Tobi_G93 - Kommentare

Alle Kommentare von Tobi_G93

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    Tobi_G93 23.05.2025, 16:45 Geändert 23.05.2025, 16:48
    über 7 Days

    Ganz harter Tobak aus Kanada.
    In "Les 7 jours du talion" verschwindet zu Beginn des Films ein junges Mädchen. Bald wird die Leiche gefunden. Sie wurde erst vergewaltigt und dann getötet. Schnell findet die Polizei anschließend den Mörder. Dem Vater, ein Chirurg, reicht jedoch eine etwaige Verurteilung nicht aus, lässt ihn aus den Händen der Polizei entführen und nimmt ihn in seine Gewalt, um ihn in der Folge bis in den Tod zu foltern.
    Diese Prämisse könnte in einem anderen Film zum stumpfen, exploitativ ausgeschlachteten Torture-Porn Gore-Vehikel verkommen, doch in den Händen von Regisseur Daniel Gruo offenbart sich dieser oftmal nur schwer erträgliche Film als extrem qualvolles, unangenehm nüchtern inszeniertes Selbstjustiz-Drama, welches ZuseherInnen absolut ernst nimmt und moralische Wertungen des Geschehens selbigen zu weiten Teilen überlässt. In farbentsättigten, von jeglicher Wärme ausgepressten Bildern folgt der Film dem animalischen Selbstjustizwahn eines Vaters, der infolge von Verlust, unendlichem Schmerz und Schuldgefühlen bewusst den Weg von Gewalt und Zerstörung in sein eigenes Verderben beschreitet. Und damit wissentlich selbst zum Täter verkommt, dem jedoch subjektiv keine andere Möglichkeit bleibt. Manche Dinge müssen erledigt werden, auch im Wissen, damit den rechten Weg zu verlassen. Der Weg ist der Falsche, und dennoch bereut er letztenendes nichts.
    Daniel Gruo inszeniert das total nüchtern, ohne große Wertung, zeigt nur die unterschiedlichen moralischen Positionen aller Involvierten auf, ohne selbst klar Position zu beziehen. Dabei wartet der Regisseur in Sachen Gewaltdarstellung mit einer enormen, geradezu unerbittlichen psychischen Grausamkeit auf, ohne jedoch allzu explizit in Gore- und Exploitationbereiche abzudriften.
    All dies ergibt ein echtes Martyrium von Film, das einem erstmal tonnenschwer im Magen liegt. Feel-Bad-Kino par excellance, aber eben richtig gutes.

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      Tobi_G93 20.05.2025, 09:56 Geändert 20.05.2025, 18:57

      Außerordentlich grimmiger französischer Neo-Noir von Yves Boisset, der hiermit einmal mehr sein Händchen für straightes Spannungskino offenbart.
      Ein Hitman killt die zwei Brüder, die Ehefrau und die Tochter eines ehemaligen Gangsters. Dieser tötet anschließend erst den Hitman und macht sich sogleich auf die Suche nach den Hintermännern. Daraus baut Boisset einen pessimistisch-destruktiven, teils erstaunlich brutalen Rache-Thriller in der Tradition von "Point Blank" oder "Get Carter", der in seiner fatalistischen Selbstjustiz-Dramaturgie etwas wie die Gangsterfilm-Variante von Boissets (noch besseren) Vorgänger "Ein Bulle sieht rot" daherkommt. Bösartiger, kleiner Genrefilm, mit Jean Yanne als erbarmungslosen Rache-Engel und Sterling Hayden als alkoholsüchtigen Ex-Cop darüberhinaus richtig stark besetzt. Schöne Entdeckung.

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        Tobi_G93 12.05.2025, 19:52 Geändert 12.05.2025, 19:58

