Wir leben im goldenen Zeitalter des Fernsehens. Nicht zum ersten Mal, zugegeben, aber selten war es so übervoll an Gold, so reich an Schätzen, so voll an Serien, die wir unbedingt gucken müssen, so dass wir regelrecht Probleme bekommen, sie alle in unser Leben zu lassen. Die Fernseh- und Streaming-Welt ist voll von teuren Produktionen, von Drachen und Schlachten, von Stars und Regisseuren, die uns eine Generation zuvor zunächst einmal an den Kinosessel gefesselt hätten.
Begonnen hat dieses Zeitalter aber nicht mit millionenschweren Effekten, die dem Kino Konkurrenz machen, sondern mit Mafiosi und Werbefachmännern, mit unschönen Helden, die das Drama im TV auf eine ganz neue Ebene hoben - und schließlich in einem unscheinbaren Chemielehrer ihren König fanden. Der ist jedoch, egal wie beliebt er ist, egal wie sehr seine Figur gefeiert, verehrt und auch vermisst wird, mindestens ebenso unschön, wenn nicht gar der größte Antiheld von allen. So sehr anti, dass Breaking Bad einfach nicht wirklich und ausschließlich geliebt, sondern wie von Anne., vielleicht nur auf fast schmerzliche Art gehassliebt werden kann.
Der Kommentar der Woche von Anne. zu Breaking Bad
Breaking Bad. Ein Name der Programm ist.
Breaking Bad würde man wohl am treffendsten mit "Vom rechten Weg abkommen" oder "Auf die schiefe Bahn geraten" übersetzen.
Walter White ist vom rechten Weg abgekommen. Er ist auf die schiefe Bahn geraten.
Er, ein überqualifizierter Chemielehrer, der an Krebs erkrankt, sucht
angesichts seines vermeintlich bevorstehenden Ablebens nach Wegen,
seine Familie finanziell abzusichern.
Der hochbegabte Chemiker beginnt Methamphetamin - Crystal Meth - zu
kochen. Crystal Meth das "reiner" ist als jegliches andere Produkt auf
dem Markt. Blaues Meth, das seine "Kunden" als auch seine Konkurrenten
mehr als alles begehren.
Zunächst "kocht" er aus einer Not heraus. Aus dem Bedürfnis seinen
Sohn, seine Frau und seine ungeborene Tochter zu versorgen, und es ihnen
nach seinem Tod an nichts fehlen zu lassen.
Im Laufe der Serie verstrickt er sich jedoch immer mehr in die
kriminelle Szene und beginnt schnell, Gefallen daran zu finden. Der
vorher übervorteilte, unterforderte Chemielehrer, der zusehen muss, wie
seine weniger begabten Freunde Karriere und Geld machen, während er
selbst, neben seinem Job als Lehrer, in einer Autowaschanlage arbeiten und
sich demütigen lassen muss, um seine Familie einigermaßen über Wasser
halten zu können, liebt es, der Rücksichtslose zu sein. Er liebt es,
derjenige zu sein, vor dem die Menschen sich fürchten
I am not in danger, Skyler. I am the danger. A guy opens his door and gets shot and you think that of me? No. I am the one who knocks!
Walter White liebt es, Heisenberg zu sein.
Aus dem Bedürfnis heraus, seine Familie zu versorgen, wird ein
maßloses, rasendes Verlangen nach der Befriedigung seines persönlichen
Egos. So sehr, dass er es kaum ertragen kann, dass die Menschen in
seinem privaten Umfeld ihn noch als den wahrnehmen, der er vor Beginn
seines Doppellebens war.
Obwohl er mehrmals die Chance hat, aus dem dreckigen Geschäft um das
blaue Gift auszusteigen, weil er längst genug Geld verdient hat, tut er
es nicht. Er bleibt. Er bleibt Heisenberg.
Walter White ist böse. Er ist nicht nur auf die schiefe Bahn geraten - er ist die schiefe Bahn.
Keinen anderen Seriencharakter verachte ich so wie Walter White.
Es fällt schwer, in der Serie überhaupt einen Charakter zu finden,
den man sympathisch findet. Jesse Pinkman ist zweifelsohne ein
Sympathieträger - aber wenn man sein Herz zu sehr an ihn hängt, muss man
sich auf sehr viel Mitleiden gefasst machen.
Der einzige Charakter den ich wirklich mochte ist der kurzzeitige
Partner Walters - Gale Boetticher. Und wer die Serie gesehen hat, wird
verstehen können, warum ich so unglaublich frustriert bin.
Breaking Bad ist - technisch gesehen - eine großartige Serie. Eigentlich stimmt alles.
Allerdings lässt einen jede Folge in einer grauenhaften Stimmung
zurück. Man liebt keinen Charakter - man verachtet die meisten. Eine
richtige Fesselung oder das Bedürfnis, sofort die nächste Folge zu
schauen, konnte sich deshalb bei mir nicht einstellen - und das obwohl
die Serie eigentlich so ein Potenzial hat und mir theoretisch so sehr
imponiert.
Ich hatte - jedenfalls in den ersten Staffeln - auch ein großes
Problem mit der Darstellung von Crystal Meth. Mir war das alles eine
Spur zu positiv. Und obwohl ich keiner Serie den Auftrag geben möchte,
mit dem moralischen Zeigefinger die Menschen zu belehren, kommt dennoch
jedes Mal bei dem Titel Breaking Bad ein fader Beigeschmack auf: Der
Beigeschmack, den die Zahlen zur Steigerung des Crystal Meth-Konsums
seit der Ausstrahlung der Serie hinterlassen. Und wenn man dann liest,
dass das ohnehin schon giftige Meth in Mexiko noch mit zusätzlichen
Giften gestreckt wurde, um es blau zu machen, woran noch mehr Menschen
sterben, ist das schon irgendwie ein Effekt der Populärkultur und
speziell dieser Serie, der mich etwas beängstigt.
Aber wie gesagt - das nur nebenbei. Und natürlich will ich der Serie da keinesfalls eine Alleinverantwortung zuschieben.
7,5 Punkte hat die Serie verdient... vielleicht sogar mehr.
Keine andere Serie hat mich bisher bei gleichzeitigem Beeindrucken dazu gebracht, sie so sehr zu hassen.
Menschen, denen ich die Serie mit wutverzerrtem Gesicht einigermaßen
begeistert weiterempfehle dürften recht perplex sein - die Serie
polarisiert. Und zwar nicht nur die Massen sondern sogar nur einen
Menschen.
Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier.