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'Ausgestoßen' oder Der determinierte Mensch

29.08.2015 - 09:00 Uhr
Koch Media GmbH
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Aktion Lieblingsfilm 2015

"Immer muss ich durch Straßen gehen, und immer spür ich es ist einer hinter mir her(...)Manchmal ist mir, als ob ich selbst hinter mir herliefe! Aber ich(...) kann mir nicht entkommen!"

Dieser Satz, Fritz Langs Meisterwerk "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" entnommen, stammt zwar aus dem Mund eines kranken Mörders, gibt er doch treffend ein Hauptproblem und zugleich das für mich über das Medium Film hinausgehende, faszinierendste vieler Film noirs wieder - die Last der Vergangenheit und/oder des eigenen Ichs, dem man zu entfliehen sucht und das früher oder später für den Untergang verantwortlich ist und ewig, wie ein Gespenst, das keine Ruhe findet bis etwas gesühnt wurde, immer um einen herum ist. Auch dieses "immer durch Straßen gehen", besser gesagt 'flüchten' gehört zum täglichen Alltag der Menschen eines Film noir. Es ist eine Hassliebe, die diese "Erniedrigten und Beleidigten", diese "Odd Men Out" mit ihrer Stadt, gleichgültig ob diese nun Los Angeles und Chicago oder London und wie hier Belfast heißen, dieser 'ehrlichen Hure', verbindet. Sie können weder mit noch sind sie ohne sie vorstellbar. Fluchtversuche aussichtslos.

Und so kann es auch für den nordirischen Widerstandskämpfer Johnny McQueen und seine Geliebte Kathleen keinen anderen Weg als den des als Befreiung empfundenen Todes geben. Auf welche Weise dieser auch immer eintreten mag - verbluten oder gefangen genommen und erhängt werden; die einzige durch den freien Willen noch beeinflussbare Handlung, die ihm offen zu bleiben scheint.

Wie soll man auch als kleine Figur gegen etwas ankommen, dass sich derartig perfektionistisch auf der stilistischen (expressionistische, düstere Ausleuchtung, begleitet von einigen Halluzinationen und subjektiven Einstellungen), musikalischen (ein orchestrales Leitmotiv, das am Beginn steht und bereits eine traurige Stimmung erzeugt, die das Bild einer Person entstehen lässt, die sich mehr schlecht als recht erschöpft voranschleppt) und symbolischen (etwa eine immer wieder in den Blickwinkel gerückte Turmuhr) Ebene als geradezu vorherbestimmt offenbart?

Scheinbar von unsichtbaren Fäden gelenkt beginnt sich ab einem Überfall ein Dominoeffekt in Gang zu setzten, dessen Auslöser man weit in die Vergangenheit verfolgen könnte.

So ist es nicht bloß Johnnys unzureichende Konstitution oder die noch nicht verjähte erste Straftat, sondern dieses auf Ursache und Wirkung aufbauende Prinzip des Determinismus ließe sich hier wohl (ins Extreme getrieben) bis zur Besetzung Irlands durch die Normannen und dem beginnnden Konflikt zwischen Engländern und Iren zurückverfolgen. Johnnys und das seiner Freunde Handeln ist somit auf gesellschaftlicher Seite determiniert.

Ein ungerechtes System zwingt sie in die Rolle von Rächern, die ihre Kämpfe mit Gewalt austragen müssen, da man ihnen sonst keine Beachtung schenken würde. Doch dadurch sind sie zu Verbrechern geworden und verlieren ihre Sympathien in der Bevölkerung, die aus Angst nichts mit dem Verwundeten Johnny zu tun haben möchte.

So wie der Tag auf die Nacht und auf Sonne Regen, auf Regen Schnee folgt, so ist die Zeit der härteste Gegenspieler des vom Determinismus gefangen Genommenen. Jedoch, im Gegensatz zum bedingslosen Fatalismus, lässt Carol Reed hier den Personen noch einen kleinen Lichtschimmer, an den sie sich klammern können und der vor allem Johnny, trotz seiner Passivität für das Leben kämpfen lässt, indem er sich nicht der Polizei ausliefert sondern ein Rennen gegen die Vorherbestimmung aufnimmt, in der Hoffnung jemand warte auf ihn.

Damit ist sein Tod, vielleicht gerade wegen des frühen Wissens darum, umso trauriger und berührender - ein tragischer Abgesang auf die Freiheiten des Menschen.

"Wie lange werde ich leben?" - "Bis zum Morgengrauen!" (aus "Das Cabinet des Dr. Caligari")

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Dieser Community-Blog ist im Rahmen der Aktion Lieblingsfilm 2015 entstanden. Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Medienpartnern und Sponsoren für diese Preise:


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