        Merkwürdiger Film, jedoch nicht unbedingt im Schlechten.
        Nach ihrem blutgetränkten Terror-Alptraum "Inside" verschlägt es das Regie-Duo Maury & Bustillo in ein kleines Dorf der französischen Atlantikküste. Dort wollen drei junge Erwachhsene in eine alte abgelegen Villa einbrechen, um die reiche, in ihrem Haus im Koma liegende, schwerreiche Besitzerin auszurauben.
        Wie im brachialen Vorgänger gelingt den Regisseuren ein wirklich starker Spannungsaufbau, mit schicken Bildern und viel Feingefühl für schleichendes Unbehagen wird mit subtilen Mitteln eine herrlich altmodische Schauerstimmung entfacht, quasi als invertierte Home-Invasion Variation des Vorgängers. Diesmal verfolgt der Film die Perspektive von Einbrechern, die in ein Haus eindringen, in dem seehr merkwürdige Dinge geschehen. Das mutet nach einer gelungenen Einführung mitsamt schleichendem Spannungsaufbau wie ein beizeiten wirklich schauriger Haunted-House Grusler an, während der Film etwa nach der Hälfte jedoch jegliche Erwartungshaltungen vollends unterläuft und plötzlich in eine absolut "bat shit crazy" zweite Filmhälfte abbiegt.
        Ein in eine komplett verzerrte, abstrakte Schieflage gesetzter Gothic-Horror-Fiebertraum, zwischen suspiria-artigen Ballett-Flashbacks, Vampirfilm, Body-Horror-Einschüben und verdrehten Dimensionen folgt dieser höchst suggestive Ritt keinerlei Logik und Stringenz und wirft unterschiedlichste Horror-Versatzstücke je nach Lust und Laune ins Geschehen.
        Das macht teilweise durchaus Spaß, verliert sich in seiner Beliebigkeit aber auch schnell und führt leider dramaturgisch-erzählerisch in ein absolut wirres Nichts. Das hat zwar besonders durch die schaurige Bildsprache und einige harte Goremomente durchaus seine Wirkung, ist aber letztenendes nicht weiter als ein stylischer B-Horror-Pulp. Aber ein unterhaltsamer.

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          Tobi_G93 11.05.2025, 09:30 Geändert 11.05.2025, 16:32

          Garstiger, erbarmungsloser Home-Invasion Schwangerschafts-Alptraum aus der New French Extremety. Man könnte sogar von Body-Invasion sprechen, denn im Regiedebüt von Alexandre Bustillo und Julien Maury hat es eine Frau scheinbar auf das ungeborene Kind einer hochschwangeren Frau abgesehen.
          Der Film beginnt mit einem extrem starken ersten Drittel mitsamt mustergültigem Spannungsaufbau. Das Regie-Duo versteht es hervorragend, eine langsam ansteigende Eskalationsspirale mit einigen durchaus unheimlichen Momenten (der Alptraum, Frau am Fenster, die Invasorin in der Dunkelheit) in Gang zu setzen, die in Verbindung mit der schaurig-stilsischeren Ästhetik ein unbehagliche Stimmung von nicht geringer Intensität heraufbeschwört.
          Leider verliert der Film, wenn die subtile Bedrohung nach dem hervorragenden Beginn irgendwann in explizitem Gore-Horror mündet, dann leider sukzessive an Qualität und Klasse, was an mehreren Punkten festzumachen ist. Man bekommt leider schnell das Gefühl, dass sich der Film oftmals zu sehr an seinen tatsächlich toll getricksten Gore-Effekten ergötzt. Das ist in der Darstellung oftmals zu wenig Kopfkino und bedient eher den latenten Gewalt-Voyeuristen. Darüberhinaus nerven hierbei die ständigen, effekthascherisch eingesetzten Baby-Innenansichten gewaltig. Auch bekommt man stark den Eindruck vermittelt, dass einige später auftauchende Figuren wie etwa trottelige Polizisten einzig und allein dazu da sind, möglichst grausam und gorig aus dem Film zu scheiden. Gerade diese Figuren verhalten sich dann auch größtmöglich bescheuert. Beispiel: Ein Polizist wartet mit einem verhafteten Kleinkriminellen im Auto auf seine Kollegen, muss anschließend nachsehen, was los ist und nimmt den Verhafteten lieber in Handschellen mit zum Einsatz anstatt ihn im Polizeiauto zurück zu lassen. Hää?
          Trotz aller Fehler ein durchaus gelungener, verstörender Terrorfilm aus Frankreich, der leider zu schnell die subtile Strategie des extrem starken Einstiegs zugunsten eines Gore-Overkills opfert. Schade

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            Tobi_G93 05.05.2025, 20:20 Geändert 05.05.2025, 21:51

            Perfide Speerspitze der "New French Extremity".
            Alexandre Ajas Regiedebüt ist immer noch ein extrem beklemmender und in den Gewaltszenen brettharter Terrorfilm, der bis heute seinesgleichen sucht. Unglaublich effektiv baut Aja direkt zu Beginn dank der herausragenden Kameraarbeit, der grobkörnigen Ästhetik im 70er-Grindhouse-Stil und besonders dem unfassbar eindringlichen, bedrückenden Score, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, eine knüppeldicke, erschaudernde Grundstimmung auf.
            Was folgt, ist ein zutiefst kaltschnäutziger Home-Invasion-Alptraum, rasanter Road-Movie Horror und garstiger Psychothriller in einem, in dem schlussendlich unerfüllte Liebe fatal nach außen projeziert wird und in einem rasenden, unnachgiebigen Gewaltrausch mündet. Gerade der kontroverse finale Twist erweist sich zugegebenermaßen als ein tendenziell mit kleineren Logiklöchern behafteter, jedoch gleichwohl cleverer Schachzug, der diese brachiale Gewaltphantasie zu einem subjektiven Ausdruck fehlgeleiteter innerer Dämonen und des Schmerzes abgewiesener Liebe werden lässt. Eiskalt und verstörend, auch nach über 20 Jahren eine echte Hausnummer.

