David Cronenberg & die Kraft der Gewalt

15.03.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
David Cronenberg hat seinen ganz eigenen Ansatz bei Gewaltdarstellungen.
Tobis
David Cronenberg hat seinen ganz eigenen Ansatz bei Gewaltdarstellungen.
David Cronenberg, der heute 70 Jahre alt wird, hat in seiner Karriere immer wieder Anlass zu Kritik bei der Darstellung von Gewalt im weiten Spektrum seiner Filmen gegeben. Hier befassen wir uns nun mit der Gewalt in seinen jüngeren Werken.

David Cronenberg hat eine besondere Beziehung zu Gewalt in seinen Filmen. Er vermeidet es grundsätzlich, sie hochstilisiert darzustellen, sondern hebt vor allem das grundlegend Körperliche hervor, das einen (schmerzhaften) Effekt auf den menschlichen Körper und die Psyche hat. Dabei war Cronenberg noch nie zimperlich mit seinem Publikum. Fast immer sind Gewalt und Bodyhorror essentielle Teile seiner Filme. Dies führte auch zu einer seltsamen Wahrnehmung seiner Person durch Kritiker oder Kollegen. So hatte Regisseur Martin Scorsese jahrelang ein wenig Angst vor Cronenberg, da er der Meinung war, man müsse ein absoluter Freak sein, um solche Art Filme zu drehen. In seinen jüngeren Werken A History of Violence (2005) und Tödliche Versprechen – Eastern Promises (2007) rückt der Kanadier allerdings vom Bodyhorror ab und richtet seinen Fokus auf das Thema Gewalt in einem realen Umfeld. Deshalb werfe ich in diesem Artikel einen genaueren Blick auf diese beiden Filme und die Darstellung von Gewalt darin.

Vorweg möchte ich David Cronenbergs Gründe für die so plastische Darstellung von Gewalt erwähnen. In einem Interview mit der Washington Post äußerte er sich dazu. Er empfinde die Gewalt in actionorientierten Filmen als “impressionistisch, das Körperliche fehlt fast vollständig. Es ist einfach, den Blick dafür zu verlieren, dass wir über die Zerstörung eines menschlichen Körpers und eines einzigartigen Menschen reden, dessen Erfahrungen nie wieder reproduziert werden können. Ich will, dass das Publikum das genauso ernst nimmt wie ich. Es ist nicht nur etwas Ästhetisches… es ist eine Tragödie, auf einer gewissen Ebene, die sie fühlen sollten. Und ich denke, die einzige Art, wie sie das fühlen können, ist auf emotionale und körperliche Weise.”

Die zerstörerische Kraft der Gewalt
In A History of Violence zeigt Cronenberg, welche physischen und emotionalen Auswirkungen Gewalt auf das Leben einer Familie und sogar eine Stadt haben kann. Durch den Überfall seines Diners wird der friedliebende Tom gezwungen, sich zu verteidigen und die Täter zu erschießen. Anschließend wird er von den Medien als Held gefeiert und die gesamte Kleinstadt, in der er lebt, feiert ihn. Diese ungewollte Aufmerksamkeit bringt allerdings einen Teil der Mafia in Philadelphia auf den Plan, die Tom für den abtrünnigen Profikiller Joey halten. Durch Provokation, Drohungen und tatsächliche Gewalt werden er und seine Familie in die Enge getrieben. Die vermeintliche Sicherheit des eigenen Zuhauses und das Vertrauen zum eigenen Partner und Vater wird erschüttert.

Beim Sohn (Ashton Holmes) äußert sich das in einem erhöhten Aggessionspotenzial und einer blutigen Schlägerei in der Schule, die für den sonst ausgeglichenen Teenager ungewöhnlich ist. Bei den den Eltern (Viggo Mortensen und Maria Bello) bedient sich Cronenberg eines intimeren Blicks. Bevor die Gewalt über die Familie hereinbricht, schlafen die beiden liebevoll miteinander, sie verkleidet sich vorher als Cheerleader, um ein bisschen Abwechslung in die intime Beziehung zu bringen. Nachdem klar ist, dass Tom tatsächlich Joey ist, geraten die beiden in eine erhitzte Auseinandersetzung, die in schnellem Sex auf der Treppe endet. Mit diesem Akt akzeptiert die Ehefrau den Umstand, dass er ein eiskalter Killer ist und gleichzeitig zeigt Cronenberg hier auch die Verbindung von Sex und Gewalt auf. Gewissermaßen ist eine Facette von Gewalt auch die Faszination am Bösen.

Die History of Violence findet ihren Gipfel am Ende des Films. Joey zieht aus, um der ungebremsten Brutalität entgegenzuwirken und sich seiner Vergangenheit zu stellen. Dabei sehen wir keine emotional distanzierte Schießerei mit seinem Bruder, sondern einen blutigen Kampf um Leben und Tod, der sich nur in Sekundenbruchteilen zum Vor- und Nachteil wendet. Die böse Seite vom Familienvater Tom, die vorher nur in kurzen Momenten sichtbar wurde, entfaltet sich letztlich völlig. Und hinterlässt ihre Spuren. Er ist nicht nur durch tiefen Wunden, sondern auch durch Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit vom Kampf gezeichnet.

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