Der Polizeiruf als ländliches Rachedrama

29.04.2012 - 22:29 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Polizeiruf 110 - Schuld
BR
Polizeiruf 110 - Schuld
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In seinem dritten Fall verschlägt es Hanns von Meuffels ins bayerische Hinterland. Dort muss er einen Mörder vor der Rache eines ganzen Dorfes bewahren. Doch war der Verdächtige überhaupt der Täter?

Einmal mehr glänzt ein Fall von Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) mit hochkarätigen Hintermännern. Wie schon in Polizeiruf 110: Denn sie wissen nicht, was sie tun führte Hans Steinbichler (Winterreise) Regie beim neuen Münchner Krimi Polizeiruf 110: Schuld. Eigentlich will ‘der Baron’ nur auf den Hund seines Vaters aufpassen, doch Kollegin Anna zieht ihn hinein in eine ländliche Blutfehde, die von Meuffels nicht nur Nerven kosten wird. Hochspannend und oftmals totenstill verhandelt der dritte Polizeiruf von Hanns von Meuffels Fragen, die fast so alt sind wie die Menschheit.

Lokalkolorit: Einer Reise in die Nacht gleicht Polizeiruf 110: Schuld, der mit einem von einem Lichtkegel umgebenen Auto beginnt, das durch die Schwärze des bayrischen Waldes irrt. Anders als im thematisch ähnlich angesiedelten Tatort: Der Teufel vom Berg (2005) gibt dieser Polizeiruf ansonsten nie die idyllische Landschaft zugunsten der Dramaturgie auf. Die Sonne scheint unbeirrt weiter auf dieses abgeschiedene Dorf, in dem über Vergewaltigung und Mord geschwiegen wird, um eine notdürftig zusammengeschusterte Fassade der Harmonie aufrecht zu erhalten. Undurchdringbar bleibt dieser Ort für Außenseiter und Ausgestoßene nichtsdestotrotz.

Plot: Anna Burnhauser (Anna Maria Sturm) will nur das Beste für ihre Schwester. Die im Dorf zurückgebliebene Kati (Barbara Bauer) erwartet endlich Glück in ihrem Leben, ist schwanger und will Xaver (Daniel Christensen) heiraten. Vor zwölf Jahren war der des Mordes an einem Nachbarn freigesprochen worden, doch Anna hat neue Beweise und platzt in die Verlobungsfeier. Von Meuffels und Frau Klein (der Hund seines Vaters) reisen wutentbrannt hinterher. Doch der Schaden ist getan. Der Ruf dahin, eine Blutfehde droht. Was folgt, ist eine Irrfahrt von Meuffels durch die unverständliche Fremde, die schließlich in die Belagerung durch den Mob führt. Aus den Fackeln der Meute sind die Scheinwerfer der Traktoren geworden.

Unterhaltung: Was beginnt wie ein todernster Krimi mit Running Gag (von Meuffels Suche nach dem Hund und seine verlorenen Ausrufe ‘Frau Klein!’), wandelt sich zu einem leisen Rachedrama voller Spannung, bei dem alles auf dem Spiel steht. Es sind ja schon viele Menschen in Polizeiruf und Tatort gestorben, aber selten habe ich eine traurigere Szene gesehen, als jene, in der Hanns von Meuffels den toten Hund von der Türschwelle ins Haus Xavers trägt. Das fatale an Polizeiruf 110: Schuld ist die Ereigniskette, die die eigentlich alles nur gut meinende Anna mit ihrer Bloßstellung des Mörders in Gang setzt. Von einem zerstörten Traum (Kati) zur ruinierten falschen Harmonie im Dorf bis hin zum Vater von Meuffels, dem dessen Sohn in den letzten Sekunden das Dahinscheiden seines Hundes erklären muss.

Tiefgang: Schuld ist ein komplexes Gebilde, dem Anna Burnhauser zu Beginn eine einfache Abhilfe verschaffen will. Sie kennt den Mörder und posaunt es raus in die Welt, ohne Gedanke für die Gründe der Tat (die Vergewaltigung von dessen Schwester) und den möglichen Folgen. So füttert die Polizistin, die es im Gegensatz zu ihrer Schwester aus dem Kaff herausgeschafft hat, die eigentlich Vertreterin des Gesetzes sein sollte, den Kreislauf der Selbstjustiz mit neuer Energie. Xaver erschlug vor 12 Jahren den Vergewaltiger seiner Schwester. Beide schwiegen darüber und nun kommt der Bumerang in voller Stärke zurück. Von Meuffels, der stets als von draußen hereinblickender Fremder in Türrahmen oder am Bildrand eingefangen wird, gerät in die Schusslinie in diesem Krimi, der mit verwirrenden Szenen- und Zeitwechseln beginnt und in höchster Konzentration sein logisches Ende findet.

Mord des Sonntags: Da liegt die stolze Hündin Frau Klein im Teppich vor der Tür.

Zitat des Sonntags: “Ein Gericht kann einem Gerücht nichts anhaben. Das bleibt ewig.”

Mir war der neue Polizeiruf zunächst etwas zäh, dann aber absolut einnehmend. Wie hat er euch gefallen?

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