Das müsst ihr über den drohenden Streik der Drehbuchautoren wissen

26.04.2017 - 11:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Streik im Peak-TV: The Walking Dead, The Big Bang Theory und Game of Thrones
AMC, CBS, HBO
Streik im Peak-TV: The Walking Dead, The Big Bang Theory und Game of Thrones
5
26
Droht ein Autorenstreik in Hollywood? Wir erklären euch den Stand der Verhandlungen und die möglichen Auswirkungen, sollten diese ohne Ergebnis verlaufen.

Könnt ihr euch Breaking Bad ohne Jesse Pinkman vorstellen? Der Serienlegende nach sollte er in der 9. Episode der 1. Staffel sterben. Dazu kam es nicht. Der Streik der Drehbuchautoren verkürzte die Episodenzahl auf 7 und in Staffel 2 begnadigte Vince Gilligan die Figur von Aaron Paul. Der Rest ist Seriengeschichte. Weit über diese kleine Serie hinaus hatte der Streik 2007/2008 verkürzte Staffeln, frühzeitig abgesetzte Serien und Blockbuster ohne Drehbuch zur Folge. Zehn Jahre nach dem letzten Streik könnten die Drehbuchautoren wieder zu diesem Mittel gezwungen werden, um ihre Forderungen durchzusetzen: Gehaltserhöhungen, Sicherstellung der Krankenversicherung und mehr. Schon in einer Woche könnte es so weit sein. Wenn die Autoren und Studios sich bis zum 1. Mai nicht auf neue Tarife einigen, steht als letztes Mittel der Autoren ein Streik ins Haus, der Monate dauern und das Seriengeschäft nachhaltig beeinflussen könnte.

Wie wahrscheinlich ist ein Streik?

96 Prozent der stimmberechtigten Mitglieder haben die Writers Guild of America (WGA) in einer Abstimmung dazu befähigt, in den Streik zu treten. Allerdings bedeutet die Autorisierung zum Streik noch nicht, dass es zu einem Streik kommt. Die Wahl ist zunächst einmal ein Druckmittel für Gewerkschaft. Vorangegangen sind drei Wochen Verhandlungen mit der Alliance of Motion Picture and Television Producers über einen neuen Rahmenvertrag zwischen Autoren und Produktionsfirmen. Bei der New York Times  sprechen Insider von einer ziemlich nichtssagenden 51-prozentigen Chance eines Streiks. Schon eine Nachricht - Gehaltserhöhungen an der falschen Stelle zum Beispiel - könnte die Stimmung kippen.

Es gilt jedoch, dass ein Streik für beide Seiten negative Folgen haben wird. Verluste von Einnahmen der Autoren, Arbeitsplätzen, gekürzte Staffeln usw. müssten in Kauf genommen werden. Laut Variety  führte der letzte Streik 2007 zum Verlust von rund 287 Millionen Dollar an Entlohnung für die Autoren. Umso wichtiger müssen also die Forderungen sein.

Alle dafür? The Big Bang Theory

Was fordern die Autoren?

Im Zentrum der Verhandlungen steht die Frage der Krankenversicherung für die Autoren. Konkret geht es um steigende Zuschüsse der Arbeitgeber für den Versicherungsplan der WGA, der momentan unter einem Defizit operiert. Laut Hollywood Reporter  belief sich das Minus 2015 auf ganze 24,9 Millionen Dollar. Verhandelt wird darüber, wie viel die Studios in den nächsten Jahren leisten, um das Defizit abzubauen und ob die WGA dafür Änderungen am Plan hinnimmt. Die Studios drängen auf Kürzungen der Leistungen oder höhere Gehaltsgrenzen, um für die Krankenversicherung überhaupt in Frage zu kommen. Die WGA ist gegen diese Änderungen, die zu Lasten der Autoren gehen, und drängt auf höhere Studio-Finanzierung.

Darüber hinaus geht es um eine gleichwertige Bezahlung für Kabel- und Streaming-Serien im Vergleich zu jenen der großen Networks wie NBC oder CBS. Wie die New York Times hervorhebt, sei in Sachen Gehaltserhöhungen der Autoren ein Vertrag mit der Directors Guild (DGA) vorbildhaft, eine Einigung also denkbar. Das Zünglein an der Waage bleiben aber Themen wie die Krankenversicherung, Renten und der Elternurlaub.

Was ist der Hintergrund?

Seit dem letzten Streik der Autoren hat sich die mediale Landschaft fundamental gewandelt. 455 geskriptete Serien werden mittlerweile im Jahr produziert. Serien mit kürzeren Staffeln sind beliebter geworden und zu den Anbietern sind Streamingdienste hinzugekommen. Das bedeutet aber nicht ohne Weiteres einen Überfluss an Arbeit für die Autoren. Die Zahl der geskripteten Serien wuchs in den letzten Jahren stärker als die der Episoden. Autoren werden allerdings pro Episode bezahlt.

Zwischen 2010 und 2015 sank das durchschnittliche Einkommen der Drehbuchautoren um 21 Prozent.

Exklusive Verträge binden Autoren an Serien, die vielleicht nur 13 Folgen im Jahr produzieren, statt früher 20 bis 24 im selben Zeitraum. Pro Serie verdienen die Autoren damit weniger. Gleichzeitig verliert die Syndizierung, das heißt die Wiederholung von Episoden, durch das Streaming-Angebot an Wert. Damit schwinden auch die Einnahmen der Autoren an dieser Auswertungsform. Zwischen 2010 und 2015 sank das durchschnittliche Einkommen der Drehbuchautoren um 21 Prozent (THR ). Die Zahl der Autoren im TV-Geschäft hat sich in dieser Zeit verdoppelt.

