Egal ob Berlinale, Cannes oder Venedig: Bei den großen Filmfestivals geht es meistens auch um die großen Namen des Weltkinos. Wenn der neue Film eines international anerkannten Regie-Stars Premiere feiert, stehen Kritiker:innen in der Schlange und hoffen, noch einen Platz bei seiner Uraufführung zu ergattern.
Viel zu oft fallen dabei leider die richtig interessanten Entdeckungen durch das Raster und geraten wenige Wochen nach ihrem Festivaldebüt in Vergessenheit, was u.a. daran liegt, dass sich kein Verleih findet, der die Filme ins Kino oder zu einem Streaming-Dienst bringt. Der herausragende April bleibt von diesem Schicksal verschont.
Mubi zeigt einen der besten Filme des Jahres: Das packende Drama April von Dea Kulumbegaschwili
Auf der Leinwand bekommen wir den zweiten Spielfilm der georgischen Regisseurin Dea Kulumbegaschwili zwar nicht zu Gesicht. Dafür könnt ihr ihn euch ab sofort bei Mubi im Streaming-Abo anschauen. Weit abseits der Mainstream-Blockbuster von Amazon Prime, Netflix und Co. kuratiert Mubi eine sorgfältige Auswahl an erlesenen Filmperlen. Nun reiht sich April als Exklusivtitel in die sowieso schon exzellente Auswahl ein.
Die Geschichte von April entführt an den Fuß des Kaukasusgebirges. Hier, im Osten Georgiens, lernen wir die Gynäkologin und Geburtshelferin Nina (Ia Suchitaschwili) kennen, die sich ihren Patientinnen mit großem Einfühlungsvermögen annimmt und ihrem Beruf mit einem Idealismus folgt, den der Rest ihrer Umgebung vermissen lässt.
Eines Tages ereignet es sich jedoch, dass eines der Neugeborenen unter ihrer Aufsicht bei der Entbindung stirbt. Der Vater ist außer sich vor Wut und verlangt, dass sofort eine Untersuchung in die Wege geleitet wird. Nicht zuletzt hat er gehört, dass Nina außerhalb ihrer Arbeitszeit im Krankenhaus heimlich illegale Abtreibungen durchführt.
Ehe sich Nina versieht, findet sie sich in einem Konflikt wieder, der sowohl ihre berufliche als auch ihre moralische Integrität auf die Probe stellt. Dass sie sich als ledige Frau in einem extrem konservativen Umfeld mit patriarchalen Strukturen wiederfindet, hilft ihr nicht weiter. Im Gegenteil: Plötzlich ist alles, was sie tut, ein Fehler.
Streaming-Tipp: April lehnt sich immer wieder in den Horror von David Lynch und Jonathan Glazer
Schon in den ersten Minuten fühlt sich Dea Kulumbegaschwilis Werk wie ein Albtraum an, der direkt aus dem Kopf von David Lynch entsprungen ist, wobei ebenso Jonathan Glazers Ausnahmewerk Under the Skin in Erinnerung kommt. Raue, kalte Bilder vereinen sich mit rohen Naturaufnahmen, während sich der Himmel verdunkelt.
Es regnet, donnert und blitzt, bis der Boden so weit aufgeweicht ist, dass Nina wortwörtlich stecken bleibt – an einem der Orte, an dem sie am wenigsten sein will, aber am meisten gebraucht wird. Das grundlegende Drama verwandelt sich mehrmals in einen abstrakten Horror-Thriller, der von seiner beklemmenden Atmosphäre lebt.
Kulumbegaschwili, die bereits mit dem nicht weniger aufwühlenden Beginning vor fünf Jahren beim Toronto International Film Festival für Aufsehen sorgte, schafft mit ihrer zweiten abendfüllenden Regiearbeit eine gespenstische Reise durch karge Landschaften und trostlose Räume, die trotzdem ihre eigene Poesie und Schönheit besitzen.
April wartet mit einer unheimlich aufregenden Filmsprache auf, die vertraute Konflikte in neuen, unverbrauchten Bildern erzählt, was für sehr einnehmende Erzählperspektiven sorgt. Ein mutiger, erschütternder und inspirierender Film, der Kulumbegaschwili zu einer der interessantesten Filmemacherinnen der 2020er Jahre macht.
- Noch ein Streaming-Tipp bei Mubi: Der großartige Mond von Kurdwin Ayub
Nachdem April bei den Filmfestspielen von Venedig 2024 seine Premiere feierte und in Deutschland auf dem Filmfest Hamburg und dem Around the World in 14 Films Festival in Berlin zu sehen war, erscheint der Film heute bei Mubi im Streaming-Abo.