Werken von Kevin Smith. Ähnlich wie Quentin Tarantino gelang es dem Regisseur stets, dass die Dialoge seiner Figuren immer so klangen, als würden sie aus Smiths eigenem Mund kommen. Mit seiner Vermengung von pubertären, vulgären Themen und popkulturellen Diskussionen, die sich meist um Comics oder Filme drehen, gewann der Regisseur schnell die Herzen zahlreicher Nerds und Geeks, die sich von den Charakteren und Konversationen, die diese miteinander führten, sofort verstanden und unterhalten fühlten.
Nach "Clerks" und "Mallrats", mit denen sich Smith nach nur zwei Filmen bereits einen unverkennbaren Stil erarbeitete und zu einer der großen Ikonen des amerikanischen Independent-Films der 90er wurde, stellt "Chasing Amy" im Schaffen des Regisseurs erstmalig einen Gehversuch in reiferen Erzählgefilden dar. Davon merkt man zunächst noch nicht allzu viel, denn der Auftakt während der New York Comic Con und die damit verbundene Einführung der beiden Hauptfiguren ist für Smith geradezu eine Spielwiese, auf der er seiner Vorliebe für lakonische Slacker-Charaktere, schräge Nebenfiguren sowie humorvoll-abgedrehte Diskussionen wie beispielsweise über rassistische Untertöne im "Star Wars"-Universum freien Lauf lässt.
Die typische "Bromance" zwischen Holden und Banky, die sich eine Wohnung teilen und gemeinsam Comic-Bücher zeichnen, wirbelt "Chasing Amy" aber schon bald kräftig durcheinander, nachdem sich Holden in Alyssa verliebt, die für ihn einen perfekten Gegenpart zu seinem Leben darstellt. Der Haken bei der Sache ist nur, dass sich Alyssa früh als lesbisch entpuppt, was das bis dahin freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden deutlich verkompliziert.
Was sich vorab noch als gewohnter Einblick in Smiths gewohnt sympathisches Universum bestehend aus unreifen Typen, ausufernden Dialogen über sämtliche, nicht immer wirklich bedeutende Dinge des Lebens und urkomischen Situationen gestaltet, erhält durch den Wechsel hin zu einer romantischen Komödie einen bisweilen verblüffenden Anstrich.
Obwohl sich Smith auf ernsthafte Weise mit Themen wie der großen Liebe und Homosexualität auseinandersetzen will, kann er seine jugendliche, unreife Sichtweise auch in "Chasing Amy" nie vollständig ablegen. Dieser Umstand führt zu einem ebenso holprigen wie aufregenden Mix aus Szenen, in denen Smith haarscharf an der Fremdschamgrenze vorbeirauscht, wenn er die zwei debilen Kult-Sidekicks Jay und Silent Bob auf seriöse Weise in eine Problemsituation integriert, aber auch zu Szenen, in denen das impulsive, extrem emotionale Verhalten der Figuren zu unerwartet berührenden Momenten führt.
Dass "Chasing Amy" alles in allem ein Plädoyer dafür sein soll, dass Liebe an kein festgelegtes Geschlecht gebunden sein soll und nur die besondere Verbindung zwischen zwei Menschen zum richtigen Zeitpunkt entscheidend ist, nimmt man dem Regisseur daher nicht so ganz ab, denn aus seiner Haut kann Kevin Smith auch in diesem Film nie so richtig. Das Resultat beweist, dass das auch gut so ist.
Das elektromagnetische Surren vermischt sich mit wirren Stimmfetzen, eine Polizeisirene ertönt, ohne dass ein Polizeifahrzeug in der Nähe ist, die Gesichter der kleinen Mädchen auf den Straßen wirken alle wie aus einem Guss und dann ist da noch dieses ständige Pochen, ein Gefühl der Gewissheit, dass im eigenen Körper Teile sind, die da nicht hingehören und entfernt werden müssen.
Lodge Kerrigans "Clean, Shaven" beschäftigt sich nicht nur mit dem geistigen Zustand eines Schizophrenen, sondern geht noch weiter und macht die psychische Erkrankung erfahrbar. In einem Großteil der Szenen befindet sich der Betrachter im Kopf von Peter, fühlt den belastenden Druck, der ein gewöhnliches Leben unmöglich macht und erlebt sämtliche Ereignisse aus der völlig überforderten Perspektive eines Mannes, der für sich selbst und sein Umfeld eine tickende Zeitbombe darstellt, obwohl er eigentlich nur wieder mit seiner kleinen Tochter, die zur Adoption freigegeben wurde, wiedervereint werden möchte.
Kerrigan macht das Gefühl der schizophrenen Bewusstseinsstörung spürbar, indem er die auditive Ebene wie ein rauschendes, sprunghaftes Radio einsetzt, bei dem er von einem Sender zum nächsten schaltet, Stimmen, Klänge und Störgeräusche ineinander übergehen lässt und zusätzlich durch Aufnahmen irritiert, die irgendwo zwischen der Realität und dem subjektiv verschwommenen Blick von Peter pendeln. In "Clean, Shaven" geht es aber nicht nur um Peter, sondern zusätzlich um einen Detective, der den Mord eines kleinen Mädchens aufdecken will. Ein Mädchen, das am Anfang des Films einen Ball gegen die Scheibe von Peters Auto wirft und diesen zum Aussteigen bewegt, woraufhin nur noch Schreie ohne konkrete, dazugehörige Bilder zu vernehmen sind.
Immer wieder befindet man sich so nah am Geschehen wie nur möglich, beobachtet in intimen Close-ups, wie sich Peter rasiert, absichtlich selbst verletzt oder im Haus seiner Mutter sorgfältig ein Sandwich belegt. In exakt diesem Stil verfolgt man auch, wie der Detective Beweise untersucht und mit der Pinzette winzige Objekte wie verkrustete Blutpartikel oder feine Haare einsammelt. Kerrigans Film steckt voller rätselhafter, faszinierender Analogien, die neben der beeindruckenden audiovisuellen Form Fragen über die Identität zwischen Jäger und Gejagtem sowie Täter und Opfer stellen. Der Regisseur wirft ein ambivalentes Licht auf Peter, das ihn einerseits zum unberechenbaren Irren macht, der sich in einer kaum zu ertragenden Szene mit einem Messer selbst verstümmelt, so dass man ihm durchaus zutraut, ein Mörder zu sein, während er andererseits ein trauriger, gescheiterter Mann ist, der intelligent und einfühlsam handelt, wäre da nicht dieses Problem mit seinem geistigen Zustand.
Ein Mysterium bleibt dagegen die Figur des Detective, der sorgfältig als Nebenfigur am Rande integriert wird und durch sein Verhalten ständiges Kopfzerbrechen auslöst, inwieweit er und Peter vielleicht sogar zwei Seiten derselben Medaille sind. Auf brillante Weise bringt Kerrigan im Finale beide Figuren zusammen und durchdringt dabei den hypnotischen Wust aus narrativen Nebelkerzen und audiovisuellen Frontalangriffen mit einem bewegenden Ende, das die Blickweise auf Menschen, egal welchen Gesundheitszustandes, noch einmal gehörig durchschüttelt.