Der verachtenswerte Mr. White

26.01.2019 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
I am the one who knocks
AMC/moviepilot
I am the one who knocks
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Große Serien kommen und gehen, aber nur wenige werden so universell gefeiert und geliebt wie Breaking Bad. Aber warum eigentlich, wenn die gesamte Story fast ausnahmslos von Unsympathen und Figuren, die uns (mit-)leiden lassen, bevölkert wird?

Wir leben im goldenen Zeitalter des Fernsehens. Nicht zum ersten Mal, zugegeben, aber selten war es so übervoll an Gold, so reich an Schätzen, so voll an Serien, die wir unbedingt gucken müssen, so dass wir regelrecht Probleme bekommen, sie alle in unser Leben zu lassen. Die Fernseh- und Streaming-Welt ist voll von teuren Produktionen, von Drachen und Schlachten, von Stars und Regisseuren, die uns eine Generation zuvor zunächst einmal an den Kinosessel gefesselt hätten.

Begonnen hat dieses Zeitalter aber nicht mit millionenschweren Effekten, die dem Kino Konkurrenz machen, sondern mit Mafiosi und Werbefachmännern, mit unschönen Helden, die das Drama im TV auf eine ganz neue Ebene hoben - und schließlich in einem unscheinbaren Chemielehrer ihren König fanden. Der ist jedoch, egal wie beliebt er ist, egal wie sehr seine Figur gefeiert, verehrt und auch vermisst wird, mindestens ebenso unschön, wenn nicht gar der größte Antiheld von allen. So sehr anti, dass Breaking Bad einfach nicht wirklich und ausschließlich geliebt, sondern wie von Anne., vielleicht nur auf fast schmerzliche Art gehassliebt werden kann.

Der Kommentar der Woche von Anne. zu Breaking Bad

Breaking Bad. Ein Name der Programm ist.
Breaking Bad würde man wohl am treffendsten mit "Vom rechten Weg abkommen" oder "Auf die schiefe Bahn geraten" übersetzen.
Walter White ist vom rechten Weg abgekommen. Er ist auf die schiefe Bahn geraten.
Er, ein überqualifizierter Chemielehrer, der an Krebs erkrankt, sucht angesichts seines vermeintlich bevorstehenden Ablebens nach Wegen, seine Familie finanziell abzusichern.
Der hochbegabte Chemiker beginnt Methamphetamin - Crystal Meth - zu kochen. Crystal Meth das "reiner" ist als jegliches andere Produkt auf dem Markt. Blaues Meth, das seine "Kunden" als auch seine Konkurrenten mehr als alles begehren.

Zunächst "kocht" er aus einer Not heraus. Aus dem Bedürfnis seinen Sohn, seine Frau und seine ungeborene Tochter zu versorgen, und es ihnen nach seinem Tod an nichts fehlen zu lassen.
Im Laufe der Serie verstrickt er sich jedoch immer mehr in die kriminelle Szene und beginnt schnell, Gefallen daran zu finden. Der vorher übervorteilte, unterforderte Chemielehrer, der zusehen muss, wie seine weniger begabten Freunde Karriere und Geld machen, während er selbst, neben seinem Job als Lehrer, in einer Autowaschanlage arbeiten und sich demütigen lassen muss, um seine Familie einigermaßen über Wasser halten zu können, liebt es, der Rücksichtslose zu sein. Er liebt es, derjenige zu sein, vor dem die Menschen sich fürchten

I am not in danger, Skyler. I am the danger. A guy opens his door and gets shot and you think that of me? No. I am the one who knocks!

Walter White liebt es, Heisenberg zu sein.
Aus dem Bedürfnis heraus, seine Familie zu versorgen, wird ein maßloses, rasendes Verlangen nach der Befriedigung seines persönlichen Egos. So sehr, dass er es kaum ertragen kann, dass die Menschen in seinem privaten Umfeld ihn noch als den wahrnehmen, der er vor Beginn seines Doppellebens war.
Obwohl er mehrmals die Chance hat, aus dem dreckigen Geschäft um das blaue Gift auszusteigen, weil er längst genug Geld verdient hat, tut er es nicht. Er bleibt. Er bleibt Heisenberg.

Walter White ist böse. Er ist nicht nur auf die schiefe Bahn geraten - er ist die schiefe Bahn.

Keinen anderen Seriencharakter verachte ich so wie Walter White.
Es fällt schwer, in der Serie überhaupt einen Charakter zu finden, den man sympathisch findet. Jesse Pinkman ist zweifelsohne ein Sympathieträger - aber wenn man sein Herz zu sehr an ihn hängt, muss man sich auf sehr viel Mitleiden gefasst machen.
Der einzige Charakter den ich wirklich mochte ist der kurzzeitige Partner Walters - Gale Boetticher. Und wer die Serie gesehen hat, wird verstehen können, warum ich so unglaublich frustriert bin.

Breaking Bad ist - technisch gesehen - eine großartige Serie. Eigentlich stimmt alles.
Allerdings lässt einen jede Folge in einer grauenhaften Stimmung zurück. Man liebt keinen Charakter - man verachtet die meisten. Eine richtige Fesselung oder das Bedürfnis, sofort die nächste Folge zu schauen, konnte sich deshalb bei mir nicht einstellen - und das obwohl die Serie eigentlich so ein Potenzial hat und mir theoretisch so sehr imponiert.
Ich hatte - jedenfalls in den ersten Staffeln - auch ein großes Problem mit der Darstellung von Crystal Meth. Mir war das alles eine Spur zu positiv. Und obwohl ich keiner Serie den Auftrag geben möchte, mit dem moralischen Zeigefinger die Menschen zu belehren, kommt dennoch jedes Mal bei dem Titel Breaking Bad ein fader Beigeschmack auf: Der Beigeschmack, den die Zahlen zur Steigerung des Crystal Meth-Konsums seit der Ausstrahlung der Serie hinterlassen. Und wenn man dann liest, dass das ohnehin schon giftige Meth in Mexiko noch mit zusätzlichen Giften gestreckt wurde, um es blau zu machen, woran noch mehr Menschen sterben, ist das schon irgendwie ein Effekt der Populärkultur und speziell dieser Serie, der mich etwas beängstigt.
Aber wie gesagt - das nur nebenbei. Und natürlich will ich der Serie da keinesfalls eine Alleinverantwortung zuschieben.

7,5 Punkte hat die Serie verdient... vielleicht sogar mehr.
Keine andere Serie hat mich bisher bei gleichzeitigem Beeindrucken dazu gebracht, sie so sehr zu hassen.
Menschen, denen ich die Serie mit wutverzerrtem Gesicht einigermaßen begeistert weiterempfehle dürften recht perplex sein - die Serie polarisiert. Und zwar nicht nur die Massen sondern sogar nur einen Menschen.

Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier.

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