Richtig falsche Oscar-Entscheidungen

23.06.2008 - 13:11 Uhr
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Den wichtigsten Filmpreis der Welt bekommt nicht immer der richtige Film.

Seit 1929 verleiht die Academy of Motion Pictures Arts and Science den Oscar. Er ist der wohl bekannteste und in der Filmbranche begehrteste Filmpreis der Welt. Gern wird mit den gewonnenen Oscars für den Film geworben, für viele ist er zusätzliches Marketing. Untersuchungen zeigen, dass Oscar-prämierte Filme ihr Einspielergebnis erheblich steigern können.

Aber die Academy lag nicht immer richtig mit ihren Entscheidungen: Der Meister des Suspense Alfred Hitchcock hat nie einen Regie-Oscar erhalten, Martin Scorsese bekam ihn erst 2006, obwohl er ihn viel früher verdient hätte. Die Academy liegt also auch oft daneben. Filme werden ausgezeichnet, die den kleinsten gemeinsamen Nenner treffen und innovative, experimentierfreudige oder schlichtweg bessere Werke werden ausgespart. Häufig gewinnt ein schlechterer Film, weil mindestens zwei gute Werke nominiert sind und sich niemand entscheiden will. Mehrfach hat ein “lachender Dritter” gewonnen. Hier stellen wir Euch 10 Filme vor, die einen Oscar gewonnen und bessere Kandidaten aus dem Feld geschlagen haben.

1941So grün war mein Tal von John Ford
Regisseur John Ford ist bekannt für seine Western. Er wird zum Chronist jüngster amerikanischer Geschichte und trägt wahrscheinlich mehr zum Geschichtsbewusstsein der Amerikaner bei als jeder High School-Unterricht. Mit So grün war mein Tal erzählt er die Geschichte einer Bergarbeiterfamilie in Wales. Der Film brilliert zwar mit wunderbaren Bildern und Szenen aus dem Alltag kleiner Leute, ist aber auch eine typische Familien-Saga, die heute völlig vergessen ist. Citizen Kane von Orson Welles, Die Spur des Falken von John Huston und Verdacht von Alfred Hitchcock hatten gegen das Hollywood-Rührstück keine Chance.

1944Der Weg zum Glück von Leo McCarey

Hier geht es um einen Kaplan, der neuen Schwung in eine New Yorker-Gemeinde bringt. Der alte Kaplan sieht das gar nicht gern. Hauptdarsteller Bing Crosby bietet viel praktische Hilfe für die Lebensgestaltung und singt auch schön. Dem musikalischen Pfarrer-Film hat der Klassiker des film noir Frau ohne Gewissen von Billy Wilder was Stilistik, Kamera, Schauspieler usw. usf. betrifft einiges voraus. Aber wahrscheinlich war die Schlechtigkeit, um die es hier geht, einfach zu viel. Außerdem wird im film noir auch nicht gesungen, also ging der Oscar an Der Weg zum Glück.

1951Ein Amerikaner in Paris von Vincente Minnelli

Musicals haben in Amerika einen besseren Stand als im Rest der Welt. Kein Wunder, dass der in Paris tanzende Gene Kelly die Herzen des Publikums und der Academy-Mitglieder im Sturm eroberte. Dabei ging er nicht als Favorit ins Rennen um den begehrten Preis. Das waren die Dramen Ein Platz an der Sonne von George Stevens und Endstation Sehnsucht von Elia Kazan, die auch heute noch viel zu bieten haben. Wieder einmal ist ein lachender Dritter Sieger geworden.

1952Die Größte Schau der Welt von Cecil B. DeMille

Charlton Heston spielt ihr einen Zirkusmanager, der mit seinem Zirkus durch Amerika reist. Heute kennt den Film kaum noch jemand, aber seine Gegenkandidaten schon: Zwölf Uhr mittags von Fred Zinnemann ist ein Westernklassiker, der in keiner Filmliste fehlt; im Boxerfilm Der Sieger zeigt John Ford einmal mehr, dass er zu den Besten Regisseuren der Filmgeschichte zählt. Gewonnen hat aber ein mittelmäßiger Film.

