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Alte Liebe rostet nicht

03.10.2014 - 13:44 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Der Reporter, der mein Herz eroberte.
Hergé
Der Reporter, der mein Herz eroberte.
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Mein Gegenpol zu all den Marvelhelden:

Wie viele bin ich ein großer Fan von Comicverfilmungen und Comics selbst. Im Moment wächst das Marvel-Universum auf der großen Leinwand immer weiter, und das zu Recht: Marvel bietet schließlich unzählige Geschichten und spannende Charaktere. Und Superhelden werden einfach nicht alt.
Doch mit dieser Art von Comics bin ich erst vor vielleicht vier oder fünf Jahren in Berührung gekommen, als auf Pro7 mal wieder ein Spider-Man-Marathon lief. Bis dahin hatte ich an so etwas schlicht kein Interesse.

Denn ich kannte von klein auf eine ganz andere Art von Comics: Die Geschichten der großen französischen und belgischen Künstler, nämlich Uderzo, Goscinny, Morris und Hergé. Meine Eltern besaßen eine große Sammlung ihrer Comics.
Und sie lernte ich zu lieben, kaum, dass ich alt genug war, mir halbwegs einen Sinn aus den bunten Bildern zusammenzureimen. Neben Märchen und Astrid Lindgren-Geschichten musste mir mein Vater die Sprechblasen von „Lucky Luke“ vorlesen, wollte ich doch unbedingt wissen, was da gesagt wurde! Lucky faszinierte mich, er war wohl auch mein so ziemlich erster Schwarm, der tapfere Cowboy mit der schnellsten Hand im Westen und dem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ich schloss sie alle in mein Herz, die Dalton-Brüder, Rantanplan, Jolly Jumper sowieso.

Ein verrückter Haufen fester Größen meiner Kindheit.


Und auch die Bewohner des mit unbezwingbaren Galliern bevölkerten Dorfes wurden mir schon bald zu treuen Gefährten. Asterix wurde mir zum Ratgeber, Obelix zum besten Freund.

Doch da gab es einen, der übertrumpfte sie alle, denn ihn lernte ich von Anfang an in bewegten Bildern kennen: Tim aus „Tim und Struppi“.
Samstag vormittags, ich weiß nicht mehr, wo, liefen immer zwei Folgen seiner Zeichentrickserie am Stück. Mit 6 oder 7 Jahren schwankte ich stets zwischen Faszination, Begeisterung und Gruseln angesichts der Fälle, denen der aufgeweckte junge Reporter und sein treuer vierbeiniger Begleiter nachgingen. Tim schafft es irgendwie, in jedem Streifen in ein neues Abenteuer hineinzuschlittern, in dem es stets gilt, quer über den Globus zu reisen und Rätsel und Mysterien aufzuklären. Begleitet wird er dabei nicht selten vom ruppigen Kapitän Haddock und seinem kleinen Foxterrier Struppi.
Ich fand diese Fälle früher oft furchtbar unheimlich, denn uralte Maya-Flüche und Regierungsverschwörungen waren mir fast eine Nummer zu groß. Doch Tim war jedes Mal in der Lage, mich wieder mitzureißen, denn am Ende schaffte er es immer, alles zum Guten zu wenden. Darauf konnte ich mich verlassen.

Kaum hatte ich dann meinen ersten eigenen Bibliotheksausweis, holte ich mir natürlich die zugehörigen Comics. Ich liebte sie alle: Käpt’n Haddock, Professor Bienlein, Schultze und Schulze, natürlich Struppi und es ist wohl nicht nötig zu erwähnen, wie ich für den jungen Reporter Tim schwärmte. Und es war mir vollkommen egal, dass diese Geschichten schon über 70 Jahre alt waren.

