Was machen wir denn jetzt mit den ganzen Promi-Nacktbildern? Glotzen und sich dabei toll fühlen, wie es die vom jüngsten Online-Leak privater Aufnahmen betroffene Mary Elizabeth Winstead so sarkastisch zutreffend twitterte ? Oder gar nicht erst suchen, geschweige denn anklicken, was einige offenbar ziemlich gewiefte Hacker da aus den Handys und Rechnern von insgesamt wohl über 100 prominenten Schauspielerinnen, Models und Sängerinnen gefischt haben sollen? Anstand und Vernunft gebieten selbstredend letzteres, wenn auch der skandalöse Vorgang damit nicht ungeschehen zu machen ist. Vielleicht gehen wir am besten ins Kino und schauen uns an, was Hollywood selbst aus so einer Geschichte herausholt. Mit Sex Tape läuft dort immerhin ein Film, der die drohende Internetverbreitung privater Erotikaufnahmen auch noch zum Thema einer Komödie erklärt. Wenn das kein Timing ist? In der Hauptrolle zudem: Cameron Diaz, die 2004 ihrerseits Opfer eines solchen Hackerangriffs wurde, als dubioses Material im Internet kursierte, das die seinerzeit junge Schauspielerin in sadomasochistischen Posen zeigte.
Damit wären wir dann auch schon mittendrin im Wirrwarr recht- und unrechtmäßiger Bilder entblößter Promikörper, über das die sogenannte Celebrity Culture einmal mehr grundsätzlich in Frage gestellt werden muss. Es sei zynische Heuchlerei, heißt es da von einigen Seiten , über den Nacktbilderskandal im Betroffenheitsgestus zu berichten. Jedes Boulevardmedium speise sich aus Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte prominenter Menschen, nahezu alles, was es aus der Welt der Stars und Sternchen zu berichten gibt, unterscheide sich bestenfalls in der Methodik der Informationsbeschaffung, ziele aber auf ähnliche Resultate ab. Und klar: Im Kampf um das begehrteste Paparazzi-Bild, die beste Hochzeits- oder Urlaubsaufnahme, das exklusivste Privatdetail ist entsprechenden Medien in der Regel kein Mittel zu schade. Da wird gestalkt, genötigt, gestohlen – und man kann vielleicht sagen: Die Auflagen- und Klickzahlen dieser Medien sind von der (eben auch körperlichen) Intimität ihrer Protagonisten dergestalt abhängig, dass ein umfangreicher Leak illegal beschaffter Nacktaufnahmen allenfalls die Spitze des Eisberges bildet. Oder gar als folgerichtiger Auswuchs erscheint.
Gleichwohl sich die meisten Prominenten mit den Bedingungen des Systems arrangiert haben, oder arrangieren mussten, wäre es jedoch fatal, die (drohende) Veröffentlichung der nun in falschen Händen befindlichen Bilder herunterzuspielen. Oder sie, wie es vor allem seitens der Nutzer und Kommentatoren getan wird, gegen die betroffenen Stars selbst zu wenden. Dass das alltägliche Boulevardspiel für gewöhnlich beiden Parteien eine Win-Win-Situation ermöglicht, Medien also ebenso wie Medienstars von den Gesetzesmäßigkeiten der Celebrity Culture profitieren, hat etwas mit bestimmten Abmachungen zu tun. Bis zu einem gewissen Punkt, glaube ich, sind prominente Menschen sogar bereit, etwaige Regelbrüche zu dulden, wenn es den vereinbarten Rahmen aus Berühmtwerden, Berühmtsein und Berühmtbleiben bestätigt. Ein privater Hackerangriff ist da natürlich etwas, das sich jenseits aller Grenzen abspielt. Und dennoch lässt es sich wunderbar darüber berichten, über die technischen Details spekulieren (Apple-Sicherheitsloch) oder Veröffentlichungsplattformen (4chan, Reddit) ins Visier nehmen. Einige Medien, und da haben wir eben den Salat, publizierten zunächst sogar das entsprechende Material.
Was wir nun mit den Nacktbildern von Jennifer Lawrence und Co. gewiss nicht machen sollten, ist die Öffentlichkeit dieser Bilder über perfide Argumentationsstrategien zu entschuldigen. Keine einzige der prominenten Frauen hat gewollt, dass jemand ihre Daten ausspioniert, und erst recht trägt keine einzige von ihnen eine Schuld daran. Es steht jedem Hollywoodstar zu, private Nacktbilder und Sex Tapes anzufertigen, genauso wie es jedem Hollywoodstar zusteht, dass diese Bilder und Videos Privatsache bleiben. Nach Logik zahlreicher twitter-User und Kommentatoren (und Bild-Leser natürlich ohnehin) seien aber nicht die illegalen Hacker oder belehrungsresistenten Verbreitungsorgane zur Rechenschaft zu ziehen, sondern vorrangig die Prominenten selbst. Viel zu sehr zeigt sich im Umgang mit dem Skandal nämlich leider einmal mehr die hässliche Fratze des Sexismus, die die Betroffenen nicht nur vorwurfsvoll darüber belehrt, überhaupt fahrlässig oder leichtsinnig für solche Aufnahmen posiert zu haben, sondern auch meint, diese Aufnahmen noch (abschätzig) bewerten zu müssen.
Schuld eigene, so urteilt ein nicht geringer Teil der Netzgemeinde also über verletzte Persönlichkeitsrechte von Frauen, die ihre Sexualität ausleben. Solche gedankenlosen Kommentarpamphlete, wie sie sich unter jedem Artikel zu dem Thema finden lassen, bieten der rape culture dabei abermals einen perfiden Nährboden: Wer es darauf anlege, so die fürchterliche Botschaft, brauche sich über Missbrauch nicht zu wundern. Und so werden auch die Schauspielerinnen, Models und Sängerinnen, die sich als Opfer der Eingriffe in ihre Privatsphäre nun mit einer ausnahmsweise ungewollten Form von Öffentlichkeit auseinandersetzen müssen, zusätzlich entwürdigt. Hinter jeder gedemütigten Frau, schreibt Erin Gloria Ryan über die Weigerungen der Leak-Plattformen, entsprechendes Material zu entfernen und die Täter ausfindig zu machen, lauere mindestens ein Mann, der auf freie Meinungsäußerung poche. Selbst wenn diese Meinung frauenfeindlich und dumm ist. Oder sogar strafrechtliche Relevanz besitzt.