Colin Firth spielt den Verführer in Dorian Gray

15.04.2010 - 12:00 Uhr
Dorian Gray (Ben Barnes, li.) und Lord Henry Wotton (Colin Firth, re.)
Concorde
Dorian Gray (Ben Barnes, li.) und Lord Henry Wotton (Colin Firth, re.)
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Verführung zum Schein, zur ewigen Jugend und Schönheit, dafür steht die Figur Lord Henry Wotton. Deren Darsteller Colin Firth spricht bei uns über seine Rolle in der neuen Verfilmung, und über die Themen, die Oscar Wildes Roman so zeitlos machen.

Nach vielen Jahren kommt eine neue Verfilmung von Das Bildnis des Dorian Gray in die Kinos. Dorian Gray steht in einer Dreiecksbeziehung mit Basil und Lord Henry Wotton. Wotton ist vernarrt in Dorians Schönheit, wobei eine gewisse Eifersucht mit ins Spiel kommt. Was der Schauspieler Colin Firth über seine Rolle Lord Henry Wotton und dem gesamten Stoff zu berichten hat, lest ihr hier:

Colin Firth über Lord Henry Wotton:

Wie sehen Sie das Gewicht der Hauptfiguren im Film?
Colin Firth: So wie ich das sehe, hat diese Geschichte drei Protagonisten: Basil, Dorian und Lord Henry, zwischen denen eine ganz spezielle Dreiecksbeziehung herrscht. Lord Henry und Basil sind beide auf ihre Weise in Dorian vernarrt, wie überhaupt die ganze Welt zusehends fasziniert von ihm ist, sei es weil die Leute sich von ihm angezogen oder abgestoßen fühlen. Vielleicht sollte man außerdem als vierten Protagonisten das Gemälde anführen, das schließlich für jene Seite Dorians steht, die er vor der Welt versteckt. Lord Henry möchte Dorians Schönheit zum Wanken bringen, sie durchbrechen. Anfangs tut er das meiner Meinung nach, um Basil zu provozieren. Aber je weiter die Zeit voranschreitet, desto mehr geht es ihm tatsächlich darum, diese phänomenale Schönheit irgendwie zu beeinträchtigen.

Und was zeichnte Lord Henry Wotton aus?
Colin Firth: Lord Henry Wotton ist ein Voyeur, also niemand der sich wirklich selbst die Hände schmutzig macht. Er will seine Familie nicht verlieren und nicht selbst den Preis für seine Taten bezahlen, deswegen macht er Dorian zu einer Art Stellvertreter seiner selbst. Für Lord Henry ist das alles ein Spiel, denn er hat entweder nicht den Mut oder ist doch nicht böse genug. Im Roman macht er keine Entwicklung durch. Das wurde für unsere Geschichte ein wenig verändert, dadurch dass er nun eine Tochter hat. Sein Einsatz in diesem Spiel ist auf diese Weise ein anderer, weswegen es dann doch zu einer Veränderung kommt. Weil er nun eine Tochter hat, wird er verletzlich; er kann nicht mehr so leichtfertig mit der Situation umgehen, denn plötzlich gibt es da etwas, das ihm etwas bedeutet und alles bekommt eine ganz andere Dringlichkeit. Lord Henry kann nicht mehr tatenlos zugucken, sondern muss sich involvieren – und Dorian gewinnt so eine andere Art von Macht über ihn.

Was hat Sie selbst an der Figur gereizt?
Colin Firth: Ich fühle mich immer zu Figuren hingezogen, die nicht ohne Weiteres greifbar sind. Natürlich habe ich viele Rollen gespielt, die sich auf den ersten Blick vor allem durch ihre typisch englische Art auszeichneten. Aber in diesem Fall ging es mir um die tatsächliche Motivation dieses Mannes, die sich nicht auf Anhieb erschließt. Lord Henry umgibt ein echtes Rätsel. Sein Verhalten und seine Faszination für Dorian werfen viele Fragen auf. Ist es eine Art väterliche Liebe, die ihn antreibt? Sexuelles Verlangen? Ich glaube, es ist von allem etwas. Er vernichtet Dorian, indem er stellvertretend für ihn dessen Selbstzerstörung auslöst. Ich glaube, er projiziert eine Art Selbstverachtung auf ihn.

Sie mussten Ihre Figur auch als gealterten Mann spielen, wie war das?
Colin Firth: Schon in der Vergangenheit habe ich Männer gespielt, die ein anderes Alter hatten als ich. Man muss dafür durchaus seine Vorstellungskraft aufwenden, aber wenn das Drehbuch gut geschrieben ist und alles Drumherum stimmt, dann läuft es fast wie von selbst. Von dem Moment an, wo ich mein Alters-Make-up trage, verändere ich mich automatisch. Und nicht nur ich! Kaum sah mich Ben Barnes mit meiner künstlichen Glatze, wurde er richtig bevormundend. Er wollte mir in meinen Stuhl helfen, mir Medizin geben und den Beutel meines künstlichen Darmausgangs leeren! Falls ich einen gehabt hätte..

Das Wichtigste, wenn man einen alten Mann spielt, sind nicht die Falten, die man ins Gesicht gemalt bekommt. Es geht darum, mit welchen Augen man auf die Welt blickt: ohne Wachsamkeit, ohne das Gefühl immer wieder etwas Neues zu entdecken. Auch Ben hat das beherzigt. Der junge Dorian ist jemand, der schnell überrascht ist und ein wenig unbeholfen, so als würde ihm die Welt ständig auflauern. Der ältere Dorian dagegen ist kaum noch zu beeindrucken. Olly machte die kluge Beobachtung, dass Lord Henry sich immer verhält, als sei er gar nicht alt. Aber als Dorian von seinen Reisen zurückkommt, verschiebt sich das Machtverhältnis zwischen den beiden gehörig.

Wie war die Zusammenarbeit mit Ben Barnes?
Colin Firth: Je älter ich werde, desto weniger Lust habe ich, etwas zu machen, was mir keinen Spaß macht. Es ist mir egal, was für ein Meisterwerk am Ende entsteht, wenn ich während der Arbeit keine gute Zeit habe. Aber Ben Barnes, der für mich einer der Hauptgründe war, diesen Film zu machen, und ich hatten wirklich jede Menge Spaß. Das hat uns und unserer Arbeit sehr geholfen. Dorian und Lord Henry haben durchaus einen spielerischen Umgang miteinander und unser eigenes Verhältnis hat sich ein bisschen auf das unserer Figuren übertragen.

Und über den Regisseur, was gibt es über Oliver Parker von Ihrer Seite aus zu berichten?
Colin Firth: Olly Parker hat, wie so viele der besten Regisseure, mal wieder bewiesen, dass es ausgesprochen förderlich ist, wenn am Set wirklich eine Art Familie ist. Mit einem Kameramann des Vertrauens und einem Team von Schauspielern, die sich kennen. Zum einen natürlich, weil man sich dann einfach gut aufgehoben fühlt. Aber zum anderen auch, weil es die Kommunikation so viel einfacher macht und einige Arbeit wegfällt. Wenn man zum ersten Mal miteinander arbeitet, muss man schließlich sehr schnell, aber manchmal auch mühsam, einen Weg finden, Vertrauen und Sicherheit im Team zu entwickeln. Dass mit Olly jemand Regie führte, der selbst Schauspieler war, war natürlich ebenfalls hilfreich. Da herrscht viel gegenseitiges Verständnis. Er war ein guter Schauspieler und weiß genau, wie wir funktionieren und welche Sprache wir sprechen."

(Aus Materialien des Concorde Filmverleihs erstellt)

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