Künstlerdrama Howl quält mit explodierenden 3D-Orgasmen

15.02.2010 - 10:57 Uhr
James Franco als Allen Ginsberg in Howl
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James Franco als Allen Ginsberg in Howl
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Am Film Howl, der eigentlich die Frage nach dem Wert oder Unwert von Poesie stellt, wurden vor allem die Ansichten der Kritiker über Wert und Unwert von Filmen deutlich. Die Frage: Kitsch oder Kunst?

Der Film Howl – Das Geheul, der bei der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb läuft, handelt vom Dichter Allen Ginsberg, der 1955 versucht, sein Gedicht Howl zu veröffentlichen. Da dem Gedicht von konservativer Seite Obszönität und Sittenlosigkeit vorgeworfen wird, muss er in einer Gerichtsverhandlung die künstlerische Freiheit und die Frage nach dem Wesen und dem Wert der Kunst verteidigen.

55 Jahre später steht der Film Howl – Das Geheul vor dem Hohen Gericht der Berlinale. Wieder stellt sich die Frage, was Kunst zu Kunst macht. Allerdings wiegt der Vorwurf einiger Kritiker schwerer als damals, denn statt Obszönität werfen sie Howl – Das Geheul das Schlimmste vor, was ein Kunstwerk sein kann: Kitsch. Besonders der Versuch, die Rezitation der Gedichte mit Computer-Animationen zu bebildern, scheidet die Geister.

Jens Balzer von der Berliner Zeitung vergleicht die Animationen mit schlimmstem 80er-Jahre-Kitsch: “Der Sonderpreis der Berliner Zeitung für die abscheulichsten Animationsfilmsequenzen geht in diesem Jahr an Howl – Das Geheul von Rob Epstein und Jeffrey Friedman. […] Ohne Unterlass schweben nun schlecht animierte 3D-Figuren in Bonbonfarben und mit Lichteffekten aus der CGI-Software-Resterampe in wilden Kopulationsstellungen durch den Beatnik-Himmel; kommt es durch das Kopulieren zu einem Orgasmus, explodieren die Körper zu Sternenstaub. […] Selbst den Japanern wäre es zu viel, wenn beim Comic-Orgasmus gleich der ganze Körper explodiert. […] Kommt die Rede hingegen auf Jazzmusik, sieht man einen kernig in sein Saxofon trötenden Knaben, aus dessen Instrumentenmündung (kein Witz) goldene Sternchen und Strahlen schießen. […] Mag über die Beatpoesie auch die Zeit hinweg gegangen sein – diese Art der migräneerzeugenden Bilderverschmutzung seiner eigentlich ja ganz schönen Sprache hat Allen Ginsberg nicht verdient.”

Ekkehard Knörer von Perlentaucher.de vergleicht Howl – Das Geheul mit der Serie Mad Man, die ebenso wie der Film ein Zeitbild der späten 50er Jahre liefern will: “Dazwischen, auch mal Schwarzweiß, die Liebe, die Fünfziger, aber alles mitgeschnitten aus Interviews und Protokollen. Quellenfetischismus, Geschichtsdummheit. In jeder Sekunde des Vorspanns der TV-Serie Mad Men steckt mehr Intelligenz und Stilgefühl als in diesen Sequenzen. […] Wo Mad Men zum überzeugenden Zeitbild wird durch wunderbar tarierte Unterdeutlichkeit, da schreit Howl – Das Geheul heraus, was eh keinen interessiert. Wär’s nicht so traurig, müsste man lachen, dass der ganze dumme Literatur-muss-erlebt-sein-Quatsch, auf dem der Film reitet, justament dieser Tage in Feuilletons Urstände feiert.”

Ganz anders beurteilt Brigitte Häring vom Sennhauser Filmblog die filmische Umsetzung von Howl – Das Geheul. “Den Filmemachern ist es absolut gelungen, den Sog, den dieses Gedicht Howl erzeugt, auch mit ihrem gleichnamigen Film zu erzeugen, und Allen Ginsberg eine ebenso schlichte wie mitreissende Hommage zu widmen. Ohne zu kommentieren, interpretieren oder zu werten haben die Regisseure dennoch – in sehr poetischen Stil verpackt – den Finger immer wieder auf die wichtigen gesellschaftlichen Themen der 50er Jahre gelegt, die auch Ginsberg selber ein Anliegen waren.”

Auch Andreas Borcholte vom Spiegel sieht den Wert des Filmes Howl – Das Geheul über eventuellen stilistischen Mängeln stehen: “Rob Epstein […] inszenierte seinen gemeinsam mit Jeffrey Friedman gedrehten Film als flammendes Plädoyer gegen die Zensur des Andersdenkenden. Manch einem Berliner Tageszeitungskollegen war diese kämpferische Collage zwar zu kitschig, aber in Wahrheit funktioniert Epsteins Film wunderbar als aufregender cineastischer Genremix und als sympathische Erinnerung an einen wichtigen Moment der Verteidigung der künstlerischen Freiheit.”

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