1957Gigi von Vincente Minnelli

Dieses Musical ist My Fair Lady auf Französisch, spotteten damalige Kritiker und hatten dabei nicht so unrecht. Wieder wird viel gesungen und getanzt. Dass der Film 9 Oscars einfahren würde, hätte vor der Verleihung niemand erwartet. Das Drama Die Katze auf dem heißen Blechdach hatte gegen ein kleines französisches Mädchen, das verheiratet werden sollte bzw. wollte, keine Chance. Wirklich schade.

1965Meine Lieder, meine Träume von Robert Wise

Hier singt und tanzt die junge Novizin Maria in Gestalt von Julie Andrews. Sie tritt gegen große Filme an. In diesem Jahr sind auch noch Cleopatra von Joseph L. Mankiewicz und Doktor Schiwago von David Lean nominiert. Gewonnen hat aber eine konservative, kitschige und schmalzige Schmonzette.

1976Rocky von John G. Avildsen

Das billig produzierte Boxerdrama mit Sylvester Stallone mag ja vielleicht einen Oscar verdient haben, aber in diesem Jahr tritt ein Film an, der eigentlich unschlagbar ist … und leer ausgeht: Taxi Driver von Martin Scorsese. Viermal ist der Klassiker des New Hollywood nominiert, aber die American Academy weist den Film schnöde zurück: Er erhält keinen einzigen Preis.

1980Kramer gegen Kramer von Robert Benton

Beim Film über den alleinerziehenden Vater, der erst langsam in seine Rolle wächst, zücken noch heute einige Zuschauer das Taschentuch. Natürlich hat das Drama seine Qualitäten, besonders wegen des Hauptdarstellers Dustin Hoffman lohnt sich ein Blick. Aber diesen Film den Meilensteinen Apocalypse Now von Francis Ford Coppola und All that Jazz von Bob Fosse vorzuziehen, bricht einem das Herz.

1981Eine ganz normale Familie von Robert Redford

Als Schauspieler hat Robert Redford keinen Oscar bekommen. Vielleicht erinnerten sich die Academy-Mitglieder daran, als sie dieses Familiendrama unter seiner Regie auszeichneten und ihn zum Überraschungssieger des Abends kürten. Gewonnen hat er gegen das Boxerdrama Wie ein wilder Stier von Martin Scorsese und gegen Der Elefantenmensch von David Lynch. Beide sind in zahlreichen Bestenlisten vertreten. Wer erinnert sich an diesen Film?

1982Die Stunde des Siegers von Hugh Hudson

Der pathetische Sportlerfilm erzählt von den britischen Leichtathleten Harold Abrahams und Eric Liddell. Es erstaunte die Fachpresse, dass sich dieses Werk durchsetzen konnte. Immerhin gab es in diesem Jahr mit Atlantic City von Louis Malle eine klassische amerikanische Gangstergeschichte und mit Reds von Warren Beatty ein biopic über einen amerikanischen Kommunisten, Journalisten und Aktivisten zu sehen. Aber die American Academy entschied sich für die Briten und auch gegen solch alte Meister wie Henry Fonda und Katharine Hepburn in Am goldenen See.

1991Der mit dem Wolf tanzt von Kevin Costner

Goodfellas von Martin Scorsese wurde bis zur Oscar-Verleihung im Februar als großer Gewinner gesehen. Die Preise der amerikanischen Kritiker-Verbände wurden ihm bereits zugesprochen, aber schon bei den Golden Globes und den Nominierungen für den Oscar gesellte sich Der mit dem Wolf tanzt ein Konkurrent an seine Seite. Und die Gala der Oscar-Verleihung brachte für Martin Scorsese das “normale” Ergebnis: Keinen Oscar für die Beste Regie oder für den Besten Film. Eine Schande!

1995Forrest Gump von Robert Zemeckis

Mitte der 1990er Jahre tauchte mit Pulp Fiction ein Regisseur auf der Bildfläche auf, der mit seinem Film Kultstatus erlangen sollte. Quentin Tarantino gelang es mit einer brillanten Story, rasantem Schnitt und wunderbaren Schauspielern, die herkömmlichen Erzählstrukturen des Kinos neu zu gestalten. Kein Film hatte derart viel Einfluss auf das Kino der 1990er Jahre. Das honorierten auch die Kritiker: Der Film lag in allen Umfragen vorn. Aber – wie nicht anders zu erwarten – ignorierte die American Academy das Kritiker-Votum und es gewann Forrest Gump.

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