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              Tobi_G93 05.05.2025, 11:14 Geändert 05.05.2025, 18:45

              Desillusionierter, paranoider Verschwörungs-Agentenkrimi, vom routinierten, fähigen Genre-Fachmann Yves Boisset eiskalt-nüchtern serviert. Lino Ventura als in Zürich hinter einer Scheinidentität als Finanzprofi stationierter, französischer Geheimagent muss mitansehen, wie plötzlich alle seine Kollegen und Kontakte im Geheimdienst liquidiert werden. Zudem wird er plötzlich von den mysteriösen Hintermännern Chance (Michel Piccoli) und Richard (Bruno Cremer) verfolgt und unter Druck gesetzt. Er solle herausfinden, was da vor sich geht.
              Ohne große Actionmomente schafft Yves Boisset sogleich eine kalte, trist-unbehagliche Grundstimmung und eine latent paranoide Drohkulisse, in der sich Lino Ventura als Protagonist durch ein bald kafkaeskes Geheimdienst-Wirrwarr schlagen muss und sich niemals sicher sein kann, wem er nun trauen kann und um wen es sich eigentlich bei mysteriösen Hintermännern, die ständig plötzlich in seinem Alltrag auftauchen, denn nun handelt. Yves Boisset inszeniert das angetrieben von einem dringlichen Morricone-Score auf den Punkt als rätselhaftes, bedrohliches Paranoiakino, in dem die übergreifende Ungewissheit selbst nach dem zynisch-perfiden Finale bestehen bleibt. Stark

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                Tobi_G93 02.05.2025, 11:47 Geändert 02.05.2025, 18:43

                Quasi-Remake von Lucio Fulcis "Haus an der Friedhofsmauer", nur ohne Friedhofsmauer. Größtenteils ist das ein 0815-Haunted-House Grusler, der irgendwann in eine wildes, irrsinniges Gore-Finale abbiegt. Kaum innovativ bedient Regisseur Ted Geoghegan die typischen Tropes des von alten Mächten/Geistern heimgesuchten Hauses, in welchem gerade ein älteres Pärchen eingezogen ist. Im Keller des Hauses gehen zugleich einige merkwürdige Dinge vor sich. Dabei packt die frostig-unbehagliche Winter-Atmosphäre durchaus von Beginn weg, jedoch setzt der Film teils auf einige effektheischende Jumpscares, die so gar nicht funtionieren wollen. Dennoch wirkt das unvermittelt heftige Gore-Finale schließlich relativ auf den Punkt und gibt diesen lange Zeit etwas uninspirierten Grusler endgültig als charmante, liebevolle Lucio Fulci-Hommage zu erkennen. Weit weg von wirklich gelungen, aber schon ein spaßiger Retro B-Horror.

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                  Tobi_G93 26.04.2025, 09:34 Geändert 26.04.2025, 16:28

                  Carpenter meets Fulci.
                  Irgendwo zwischen Carpenters "Prince of Darkness", Fulcis "The Beyond" und noch etwas Hellraiser 2 verorten die Kanadier Jeremy Gillespie und Steven Kostanski ihren 80er Jahre Pastiche Cosmic Horror-Fiebertraum "The Void". Der Film ist für das geringe Budget sehr hochwertig gedreht, toll getrickst mit schön schleimigen Handmade Creature und Body-Horror Spezialeffekten und zu Beginn in seinem beunruhigenden Belagerungsszenario sogar etwas creepy. Leider ist der Film insgesamt nicht mehr als seine Einzelteile. Die Figurentiefe ist unglaublich dünn, die Dialoge teils fürchterlich und die Geschichte offenbart sich in der zweiten Hälfte als absurder Quatschkram, der wie ein krudes Best-Of des 80er Jahre B-Horrorkinos wirkt. Dennoch spürt man viel Liebe und Hingabe für abseitiges Horrkino. Insgesamt nicht gut, aber für Fans definitiv unterhaltsam.

