Die Oscarverleihung als leidige Pflichtübung

03.03.2014 - 08:08 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
12 Years a Slave
Tobis Film/AMPAS
12 Years a Slave
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Eine historische Oscarnacht liegt hinter uns, aber nur, wenn wir nach den verliehenen Preisen gehen. Die 86. Oscarverleihung ging ansonsten auf Nummer sicher und dabei blieb die Unterhaltung auf der Strecke.

Dreieinhalb Stunden später haben wir den ersten Oscar für den Besten Film, der von einem Schwarzen gedreht wurde, wir haben ein brutales Sklavendrama, das den Hauptpreis abgeräumt hat und einen Lateinamerikaner, dem der Regiepreis zugesprochen wurde. Nur fühlt sich die Erinnerung an die 86. Verleihung des Oscar überhaupt nicht so an, als lägen da historische dreieinhalb Stunden hinter uns. Das eindrücklichste Bild der Verleihung zeigt nicht den auf der Bühne herumhüpfenden Steve McQueen. Dieses Bild gehört Jennifer Lawrence, Bradley Cooper, Kevin Spacey und anderen. Sie posieren mit Host Ellen DeGeneres für einen Selfie, der später über 1 Million Mal bei Twitter geteilt wird. Bloß nicht anecken, immer schön kuscheln mit den Stars, war die Devise von Ellen DeGeneres und den Organisatoren der Show.

Mehr: Weitere Infos zu 12 Years a Slave im Tobis Filmclub

Bei ihrem zweiten Oscar-Engagement bot Ellen DeGeneres eigentlich genau das, was wir von ihr zu erwarten hatten. Als Nachfolgerin des umstrittenen Seth MacFarlane trat sie auf de Bremse. Statt der Gesangsnummer zu Beginn wurden wir durch einen etwas hölzern vorgetragenen Standup-Monolog aufgewärmt, der mit genau einem guten Witz aufwartete (“Possibility No. 1: 12 Years a Slave wins best picture. Possibility No. 2: You’re all racists. And now, welcome our first white presenter, Anne Hathaway.”). Doch anstatt sich in folgenden Segmenten humoristisch ins Spiel zu bringen, wurde DeGeneres’ Rolle in dieser Verleihung auf die des Fangirls beschränkt. Sie durfte Pizza unter den Stars verteilen, Bilder mit ihrem Smartphone schießen und bettelte in einer die Veranstaltung unfreiwillig bloßstellenden Geste um das Geld der Reichen und Schönen.

Darüber hinaus versuchten sich die Produzenten der Verleihung händeringend darin, ihre vielen (Wunsch-)Zielgruppen gleichermaßen glücklich zu machen, was in den seltensten Fällen gelang. Helden-Montagen sollten als Brückenschlag zwischen Klassischem Hollywood und der Franchise-Gegenwart dienen, wirkten aber im Großen und Ganzen wie eine wahllos zusammengestellte Venusfalle für junge Zuschauer. Daneben stand eine Der Zauberer von Oz -Hommage von Pink sowie ein Bette Midler -Auftritt (The Wind Beneath My Wings), die mehr über den Geschmack der Produzenten Craig Zadan und Neil Meron aussagen als über ein irgendwie geartetes Konzept hinter dieser Veranstaltung.

Mehr: Der Live-Blog zur Oscarverleihung 2014

Sicher war nicht alles lahm und vorhersehbar bei den diesjährigen Oscars, was Präsentatoren wie Bill Murray, Amy Adams und John Travolta sowie Gewinnern wie Lupita Nyong’o und Cate Blanchett zu verdanken ist. Aber die meiste Zeit wirkte die Show so, als müsse hier jemand eine Pflichtübung abliefern. So wurden den Präsentatoren unterhaltsame Einführungen vorenthalten (vielleicht auch besser so, denken wir an die vielen Versprecher), damit bloß alles schnell wieder vorbei ist. Vielleicht fürchteten sich die Autoren vor den Minenfeldern, die zwischen Blue Jasmine und 12 Years a Slave lauerten und ließen im Rückzug ihren Host allein auf dem Schlachtfeld zurück.

Ein paar Überraschungen und einprägsame Momente gab es schließlich bei der diesjährigen Oscarverleihung. Zeigte die Academy beim Besten Film Mut zur Schonungslosigkeit, schreckte sie bei den Dokumentationen davor zurück, wo 20 Feet from Stardom gewann. Der Sieg von Lupita Nyong’o (12 Years a Slave) war einer der emotionalsten der Oscars, was die Schauspielerin durch ihre beeindruckende Rede bestärkte. Ebenso erfreuten der erwartbare (zweite) Oscar für Alfonso Cuarón und der erste für Spike Jonze. Wer hätte hingegen vorher gedacht, dass American Hustle mit seinen zehn Nominierungen leer ausgeht? Das Rennen zwischen dem Gravity und 12 Years a Slave blieb vergleichsweise lange spannend, doch die 86. Academy Awards zeigten wieder, wie wenig das ausgeweitete Feld in der Kategorie Bester Film bringt, sehen wir von der Verwässerung der Aufmerksamkeit für die einzelnen Beiträge ab. Schlussendlich war diese Verleihung weder den historischen Entscheidungen noch den hollywoodreifen Geschichten mancher Nominierter angemessen.

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