Meine Liebe zu dieser Comicreihe hatte ich dann über die Jahre beinahe vergessen, bis sich im Kino in der Trailershow ein ganz neuer Film von Tim und Struppi ankündigte. Aber kein Zeichentrick diesmal. Unter Steven Spielberg sollte der Reporter-Rotschopf in dieses Jahrtausend geholt werden. Natürlich nur auf die Technik bezogen. Tims Geschichten selbst ins 21. Jahrhundert zu befördern wäre schließlich ein wirklich kaum zu stemmendes Projekt gewesen.

Sofort von nostalgischer Wehmut gepackt, wetterte ich zunächst über die Tatsache, dass der Film animiert sein sollte statt gezeichnet. Es erschien mir ein Vergehen an diesen altehrwürdigen Bildern, sie am Computer neu zu erzeugen. Doch als mein kleiner Bruder mich bat, ihn ins Kino zu begleiten und „Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn“ anzusehen, sagte ich wohl oder übel zu.

Und als ich dann im Kinosessel saß, lustlos und mit nicht allzu hohen Erwartungen, begann ich mehr und mehr zu strahlen. Schon allein die Anfangssequenz, in der John Williams als Komponist ganze Arbeit geleistet hatte, zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. Sie fasste den Stil der Comics perfekt zusammen und machte Lust auf mehr. Und dann sah ich den „neuen“ Tim zum ersten Mal so richtig. Und sofort war ich wieder verliebt. Ich konnte es mir nicht erklären, doch irgendwie hatte dieser Film es geschafft, den optimalen Mittelweg zwischen dem gezeichneten Stil und einer Realverfilmung zu finden. (Tatsächlich gab es 1961 und 1964 bereits Realverfilmungen mit Jean-Pierre Talbot als Tim, die mir allerdings nicht wirklich gefallen, denn Tim ist meiner Meinung nach nicht real verfilmbar.)

Tim und Haddock - ein unschlagbares Gespann.


Als ich später nachschlug, und herausfand, dass alles über Motion-Capturing gelaufen war, wurde mir einiges klarer, doch die Magie des Films nahm es mir nicht. Schließlich war es bei Weitem kein leichtes Unterfangen, diese Kultfiguren so umzusetzen. Ich aber hatte die gesamte Zeit über das Gefühl, Tim sei realer als je zuvor. Fast hatte ich das Gefühl, er existiere wirklich und spiele sich selbst. Jamie Bell leistete ganze Arbeit in der Hauptrolle, und mit Andy Serkis als Co-Star und Motion-Capturing-Gott als Captain Haddock konnte man schon nichts mehr falsch machen. Selbst die Bewegungsabläufe der Figuren waren gut getroffen. Auch das restliche Cast, unter anderem mit Daniel Craig, machten seinen Job sehr gut. Die hervorragenden Synchronsprecher und der herausragende Soundtrack taten ihr übriges, was die Atmosphäre anging.

Und auch bei der Geschichte wurde ich nicht enttäuscht. Es fühlte sich alles richtig an, die Rätselei, die Schatzsuche, das Verfolgtwerden vom Bösewicht und seinen Schergen. Ich ging so zufrieden aus dem Kino wie lange nicht mehr und schaute mir den Film ein paar Tage später noch einmal alleine an, einfach, um das Ganze noch einmal zu erleben. Wieder zuhause angekommen schnappte ich mir die gesammelten Werke zu Tim und Struppi, die inzwischen in unserem Bücherregal stehen, und ließ mir zum folgenden Weihnachtsfest den Soundtrack zum Film schenken.
Ich ärgere mich auch jetzt noch immer ein wenig, wenn jemand eine allzu schlechte Rezension zu diesem neuen Film abgibt, weil er mich so glücklich gemacht hat.
Denn alte Liebe rostet nicht. Schon gar nicht zu diesem großen Comichelden.

Ich weiß, das war jetzt alles ein wenig nostalgisch und fanatisch, doch es ist die Geschichte meines persönlichen Helden und vielleicht kann sie der ein oder andere ja sogar nachvollziehen. Wer waren früher eure großen Comichelden? Ich freue mich auf eure Meinung!

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