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                    Tobi_G93 24.04.2025, 12:19 Geändert 24.04.2025, 12:20

                    Durchaus interessant kontruierter Okkult-Thriller, der jedoch mit dramaturgischen Schwächen und einer nicht unbedingt überzeugenden Hauptdarstellerin (Kate Hudson) zu kämpfen hat. Regisseur Iain Softley setzt auf einen seeehr langsam ansteigenden Spannungsbogen, wodurch im Grunde lange Zeit kaum etwas passiert. Durch das fraglos stimmungsvolle Louisiana-Swamp-Ambiente, eine prinzipiell nicht uninteressante Geschichte und einige gute Darsteller (John Hurt, Peter Sarsgaard) bleibt man jedoch am Ball und wird tatsächlich spät noch belohnt. Wo zuvor Spannung und Grusel weitgehend fehlte, zieht das Geschehen im letzten Drittel endlich rabiat an, bietet ein paar mehr oder weniger überraschende Wendungen und eine wirklich ultrafiese finale Pointe auf, womit dieser lange Zeit etwas öde dahinplätschernde Film womöglich länger im Gedächtnis bleibt, als man es sich lange Zeit nicht im geringsten ausmalen konnte.

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                      Tobi_G93 22.04.2025, 10:00 Geändert 22.04.2025, 10:36

                      Sympathischer kleiner Creeper von der grünen Insel, den Regisseur Damian Mc Carthy als sein Regiedebüt nicht ungeschickt irgendwo zwischen Suspense-Thriller und Horrorfilm mit übernatürlich-phantastischem Anstrich aufzieht. Die anfängliche Grundprämisse ist zwar arg herbeikonstruiert und Logiklöcher machen sich in dem Set-Up immer wieder mal bemerkbar. Wenn man sich jedoch darauf einlässt, bekommt man ein angenehm unheimliches Psycho-Kammerspiel aufgetischt, das mit seiner unbehaglichen Stimmung durchaus an den Nerven zerrt. Wenn sich plötzlich ein trommelnder Plüschtier-Hase mit durchdringendem Blick bemerkbar macht und im Keller des abgelegenen Hauses eine der wohl unheimlichsten Leichen, die ich je in einem Film gesehen habe, auftaucht, dann kann einem schonmal anders werden. Guter, unaufdringlicher Genrefilm.

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                        Tobi_G93 19.04.2025, 20:19 Geändert 19.04.2025, 22:32

                        Ruppiger Gangsterfilm vom späteren "Rolling Thunder"-Regisseur John Flynn. Robert Duvall, Karen Black und Joe Don Baker landen auf der Abschussliste des ansässigen Syndikats ("The Outfit"), drehen allerdings proaktiv den Spieß um und erpressen die Organisation. Ob dies so gut gehen wird?
                        Tendenziell leicht träge-mäandernd erzählt, hängt der von John Flynn furztrocken-präzise, in den entscheidenden Momenten wuchtig-intensiv inzenierte und latent von lakonischem Witz ummantelte Film hier und da gar etwas durch, findet allerdings einige sackspannende Set-Pieces, allen voran einen wunderbar kompromisslosen finalen Western-Showdown. Rougher Neo-Noir aus der goldenen Phase New Hollywoods, irgendwo zwischen Don Siegel und Sam Peckinpah.

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                          Intensiver, teils beklemmender Wildnis-Survivalthriller.
                          Ein Pärchen fährt in einen kanadischen Nationalpark. Er möchte ihr einen ganz besonderen Bereich des Parks zeigen, den er aus Kindheitstagen kennt. Vor lauter Hochmut weigert sich der vermeintliche Survivalexperte, eine Karte des Areals mitzunehmen, wie sich in der Folge herausstellt - ein im wahrsten Sinne des Wortes - Bärendienst. Denn nach ein paar Tagen hat man sich natürlich verlaufen.
                          Regisseur Adam MacDonald spielt in diesem gnadenlosen Survival-Abenteuer lange Zeit geschickt mit (Backwood-)Erwartungshaltungen, lässt eine vermeintliche Bedrohung lange Zeit diffus und vage vor sich hin köcheln. Was hat es mit dem merkwürdigen, konfrontativen Wanderer auf sich? Gibt es in dem Park wilde Tiere?
                          Erst nach etwa zwei Drittel findet der Film einen plötzlich unerwartet schockierenden Höhepunkt, anschließend geht dem Geschehen in den finalen 20 Minuten die Luft leider etwas aus. Dennoch ein zuweilen fieser, unbarmherziger Thriller, der aus der minimalistischen Prämisse einiges herausholt.