Ein Quantum Trost

Wie sieht die Situation der Studios aus?

Die zukünftigen Einnahmeströme für Film- und TV-Produzenten sind unsicher. Im Fernsehbereich sinkt die Zahl der Abonnenten von Kabelsendern jährlich. Immer mehr Zuschauer in der werberelevanten (jungen) Zielgruppe werden zu Cord-Cutters und kündigen ihre Kabelverträge, die Sender wie AMC oder FX mit finanzieren. Außerdem wächst gerade eine ganze Generation heran, deren Konsumverhalten durch Streaming-Dienste, nicht Fernsehsender, definiert wird. Werbeeinnahmen im Fernsehen sinken, ebenso die Verkäufe von DVDs und Syndizierungslizenzen. Das Modell der Serien-Auswertung im Internet befindet sich allerdings noch in der Entwicklung.

Die Filmstudios, um die es hier ebenfalls geht, befinden sich mitten in einer Umbruchphase. Die Zahl der Kinozuschauer geht zurück, die Profite aus dem Heimkinomarkt sinken. Der 3D-Hype flaut nach und nach ab.

Welche Folgen hatte der Streik 2007/2008 für die Zuschauer?

Der letzte Streik der Autoren dauerte 100 Tage, von November 2007 bis Februar 2008. Staffeln von Serien wie Breaking Bad, The Big Bang Theory, Heroes, Lost und Prison Break wurden gekürzt. Bei manchen Serien wie Heroes, Pushing Daisies oder My Name Is Earl wurde der Streik langfristig für die abnehmende Qualität oder eine frühe Absetzung verantwortlich gemacht. Bionic Woman und 4400 - Die Rückkehrer wurden während des Streiks abgesetzt.

Das Drehbuch von X-Men Origins: Wolverine wurde mit Hinblick auf den kommenden Streik fertig "gezwungen", was dem Endprodukt anzumerken ist. Hunderte Millionen Dollar teure Filme wurden, um die Verträge und Starts einzuhalten, in die Produktion gedrängt - ohne Drehbuch. Berüchtigte Beispiele sind Transformers - Die Rache und James Bond 007 - Ein Quantum Trost. Regisseur Mark Forster und Darsteller Daniel Craig mussten dem Vernehmen nach am Set die Dialoge schreiben, um das Bond-Abenteuer wie geplant ins Kino zu bringen.

Lost

Was passiert, wenn die Einigung scheitert: Die Folgen eines Autorenstreiks

Ein Streik hätte Auswirkungen auf das komplette Fernseh- und Streaming-Geschäft. Als erstes würde die Produktion der tagesaktuellen Late-Night-Shows stoppen, wie Last Week Tonight with John Oliver, Saturday Night Live und The Tonight Show Starring Jimmy Fallon.

Bei geskripteten Serien kommt es auf den Starttermin an. Die 7. Staffel von Game of Thrones wäre durch den Streik wohl kaum betroffen. Ähnlich verhält es sich mit anderen Serien, die im Sommer starten, bereits gedreht werden und deren Drehbücher deswegen schon fertig sind.

Sobald einer Serie jedoch die Drehbücher ausgehen, geht sie in die Drehpause. Von der Dauer des Streiks hängen denn auch die Auswirkungen auf die Herbst-Winter-Saison 2017 ab, in der es einen regelrechten Schwall an Serienstarts gibt, darunter The Big Bang Theory, The Walking Dead, The Flash, Gotham und so weiter. Sollte der Streik im Mai beginnen, dann würde er mit den Upfronts zusammenfallen, bei denen die Sender den Werbetreibenden ihr Programm für die Herbstsaison vorstellen. Für die Sender könnte das Timing eines drohenden Streiks kaum ungünstiger sein.

Der letzte Streik fand mitten in der Herbst-Winter-Saison statt, weshalb so viele Serien gekürzt wurden. Das US-Fernsehprogramm wurde als Folge mit Wiederholungen und verlängerten Reality-TV-Sendungen gefüllt. Dieses Mal wird spekuliert, dass ein Streik das Sehverhalten noch weiter in Richtung Streaming drängen könnte. Die Zahl der gekündigten Kabel-Abonnements dürfte angesichts des dürftigen Programms steigen. Währenddessen könnten Streaming-Abos für Hulu, Netflix oder Amazon dank ihres Katalogs von Serien attraktiver erscheinen.

Im Kino sind die Folgen schwerer abzusehen, da die Produktionszyklen von Filmen länger dauern. Da der Streik dieses Mal mit weit weniger Vorlaufzeit starten könnte, als es 2007 der Fall gewesen war, sind verschobene Starttermine und ähnliches nicht auszuschließen.

Was passiert als nächstes?

Am 1. Mai läuft der aktuelle Vertrag zwischen Autoren und Produzenten aus. Am wahrscheinlichsten ist es, dass ein Streik bereits am 2. Mai beginnen würde, sollte kein Kompromiss gefunden werden. Zwischen Streik-Autorisierung und Vertragsende haben die beiden Parteien also eine Woche Zeit, um sich zu einigen.

Hoffen wir also auf das Beste. Nicht zuletzt für die Autoren, deren Kreativität wir unsere Lieblingsserien verdanken. Ohne sie ist der gegenwärtige Serienboom mitsamt seiner qualitativen Dichte undenkbar.

[Dramatisierung]


Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News

Themen: