Kein Platz für Eltern - Alt sein bedeutet einsam sein

16.01.2018 - 09:45 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Kein Platz für Eltern
Paramount Pictures
Kein Platz für Eltern
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In Kein Platz für Eltern ließ Leo McCarey 1937 ein älteres Ehepaar um seine Würde kämpfen. 80 Jahre später begeistert der Film durch seine Zeitlosigkeit, um die es hier gehen soll.

Wie es später einmal sein wird, wenn man alt und grau ist, darüber denken wahrscheinlich nur die wenigsten jungen Menschen gerne nach – und das aus gutem Grund, denn für die meisten dürfte das Leben dann kaum einfacher werden. Leo McCareys berührendes Drama Kein Platz für Eltern (OT: Make Way For Tomorrow) erschien 1937 und spielt auch zu ebenjener Zeit der Großen Depression, als es um die Wirtschaft denkbar schlecht stand und alle den Gürtel enger schnallen mussten. Für Barkley (Victor Moore) und Lucy (Beulah Bondi) Cooper, das zentrale Ehepaar des Films, erweisen sich die Gegebenheiten aber als besonders schwierig: Sie sind nämlich jenseits der 60 und müssen nun schmerzlich feststellen, dass die Gesellschaft sie einfach nicht mehr braucht. Auch die eigenen Kinder der beiden sind mit der Lage überfordert.

Kein Platz für Eltern basiert auf dem Roman Years Are So Long von Josephine Lawrence sowie einem unveröffentlichten Stück von Helen und Nolan Leary, welches wiederum an Lawrences Buch orientiert ist. Die Geschichte beginnt damit, dass Familienoberhaupt Barkley seine Stelle verloren hat, aber in Anbetracht seines Alters keine neue findet, was Lucy und ihn schließlich dazu zwingt, die erwachsenen Kinder um sich zu versammeln, um die schlechte Nachricht zu verkünden. Mittlerweile nämlich droht außerdem die Zwangsversteigerung des Hauses und ohne die Unterstützung ihrer Nachkommen stünden die liebenswerten Protagonisten des Films bald auf der Straße. Schon hier zeigt sich die Scham, die Barkley und Lucy aufgrund ihrer misslichen Situation empfinden, obwohl sie eigentlich nichts für die Misere können. Jetzt aber sind sie nicht bloß ungewollt, sondern unversehens auch abhängig vom Wohlwollen Dritter.

Verantwortung für die Eltern übernehmen kann ganz schön schwierig sein...

An den Rand gedrängt

Dass Kinder die ersten 18 Jahres ihres Lebens oder sogar länger bei ihren Eltern wohnen und von diesen mit Liebe und natürlich auch den nötigen materiellen Dingen versorgt werden, gilt in der modernen westlichen Welt als selbstverständlich – mit einem ungeschriebenen Anrecht der Älteren, später etwas davon zurückzufordern, sieht es dagegen zumindest im praktischen Umgang oft heikel aus und oft realisieren wir vielleicht gar nicht, welche Opfer unsere Eltern einst für uns erbracht haben. So reagieren die anwesenden vier Kinder von Lucy und Barkley immerhin verhalten hilfsbereit, doch lässt es sich nicht vermeiden, dass das Ehepaar getrennt werden muss, obwohl eine der zwei Töchter theoretisch genug Platz für beide anzubieten hätte (es heißt, der Schwiegersohn stehe im Weg). Zwar soll es sich bei der Verteilung der Eltern auf zwei Haushalte nur um eine Übergangslösung handeln, aber wir ahnen bereits, dass den zentralen Figuren eine harte – beziehungsweise noch härtere – Zeit bevorsteht.

Ist die Maßnahme erst vollzogen, offenbart sich so richtig die Kluft zwischen den Generationen. Lucy ist bei Sohn George (Thomas Mitchell) und dessen Frau Anita (Fay Bainter) untergekommen, die ihrerseits mit Geldproblemen hadern, weshalb Anita zur Aufbesserung der Finanzen in der Wohnung abends einen Bridge-Kurs für Wohlhabendere abhält. Auch Lucy leistet der Runde Gesellschaft, erweist sich aber schnell als Fremdkörper, wenn sie den Ablauf unwillentlich in einem quietschenden Schaukelstuhl, mit lockerem Geplauder oder durch lautes Telefonieren mit Barkley stört. Dem geht es viele Kilometer entfernt bei Tochter Cora (Elisabeth Risdon) auch nicht viel besser, denn ihn fesselt bald eine hartnäckige Erkältung ans Bett. Demnächst soll er zur vollständigen Genesung ins sonnige Kalifornien ausgelagert werden (und damit einem anderen zur Last fallen). Als ein freundlicher junger Arzt vorbei schaut, möchte er sich von diesem nicht behandeln lassen, womit Regisseur McCarey andeutet, dass die Frontenverhärtung zwischen Jung und Alt mitunter durchaus beiderseitig ist und womöglich keine Lösung existiert.

Nicht zu trennen: Lucy (Beulah Bondi) und Barkley (Victor Moore)

Trost finden Barkley und Lucy im Angesicht räumlicher Trennung letztlich nur im jeweils anderen sowie der gemeinsamen glücklichen Vergangenheit, was einiges aussagt über die Hoffnungslosigkeit, mit der sie das Hier und Jetzt konfrontiert – in einem bezeichnenden Dialog mit ihrer Enkelin meint Lucy traurig, alles was ihr als alte Frau bleibe, sei so zu tun, als gebe es keine Tatsachen mehr, der sie sich stellen könne. Dabei haben Menschen wie Barkley und sie durchaus viel anzubieten wie beispielsweise einen enormen Erfahrungsschatz, der gewiss auch eine schnelllebige Gesellschaft wie eben die unsere bereichern würde. Dafür ist nach der Einlassung von Kein Platz für Eltern auch gar nicht nötig, dass verschiedene Generationen einander in allem verstehen. Was zählt ist einzig, es zu versuchen, damit niemand allein sein muss.

Was denkt ihr über Kein Platz für Eltern?

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