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                            Tobi_G93 14.04.2025, 11:47 Geändert 14.04.2025, 15:58

                            Unheimliche, abstrakt-minimalistische Home-Invasion-Variante.
                            Nach einem fehlgeschlagenen Heiratsantrag kommt ein ernüchtertes Pärchen in tiefster Nacht von einer Hochzeit, sie wollen in dem Haus der Eltern des Mannes übernachten. Problem: Die Stimmung zwischen den beiden ist durch den ihrerseits abgewiesenen Antrag am Boden. Als plötzlich um vier Uhr morgens eine scheinbar verwirrte Frau aggressiv klopfend vor der Haustür erscheint, geraten die Spannungen zwischen den beiden jedoch schnell in den Hintergrund...
                            In seinem beachtlichen Regiedebüt entfacht Regisseur Bryan Bertino hundsgemein anschleichenden Psychoterror, der statt auf expliziten Gore auf eine extrem beunruhigende Stimmung und sehr behutsam entwickelnde, immer wieder verzögert ansteigende Eskalationsstufen setzt. Ein minimalistische Setting, in dem drei maskierte Personen scheinbar grundlos gewaltsam in das Haus eindringen. Mehr noch, sie haben sichtlich Spaß, das Pärchen zu terrorisieren und die unausweichlich in der Luft liegenden Gewaltakte genüsslich hinauszuzögern.
                            Bryan Bertino zieht das kompromisslos bis ins Letzte durch, spielt sein sadistisches Spiel mit den Figuren wie mit dem Publikum und liefert bis auf zwei, drei unnötige Jumpscares die ganze Klaviatur an subtilen (und später expliziten) Schrecken.
                            Bösartiges, unbehagliches Terror-Kino, extrem effektiv ohne jeglichen erzählerischen Ballast heruntergebrochen.

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                              Tobi_G93 07.04.2025, 12:56 Geändert 07.04.2025, 12:56

                              Umberto Lenzi goes "Les Diabolique".
                              Elegant gefilmter, früher Psychothriller vom groben Genre-Tausendsassa Umberto Lenzi, der sich hier inhaltlich stark an Clouzots Thriller-Meilenstein orientiert. Das ist zwar dramaturgisch nicht immer on point, aber schick-elegant bebildert und von Baker und Trintignant überzeugend gespielt. Kleine, feine Giallo-Entdeckung.

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                                Schicker, hitchcockinspirierter und erstaunlich fieser Suspense-Thriller, in dem ein junger Robert Wagner als gutaussehender, aber eiskalt-berechnender Schönling seine neue Freundin umbringen möchte, nachdem er von ihrer ungewollten Schwangerschaft erfährt. In pittoresken, farbenreichen Breitwandbildern verfolgt der Film die Hauptfigur als Pro- und gleichzeitigen Antagonisten und seine hinterlistige Planung des Mordes an seiner Freundin. Im ständigen Wechselspiel aus Abscheu und Faszination verfolgt man das Geschehen ganz im Stile von Hitchcocks Prinzip, dass je länger man als ZuseherIn einer Figur beiwohnt, man ihr trotz moralischer Differenzen und dem Wissen ihrer Verdorbenheit insgeheim die Daumen drückt. Nach einer lange geschickt hinausgezögerten Wendung verliert der Film leider merklich an Verve, auch weil Robert Wagner plötzlich zur Nebenfigur verkommt und erst im wiederum sauspannenden Schlussakt ins Zentrum rückt. Guter, (neo-)noirartiger Psychothriller, der trotz dramaturgischer Schwächen anständig unterhält.

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                                  Tobi_G93 25.02.2025, 20:11 Geändert 26.02.2025, 13:51

                                  Gnadenlos unterschätzt. Eine meiner liebsten A24-Produktionen. Trey Edward Shults setzt in seiner zweiten Regiearbeit auf ein minimalistisches, postapokalyptisches Kammerspiel-Setting während einer rätselhaften Pandemie, wo man nur noch versucht, irgendwie zu überleben und sich vor Ansteckung zu schützen. Bei Kontakt mit anderen Überlebenden heißt die Devise maximaler Opportunismus. Zwei Familien, die unter diesen extremen Bedingungen in einer Wohnung als Zweckgemeinschaft versuchen auszukommen. Im Zweifel ist man sich jedoch nur selbst am nächsten.
                                  Shults baut daraus ein schleichendes, mit subtiler Spannungsdramaturgie versehenes Paranoia-Meisterstück jenseits generischer Schockmomente und oberflächlicher Affekte. Spätestens in titelgebender Nacht kommen Misstrauen, Unsicherheiten, Verdrängtes aber auch Begierden zum Vorschein. Anfangs noch anhand des Formats als Traumsequenzen markiert, verwischt der Film spätestens im markerschütternden Finale sämtliche Ebenen zu einem nun wahr gewordenen Alptraum in Wachzustand, der einen komplett im Regen stehen lässt.

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                                    Tobi_G93 20.02.2025, 10:53 Geändert 27.04.2025, 11:27

                                    Knochentrockenes, unbarmherziges 70er-Terrorkino aus Kanada. Ein chauvinistischer Lustmolch-Arzt lädt eine attraktive Frau für ein spaßiges! Wochenende in seine ländliche Villa im hintersten Nirgendwo ein. Auf dem Weg dorthin gibts noch ein kleines Streetrace mit einer aggressiven Idiotengang. Die haben allerdings ganz andere Ideen im Schilde, verfolgen die beiden und nehmen sie in ihre Gewalt.
                                    Regisseur William Fruet baut daraus lupenreines, unbequemes Grindhouse-Kino zwischen Home-Invasion und Rape & Revenge Versatzstücken. Dabei überrascht der Film jedoch mit einer für die Zeit ziemlich starken Frauenfigur und setzt anstatt auf Gore und voyeuristische Exploitation mehr auf garstigen Psychoterror und Kopfkino. Das ist zwar nicht sonderlich spannend, punktet allerdings mit einer tristen, unbehaglichen Stimmung, vor allem mit Don Stroud als ekelhaften, auf seltsame Weise charismatischen Oberbaddie sowie einem interessant uneindeutigen, ambivalenten Schlusspunkt.

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                                      Tobi_G93 18.02.2025, 11:07 Geändert 18.02.2025, 11:12
                                      über Ekel

                                      Roman Polanskis erstes großes Meisterstück. Der Auftakt seiner berüchtigten Mieter-Trilogie entführt uns in die Swinging Sixties Londons. Dort lebt die schüchterne, zurückgezogene Carole mit ihrer Schwester in einem Appartment.
                                      Angelegt als klaustrophobisches Kammerspiel, das weitgehend innerhalb der Wohnung Caroles auskommt, schildert der polnische Ausnahmeregisseur mit den Mitteln des streng subjektivierten Erzählens und des surrealistischen Horrorfilms ein grausiges Psychogramm. Polanski zieht uns nach einem trügerischen Anfang zunehmend den Boden unter den Füßen weg, indem Carole immer mehr in eine wahnhafte Psychose abgleitet, deren extremen Ausmaße lange Zeit kaum vorstellbar waren. Dabei ist der Film keinesfalls als pathologische, unnötig psychologisierende Fallstudie angelegt, sondern möchte in erster Linie den seelischen Verfall erlebbar machen. In düsteren, beklemmenden Schwarz-Weiß-Bildern verformt sich der Alltag zunehmend in abstrakte, albtraumhafte Schreckensbilder, die von einer tief liegenden, sexuellen Furcht Caroles vor Männern zeugen.

                                      Auf geradezu sadistische Weise spielt Polanski sein ganzes Können aus, verfremdet Zeit- und Wahnehmungebenen in eine stetige Desorientierung, in der die verformte Außenwelt den inneren Verfall Caroles symbolisch darstellt. Unterlegt von einer grausigen Geräuschkulisse, apokalyptische Glockentöne, surrende Fliegen, ein tropfender Wasserhahn und das stetige Ticken der Uhr. All dies gehört zur sadistischen Strategie des Films, tief sitzende Beklemmung, Hilflosigkeit und eine zunehmendes Ausgeliefertsein zu erzeugen. Einfache Ursachen für die extreme Psychose gibt es kaum, ehe uns die letzte Szene unvermittelt böse ins Gesicht schlägt. Die Antwort für ihr Leiden spukt auf einem alten Familienfoto. Eine kindliche Carole, die mit angsterfüllter, entsetzter Mimik ihren Vater erblickt. Eine fürchterliche Ahnung stellt sich ein. Polanski gelangen auch in der Folge einige Meisterwerke, dies ist (evtl. noch mit "der Mieter") sein wohl rohester, verstörendster, unnachgiebigster Film.

