Teil 1: Visualisierte Träume unendlicher Imagination
Das Medium Film ist ein Ort der Träume. Eine Menge Bilder wird scheinbar wahllos aneinander gereiht und abgespielt. Ein mechanischer Prozess, der fast schon in den Fluten der monotonen Langeweile versinkt. Doch was ist das? Kaum werden diese Bilder in korrekter Reihenfolge abgespielt, geschieht ein Wunder. Plötzlich ist da ein Film. Und kaum läuft der Film, werden in der Seele des Zuschauers Sehnsüchte, Wünsche und Träume wach. Ein Pulsieren beginnt, dass den Zuschauer alles um ihn herum vergessen lässt. Er fühlt etwas, dass er sonst nicht fühlt. Er fühlt die Visualisierung einer traumhaften Imagination. Er sieht den Traum eines anderen Menschen. Und das hat etwas nicht Greifbares. Etwas durch und durch Magisches, dem sich der Zuschauer nicht entziehen kann. Er ist erstaunt und gleichermaßen mit Fröhlichkeit gesegnet. Dann ist alles wieder vorbei. Die Bilder laufen nicht mehr. Der Traum ist, wie eine Seifenblase, zerplatzt. Übrig bleibt nur der mechanische Prozess und die Langeweile.
Damit dieser Prozess wieder angekurbelt wird und neue Träume entstehen können, bedarf es neuer Bilder. Wo kommen nun diese Bilder her? Von einem Menschen mit besonderer kreativer Energie, einem Künstler. Und wo nimmt der nun seine Bilder her? Der einfachste Weg wäre die Kopie. Ein Künstler geht hin und kopiert das, was bereits da ist. Das ist nicht schwer und kann wirklich jeder. Man nehme beispielsweise eine Kamera und fotografiere die nähere Umgebung ab. Soweit nicht sonderlich anspruchsvoll. Reiht man die so entstandenen Bilder aneinander, entsteht ein Film. Ok, um ehrlich zu sein, entsteht so ein ziemlich banaler und langweiliger Film. Aber immerhin ist ein Film vorhanden. Nun ist nicht jeder Film interessant, und es gibt Menschen, die mehr Ahnung davon haben, wie ein interessanter Film gemacht wird, als andere Menschen. Diese Menschen heißen Regisseure. Das ist, näher betrachtet, eine äußerst pragmatische und kurze Bezeichnung für einen Menschen, der sich auf Filme spezialisiert hat. Ein Regisseur ist nämlich zu großen Teilen auch ein Träumer, ein Wahnsinniger und ein Visionär. Er sieht Dinge, die andere nicht sehen und versucht, diese Dinge anderen Menschen zu zeigen. Das Medium Film ist für sie wie der Spielplatz auf dem sie ihre neueste Sandburg präsentieren. Andere Menschen können zugucken und sich eine Meinung dazu bilden. Diese Meinungen können von absoluter Begeisterung, über Belustigung, bis hin zu Buhrufen reichen.
Es gibt aber Regisseure, die keine Lust haben, sich einer Kamera zu bedienen. Das kann viele Gründe haben. Vielleicht mögen sie keine Kameras oder vielleicht sind sie nicht zufrieden mit dem, was sie in ihrer näheren Umgebung abfotografieren könnten. Eventuell haben sie vor, Dinge zu fotografieren und als Film darzustellen, die nur sehr schwer zu realisieren wären. Der Faktor Geld ist bei der Entstehung eines Filmes ein ganz wichtiger Faktor. Aber womöglich mögen manche Regisseure das Hier und Jetzt nicht, und versuchen lieber, ihre ganz eigenen, individuellen Träume anders umzusetzen. Mit anderen Mitteln, als der Kamera. Und wenn sie sich dazu entschließen, ihre Träume lieber zu zeichnen, nennt man das Animation. Im Westen dieser Welt nennt man das gerne auch Comic oder Zeichentrickfilm. Im Osten dagegen, und gerade in Japan, nennt sich das Ganze dann Manga und Anime.
Aber warum sollte man sich so etwas überhaupt ansehen? Viele Menschen denken bei Zeichentrick sofort an Mickey Mouse oder Superman. Knallbunte Serien, geschaffen mit dem Zweck, kleine Kinder ruhig zu stellen. Solch ein Eindruck wird teilweise erweckt, wenn man sich mal die moderne Gesellschaft so ansieht. Gerade viele Erwachsene tendieren dazu, sich überhaupt nicht mit Zeichentrick abzugeben. Darunter leiden dann auch die Mangas und die Animes. Denn mal ganz ehrlich, was Interessanteres als Superman und Batman trauen viele Menschen den Asiaten wohl nicht zu. Was für traurige, festgefahrene Vorstellungen das doch sind. Und welch fataler Analogieschluss wird da gezogen, wenn man von der Qualität westlicher Comics auf die Qualität östlicher Comics schließt. Natürlich gibt es sehr viel Mist – sowohl im Westen, als auch im Osten. Aber nur von bekannten Dingen auf Unbekanntes zu schließen, ist wirklich schockierend. Und nur weil Heidi für kleine Kinder gemacht wurde und Superman total überpowert und damit langweilig ist, heißt das nicht, dass es nicht auch anders geht. Immerhin gibt es ja im Westen den Comic Watchmen. Aber darauf will ich nicht näher eingehen. Ich weiß nicht wieso, aber Comics und Zeichentrickfilme und -serien konnten bei mir nie das erreichen, was Mangas und Animes längst geschafft haben: Einen Hammerschlag auf meine Seele herbeizuführen und mich immer wieder mit Fragen der Moral, der Ethik, ja sogar mit weitaus komplexeren, philosophischen Fragestellungen zu konfrontieren. Gerade die ganzen Walt Disney-Filme finde ich zwar ganz nett, insgesamt aber sehr klischeelastig und schablonenhaft. Das ist in der Summe allenfalls kurz unterhaltsam – mehr aber nicht. Bei Animes ist mir dagegen schon des Öfteren die Kinnlade runtergeklappt. Teilweise konnte ich kaum glauben, was ich sah und war tief beeindruckt.
Ich möchte diejenigen, die mit Anime bisher so gar nichts zu tun hatten, mal ein wenig an das Thema heranführen. Natürlich kann ich verstehen, wieso manche Menschen keine Animes mögen. Ein sehr guter Grund ist beispielsweise, dass es Menschen gibt, die sich partout nicht auf Zeichnungen und Animationen einlassen können. Diese Menschen bevorzugen dann lieber Realfilme. Ich finde das zwar traurig, aber durchaus nachvollziehbar. Es gibt auch Dinge, die ich nicht mag, also so überhaupt rein gar nicht mag. Mit Musicals kann man mich beispielsweise jagen. Da habe ich bis heute nicht den Sinn dahinter verstanden. Es ist mir einfach zu kitschig, zu gestellt, zu unfreiwillig komisch, als dass ich mich auf so etwas einlassen könnte. Aber glaubt mir, Animes lohnen sich – wirklich.