Christoph Schlingensief dreht Die Piloten

07.11.2013 - 08:49 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Christoph Schlingensief - Die Piloten
Edition Salzgeber
Christoph Schlingensief - Die Piloten
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Christoph Schlingensief hat viele sehenswerte Projekte realisiert und eines davon ist seine Talkshow-Verneinung Die Piloten. Cordula Kablitz-Post hat seine Bemühungen, das Medienformat zu untergraben, auf die Leinwand gebracht und heute ins Fernsehen.

Christoph Schlingensiefs Werk als Regisseur, Aktionskünstler und Autor ist ebenso umfangreich wie beeindruckend. Egal, ob er im Herzen Wiens einen Big Brotherschen „Ausländer Raus“-Container aufstellt oder in Afrika ein Operndorf erschaffen will – seine Aktionen sind zeitnah und gesellschaftskritisch. Mehrere Filme wurden über das bereits verstorbene Enfant terrible der deutschsprachigen Kulturlandschaft gedreht. Nach Paul Poet versuchte sich auch Cordula Kablitz-Post darin, den Meister der Grenzüberschreitung bei einer seiner Aktionen zu begleiten. Entstanden ist daraus die sehenswerte Dokumentation Christoph Schlingensief – Die Piloten.

Zehn Jahre nach seinem “Talk 2000” hat Christoph Schlingensief erneut eine Idee für eine Talkshow, um allen anderen Talkshows ihre stupide Wiederholung und reißerische Ausbeute vorzuhalten. “Die Piloten – Eine Talkshow in sechs Folgen, die nie ausgestrahlt wird” nennt er sein Projekt treffend und lädt die verschiedensten Künstler, Berufstratscher und Politiker in die Sendung ein, darunter Jürgen Fliege, Rolf Hochhutz, Oskar Roehler, Claudia Roth, Lea Rosh und Paul ‘Sido’ Würdig. Diese „echten“ Promis vermischen sich mit fiktiven und gespielten Berühmtheiten, die allen Anwesenden ebenso ihre Geschichten aufdrücken wollen, wie jene, die dieses Medien-Format ernst nehmen. Misstrauisch beäugen wir als Zuseher nach einer Weile auch die Erzählungen des Moderators Schlingensief selbst, der von einer Augenkrankheit berichtet, an der er leidet (oder etwa nicht?). Wann führt er wen aufs Glatteis? Schlingensiefs Piloten stellen mit dieser Ungewissheit nicht nur unser Medienformat-trainiertes Auge auf die Probe, ebenso testet er stets aufs Neue die Grenzen der Zuseher, Beteiligten und nicht zuletzt seine eignen aus.

Einen großen Teil des Films machen ironischerweise Schlingensiefs private Probleme aus, da zur Zeit der Piloten-Aktion sein Vater im Sterben lag. Weinend wendet er sich von der Kamera ab und verlässt den Raum, schneidet diese Szenen später aber wieder in die Sendung hinein und versucht sich den gängigen Stilmitteln dieser TV-Formate anzupassen. Ebenso hart mag es Außenstehenden erscheinen, als er beim Auftritt von Claudia Roth alle Register zieht und ihren Schmerz auf Kamera bannen will. Am selben Tag ihres Auftritts kam ein guter Freund von der Politikerin ums Leben und sie bricht vor der Kamera in Tränen aus. Schlingensief fragt sie daraufhin, ob sie das bitte wiederholen könnte, um auch alles gut auf Kamera bannen zu können. Sie wiederholt es sechs Mal.

Was? Christoph Schlingensief – Die Piloten
Wann? 20.15 Uhr
Wo? ZDFkultur

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