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                                        Tobi_G93 25.01.2025, 22:34 Geändert 26.01.2025, 10:15

                                        Completely on his own.
                                        Lynch packt in seinem im Grunde unfassbaren Debüt bereits so gut wie alles hinein, was er in seinen späteren Neo-Noirs erzählerisch mehr sophisticated durchspielt.
                                        Ein komplett grausiges, beklemmendes Sounddesign, Innen- und Außenwelt werden eins, komplett dasselbe. Wünsche, Ängste, dunkle Triebe und Projektionen dringen nach außen und manifestieren sich in grotesken Mutationen, in einer hyperindustrialisierten Vorhölle, in der jegliche menschliche Kommunikation ins nichts zu führen scheint und das Leben selbst von einem vernarbten, gruseligen Mann maschinell gesteuert wird.
                                        Aber niemals ist der Film komplett sperrig, geschickt und teils witzig werden banale Alltagssituationen, die jeder schonmal so oder so ähnlich erlebt hat, ins Groteske und Angsteinflößende überspitzt. Das Dinner bei den Schwiegereltern, mit dahin vegetierender Großmutter, die mit Kippe im Mund zumindest den Salat durchrühren darf. Oder der Schwiegervater, der einfach nur irre regungslos grinst. Oder mit der Frau im Bett, die bei Berührung sogleich zurückschreckt und "seine" Bettseite für sich beansprucht. Und überall Lärm, Rauch und Schmutz
                                        Dann ist da noch die Sexualität, die blonde, "brave" Ehefrau, und die verruchte, sexy, dunkelhaarige Nachbarin. Er zwischen den beiden. Zerrissen.
                                        Und das Kind. Nicht von dieser Welt, aber was ist diese Welt schon. Was klar ist, es nimmt langsam seinen Platz ein. Beansprucht ihn, "ersetzt" ihn. Dann muss es eben sterben. Aber in heaven ist sowieso everything fine.
                                        Maybe the most horrific nighmare movie ever, by far. There wont be anything like it.
                                        Thank you, David.

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                                        • 7

                                          In seiner Tonalität merkwürdig unentschlossene Mischung aus Heist-Krimi, Gaunerkomödie und Überwachungs-Paranoia. Regisseur ist allerdings Meister Sidney Lumet, der das etwas ungelenke Drehbuch stilsicher in nüchtern-dokumentarischer New-Hollywood Ästhetik umzusetzten weiß. Mit einer großartigen Hauptfigur Sean Connery als abgebrühter Heist-Profi, Christopher Walken in einer seiner ersten Rollen und dem erfahrenen Haudegen Martin Balsam ist der Film saugut besetzt, dazu gelingt Lumet größtenteils souverän die Balance aus packendem Suspense, skurriler Komik und bedrohlichem Paranoia-Kino. Weit entfernt von makellos, aber erstaunlich unterhaltsam.

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                                          • 6 .5
                                            Tobi_G93 29.12.2024, 20:14 Geändert 30.12.2024, 13:15

                                            Stimmungsvoll arrangierter Neo-Noir von Carl Franklin, der nach seinem überaus ansehnlichen Debüt "One False Move" gleich den nächsten untergegangen Geheimtipp des 90er Jahre Thrillerkinos hervorbringt. Dramaturgisch zwar latent holprig erzählt, mit einer rekordverdächtig kompliziert-wirren Crime-Story im "The Big Sleep"-Niveau im Schlepptau, packt Franklins Film mit ausgeklügelter Bildsprache, interessanten und zum Teil auffallend manierierten Figuren sowie staubtrocken eingeschobenen Witz. Ein wie so oft saucooler Washington glänzt als herumschnüffelnder Hard-Boiled Ermittler. Heimlicher Star ist aber Don Cheadle als Washingtons Partner in Crime als überdrehter, lakonischer Killer. Wie cool ist der denn.

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                                            • 7 .5
                                              Tobi_G93 27.12.2024, 13:31 Geändert 29.12.2024, 20:25

                                              Unbequemes, erschöpfendes Psychodrama im nüchtern-ruppigen New Hollywood - Stil, in dem James Caan als spielsüchtiger Uni-Professor sich sukzessive in die Scheiße reitet. Immer wenn man meint, jetzt hat er es doch noch übern Berg geschafft, zeigt einen dieser Film schnell eine lange Nase, indem die Situation nochmals einen Dreh verschlimmert wird. Mit einer schleichend-unbehaglichen, spiralförmigen Eskalationslogik dringt Regisseur Karel Reisz konsequent in die destruktive Natur der Sucht hinab, zeigt den fatalen Teufelskreis ungeschönt in einem nüchtern-versifft eingefangenen New York, ehe einen der Film mit einem gar nicht mal so spektakulären, aber doch fiebrig-krassen Finish endgültig in den Abgrund reißt. Puh, bittere Nummer.

