Die Unbeugsame - Netflix' Unbreakable Kimmy Schmidt

26.03.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Kimmy SchmidtNetflix
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13 Episoden waren abgedreht, da bekam NBC kalte Füße und verkaufte Unbreakable Kimmy Schmidt an Netflix. Zum Glück für Netflix, wie sich nach einem Binge-Tag mit der Comedyserie herausstellt.

Das schlimmste, was ihr jemals passiert wäre, sei in ihrem eigenen Vorgarten geschehen. Kimmy Schmidt (Ellie Kemper) sagt das einmal und sie untertreibt nicht. Mit 13 Jahren wurde sie entführt und mit drei anderen Frauen in einem Bunker festgehalten. Ihr wurde die Freiheit genommen und das Recht auf eine unbeschwerte Jugend geraubt. 29-jährig krabbelt sie ans Sonnenlicht, mit einem Rucksack voller Dollarscheinen, aber ohne Freunde, ohne Familie und ohne Plan. Klang ein Comedy-Plot jemals vergnüglicher? Das dachten sich vielleicht Tina Fey und Robert Carlock, deren neue Serie im Titel Unbreakable Kimmy Schmidt die Marschrichtung vorgibt.

I’ve been googling you. - You have? I didn’t feel it.

Kimmy tut nämlich, was jeder vernünftige Comedy-Held tun würde: Sie geht nach New York. In den 13 Episoden der ersten Staffel lernt sie, was es mit iPhones und Selfies auf sich hat, eignet sich neuste Trends an ("Dancing is about butts now!") und meistert sogar die sozialen Medien ("Hashbrown: No Filter!"). Kimmy ist eine außerordentlich fröhliche Seele und in jeder anderen Show würde sie ihr grenzenloser Optimismus und ihre Neigung zu blinkenden Turnschuhen in die Riege skurriler Randgestalten verbannen. Wie übrigens bei allen wichtigen Figuren in Unbreakable Kimmy Schmidt: der Möchtegern-Broadway-Star Titus Andromedon (Tituss Burgess), die Vermieterin Lillian Kaushtupper mit dunkler Vergangenheit (Carol Kane) und die narzisstische, reich verheiratete Jacqueline Voorhees (Jane Krakowski). Bisweilen erinnert Unbreakable Kimmy Schmidt deswegen an Friends, wenn Friends eine Serie über Gunther wäre oder Janice oder Mr. Heckles oder den hässlichen nackten Mann von gegenüber.

Why do we keep doing this to ourselves?

Wie die Friends mit ihren dysfunktionalen Sippen findet Kimmy ausgerechnet im von Drogen, Eitelkeit und Gier verseuchten Moloch eine neue Heimat. Denn für die 30 Rock-Schöpfer Fey und Carlock ist New York City genau das: Ein furchtbar fantastischer Ort, in den jährlich Tausende "Kimmys aus Indiana" strömen, um eine Version ihrer selbst zu kreieren, mit der es sich leichter leben lässt. Die Stadt wird bei ihnen zum Melting Pot, in dem der Drang nach Individualität in der Einförmigkeit aufgeht. Wenn sich nämlich ein Bösewicht in Unbreakable Kimmy Schmidt herausschält, dann ist es die Norm.

Die Serie sprudelt nur so über vor Hochstaplern. Titus zum Beispiel, der eigentlich vom Lande kommt und ganz sicher nicht mit dem formidablen Nachnamen Andromedon geboren wurde. Einmal rennt der erfolglose Schauspieler in voller Wolfsmensch-Montur durch die Stadt. Plötzlich sind alle netter zu ihm, als gäbe es kein bedrohlicheres Bild auf der Straße als das eines ausgewachsenen schwarzen Mannes. Mit solchen und anderen Verweisen auf rassistische Klischees zeigt sich Unbreakable Kimmy Schmidt tagesaktuell, wenn auch nicht durchweg überzeugend. In einem der am meisten diskutierten Subplots der Serie offenbart sich die verwöhnte Jacqueline als Lakota mit blondierten Haaren und blauen Kontaktlinsen, die ihre Herkunft verschleiert, um endlich Teil der Mehrheitsgesellschaft zu werden. Ein ziemlich grober Gag über den Zwang des Weiß-Seins, wohl aber nicht grob genug, um die ziemlich weiße Besetzung Jane Krakowskis als zynischen Kommentar zu realen Casting-Gepflogenheiten zu verkaufen.

I thought the world had ended. I thought I would die there. But I survived. Because that’s what women do. We eat a bag of dirt, pass it in a kiddie pool, and move on.

Solch eine bittere Note würde im Universum von Unbreakable Kimmy Schmidt arg herausstechen, wo schon der eingängig virale Vorspann herausposaunt, hier werde sich niemand von den Umständen unterkriegen lassen. Schon gar nicht die von den Medien als Opfer klassifizierte Kimmy. Tina Fey, Robert Carlock und die Autoren finden die Quelle ihrer rasant aneinandergereihten Gags wie jede gute Komödie im Schmerz. Sie entlehnen ihre Grundidee bewusst tatsächlichen Entführungsfällen  der jüngeren Vergangenheit. Nur setzen sie der medialen Ausschlachtung der Realität eine dringend nötige fiktive Alternative entgegen. Die definiert ihre Heldin nicht durch das Leid, welches ihr zugefügt wurde, sondern ihre Unbeugsamkeit und damit letztlich ihre Selbstbestimmung. Insofern erzählt Unbreakable Kimmy Schmidt vom Leben nach der großen Drama-Serie. Ganz ohne männlichen, weißen (Anti-)Helden. Von denen gibt's sowieso genug.

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