Nach Die Elbe von oben, Die Nordsee von Oben, Deutschland von oben, Die Erde von oben und der Serie Die Alpen von oben erwartet den geneigten Doku-Zuschauer nun Die Ostsee von oben. Die Draufsicht ist so populär wie nie zuvor, zumindest zu der im Gegensatz äußerst unpopulären Sparte der Dokumentationen. Und obwohl das Genre der Dokumentation nur für einen teilweise winzigen Teil der Bevölkerung interessant zu sein scheint, werden die deutschen Kinos mit Dokumentationen aller Art überschwemmt. Allein im Februar und März diesen Jahres kamen zehn Dokumentationen in die Kinos, das ist durchschnittlich mehr als ein Film aus dieser Sparte pro Woche.
Die Kamera nennt sich Cineflex, sie ist unter dem Hubschrauber angebracht. Da sie kreiselgelagert ist, gleicht sie die Bewegungen des Hubschraubers aus und kann aus großer Höhe völlig wackelfreie Aufnahmen machen, auch wenn das Zoomobjektiv voll ausgefahren ist. Die Technik haben wir dem amerikanischen Geheimdienst CIA zu verdanken. Die wollten aus großer Höhe gestochen scharfe Bilder von bösen Buben machen und dabei noch die Augenfarbe erkennen und das Nummernschild entziffern. Das Tolle an der Technik ist, dass der Hubschrauber einen Kilometer hoch über der Natur fliegen kann und trotzdem Nahaufnahmen vom Boden machen kann. Ohne, dass dabei die Tiere gestört werden., sagte Christian Wüstenberg, einer der Filmemacher von Die Ostsee von oben. (Webseite Die Ostsee von oben) Technik des CIA in den Händen deutscher Dokumentarfilmer, das ist natürlich ein Qualitätsbeweis der Filmlandschaft und insbesondere des Genres Dokumentarfilm. Daran ist natürlich an sich nichts einzuwenden, niemand wünscht den Dokumentarfilmern miese Technik. Das ändert sich allerdings, wenn wir bedenken, wieviel Geld die öffentlichen Fernsehsender und somit der Steuerzahler in die Produktionen stecken.
Der Knackpunkt ist, dass nicht jede Dokumentation so erfolgversprechend ist, wie Die Ostsee von oben, die deutschlandweit in ca. 100 Kinos gezeigt werden wird. Der Vorgängerfilm Die Nordsee von oben konnte seinerzeit etwas mehr als 200.000 Besucher ins Kino locken und spielte 1,4 Millionen Euro ein. Für eine Dokumentation ist das ein bahnbrechender Erfolg. Von den zehn Dokumentationen im Februar und März 2013 wurden sieben durch verschiedene öffentliche Kassen gefördert. Von diesen Dokumentationen konnte nur der Film Die Elbe von oben die Fördergelder in Höhe von 80.000 Euro wieder einspielen, indem er 15.000 Besucher in die Kinos zog. Diese Besucherzahlen mögen auf den ersten Blick lächerlich erscheinen, schaffen es doch andere Produktionen innerhalb eines Tages das Vielfache an Besucherzahlen zu generieren. Im Vergleich mit anderen Dokumentarfilmen sind 15.000 Besucher allerdings schon eine Leistung, die Filmverleiher selten in der deutschen Dokumentarlandschaft erleben, denn die meisten Filme knacken noch nicht einmal im Ansatz die 5000er Zuschauer-Grenze.
In unserer kleinen empirischen Studie mit den sieben geförderten Dokus liegt von den Einspielergebnissen der Film Gegenwart auf dem letzten Platz. Der Film, der die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr in einem Bestattungsinstitut näher beleuchtet, wurde von der Film- und Medienstiftung NRW mit 40.000 Euro gefördert. Scheinbar war die Thematik doch etwas zu speziell bzw. die Werbung nicht vorhanden, jedenfalls fanden nur 360 Besucher den Weg zum Kino und ließen den Film mit einem Einspielergebnis von 1.579 Euro zurück. Dieses Beispiel und noch zahllose andere zeigen, dass die meisten Dokumentationen, die von Einrichtungen wie dem Deutschen Filmförderfonds gefördert werden, ganz offensichtlich am Markt vorbei produziert werden und nicht einmal im Ansatz ihre Kosten einspielen können. Es scheint nur wenig bis gar kein Interesse an den zahlreichen Dokumentationen zu bestehen, die wöchentlich unsere Kinos überschwemmen. Trotzdem zahlt jeder Steuerzahler für Filme, die im Grunde nur ein kleiner Personenkreis sehen will, und die trotzdem mit einer Menge Geld für die Produktion überhäuft werden.
Auch viele Fernsehsender beteiligen sich an der Produktion der Dokumentationen und sichern so vor allem die Erfüllung ihres Bildungsauftrages. Da es offensichtlich Auflagen gibt, dass nicht nur Fernsehfilme Gelder erhalten dürfen, sondern auch der deutsche Kinofilm gestärkt werden soll, fördern die öffentlichen Sender Dokumentationen, die sie dann später erneut in ihrem Programm zeigen können. An der Ausstrahlung und der DVD-Vermarktung verdienen die großzügigen Spender dann möglicherweise auch noch etwas, so war die Investition wenigstens nicht ganz umsonst und die Auflagen wurden auch noch erfüllt – wie schön! Wenn da nur dieses wählerische Publikum nicht wäre, dass den ganzen Spaß ja im Grunde bezahlt, und sich aber dann keinen einzigen dieser Filme anschaut. Jetzt den Bogen zu der restlichen deutschen Kinolandschaft zu schlagen, wäre vielleicht etwas zu viel des Guten, aber im Grunde zeigt der Dokumentarfilm gut die Problematik des gesamten deutschen Kinos, das in der breiten Masse abgesehen von Til Schweiger Liebeskomödien so beliebt ist wie Fußpilz.
Zum Schluss dieses kleinen Rundumschlags lassen wir noch einmal Christian Wüstenberg zu Wort kommen, der uns sehr anschaulich erklärt, warum auch ein Dokumentarfilm im Kino sehenswert sein kann. Unsere Naturdokumentationen liefen in über 500 Kinos in ganz Deutschland von Flensburg bis Oberammergau. Wir lieben das Kino. Die Leute lassen sich ganz anders auf den Film ein als zu Hause vor der Glotze. Im Kino gibt’s keine Werbeunterbrechung, es ruft mich keiner an, es klingelt nicht an der Tür und ich esse nicht nebenbei zu Abend. Und das ist auch gut so. Ein Landschaftsbild im Kino kann zum Naturereignis werden. Hach, was für eine himmlische Kinowelt. Wenn sie doch nur jemand sehen wollte.