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                                                Tobi_G93 19.12.2024, 11:09 Geändert 19.12.2024, 11:11

                                                "Dont Look Now" als Pulp-Horror.
                                                Wieder einmal versucht sich Stuart Gordon nach seinen 80er Jahre Splatter-Hits an einer sehr freien Adaption eines Lovecraft-Werks, in diesem Fall Lovecrafts "Der Außenseiter". Scheinbar hat Gordon kurz zuvor Nicolas Roegs Meisterwerk der trauernden Gondeln gesehen und hat sich plottechnisch etwas inspirieren lassen. Auch hier kommt ein Ehepaar, diesmal amerikanisch und mit kürzlich verstorbenen Sohn und erblindeter Tochter, nach Italien, genauer gesagt in ein historisches Schloss, welches angeblich geerbt wurde. Wieder mit von der Partie in den Hauptrollen sind die ewigen Gordon-Veteranen Jeffrey Combs und Barbara Crampton, die das trauernde wie zerstrittene Ehepaar spielen.
                                                Im vererbten Schloss in der pittoresken Toskana kommt es dort sogleich zu merkwürdigen Zwischenfällen und rätselhaften Ereignissen. Problem: Im Kellerverließ haust der angeblich verstorbene, grässlich entstellte Sohn der ehemaligen Besitzerin umher und führt nichts Gutes im Schilde.
                                                Gordon baut daraus schön altmodischen Horror, der sich vielleicht etwas zu lange Zeit lässt, denn trotz der durchaus schaurigen Stimmung passiert leider zuerst kaum Nennenswertes. Erst im letzten Drittel bekommt das titelgebende Bambino-Ungetüm endlich genug Screentime, Gordon darf endlich seine typische Gore-Keule schwingen und findet obendrauf ein schön bitter-melancholisches Ende, welches wiederum stark an das oben genannte 70er Meisterstück erinnert.

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                                                  Tobi_G93 13.12.2024, 19:40 Geändert 13.12.2024, 19:44

                                                  Erstaunlich düsteres, ernüchterndes Noir-Melodram von Nicholas Ray, in dem Humphrey Bogart den cholerischen, zu gewalttätigen Übergriffen neigenden Drehbuchautoren Dixon Steele spielt. Einen anfänglichen Crime-Plot eines Mordes an einer neuen Bekanntschafft von Steele, der sogleich zum Hauptverdächtigen avanciert, nutzt Nicholas Ray eher als Aufhänger für eine in der Folge wirklich intensive Kreuzung aus abgründiger Charakterstudie und zynisch-bitterem Beziehungs-Melodram.
                                                  Steeles Nachbarin und Schauspielerin gibt ihm ein vermeintliches Alibi, verliebt sich anschließend in den abgehalfterten, wohl früher im Krieg aktiven und selbstzerstörerisch auftretenden Drehbuchautoren, doch hat er wirklich nichts mit dem Mord zu tun?
                                                  Fast unbemerkt wechselt Ray ab der Mitte des Filmes seine Hauptfigur, springt von Bogart zu Gloria Graham, wir werden Zeuge ihrer inneren Zerrissenheit und mit der Fragestellung konfrontiert, ob sie ihren zwielichtig und unberechenbar agierenden Partner wirklich vollends vertrauen kann. Die Antwort scheint schnell klar und doch trifft einen schließlich der Film in einem melancholischen Finish mit seinem zynischen "What if"- Charakter unerwartet stark. Ein wahrlich einsamer, bitterer, tragischer Ort.

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                                                    Tobi_G93 10.12.2024, 16:20 Geändert 13.12.2024, 19:45

                                                    Kleiner, hundsgemein (über-)konstruierter B-Noir vom gebürtigen Österreicher Edgar G. Ulmer, in dem ein Bar-Pianist zu seiner Freundin nach Los Angeles reisen möchte, die dort auf den Schauspiel-Durchbruch hofft. Problem: Für einen Flug dorthin fehlt ihm das Geld. Also wird stattdessen getramped...
                                                    Ulmer baut daraus eine teils arg konstruierte Film Noir - Variante als Road-Movie, in der sich der Reisende bald aufgrund unglücklicher Umstände und dummer Entscheidungen in eine Zwickmühle manövriert. Angelegt als komplett subjektive, vermeintlich sogar unzuverlässige Flashback-Erzählung, womit sich die dramaturgischen Holprigkeiten durchaus als schlüssiges Erzähl-Konzept wegerklären lassen und dem Geschehen die Form einer ziellos-fragmentierten Odyssee verleiht. Ulmers dramaturgische Anlage als fiebriger Road-Noir scheint dabei vor allem im Thrillerkino der 90er Jahre in den Werken eines David Lynchs (in "Wild at Heart" oder "Lost Highway"), eines Oliver Stones (in "U-Turn" oder "Natural Born Killers") oder auch John Dahls (in "Red Rock West") seine Spuren hinterlassen zu haben.

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