Deutschland - Ein Aufreger ist nicht genug

12.10.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Deutschland - Ein Aufreger ist nicht genug
RTL/moviepilot
Deutschland - Ein Aufreger ist nicht genug
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Man ist wütend, aber weiß nicht warum. Kommt vor. Hat es mit der Filmbranche zu tun? Konservativen Gremien? Angst vor Veränderungen? Inzestuösen Fördersystemen? Oder mit Helden, die unser Land echt nicht gebraucht hätte?

Es kostet Kraft, sich aufzuregen. An Wochen wie diesen doppelt und dreifach. Manchmal wandelt sich die Aufregung aber auch einfach in Ernüchterung. Aber nicht unbedingt aus den offensichtlichen Gründen. Natürlich, als ich das RTL-Fiasko of the Year Helden – Wenn dein Land dich braucht sah, war auch mir danach, meinem Ärger Luft zu machen. Acht Millionen Euro wurden für diesen traurigen Asylum-Abklatsch ausgegeben und fast die Hälfte davon über Fördertöpfe. Ein Trauerspiel.

Aber eigentlich kann man dem Film gar nicht böse sein. Er ist mies, aber nicht mieser als frühere TV-Eventmovies. Man kann ihm unterstellen, dass er seine Zuschauer zu Tode langweilt, aber im Grunde ist er nur das bemitleidenswerte Produkt eines ohnehin längst überholten Systems. Umgesetzt von Filmemachern, die zu lange und zu tief drin stecken, um wirklich noch erkennen zu können, wie dumm sie den Zuschauer verkauften. Dass der Regisseur von Helden – Wenn dein Land dich braucht mit gekränktem, kindischem Stolz auf die Kritiker seines Films – und somit halb Deutschland – los ging (moviepilot berichtete), zeigt nur, dass es bei diesem Filmdebakel eigentlich nur Opfer gab.

Doch wer sind die Täter? An welchen Krebsgeschwür leidet unser geliebtes Deutschland, wenn Förder- und Sendeanstalten, Produzenten, Redakteure und Filmemacher voller Stolz solche Filme präsentieren, im guten Glauben einen Beitrag für die Filmkultur geleistet zu haben? Ich maße mir nicht an, die Gründe dafür zu kennen, was in unserem Land falsch läuft, aber ich kann euch sagen, woher meine Ernüchterung rührt. Ein Aufreger der Woche über die Unveränderlichkeit der deutschen Medienbranche. Eine ernüchternde Bestandsaufnahme.

So groß wie Emmerich, so peinlich wie Asylum
Es war einmal, dass ganze Teams aus Redakteuren für ein halbes Dutzend TV-Movie-Produktionen pro Jahr verantwortlich zeichneten. Diese waren selten großartig, aber noch seltener so verheerend wie Helden – Wenn dein Land dich braucht. Aber die Zeiten sind vorbei. RTL schrumpfte seine Redaktion auf eine Person und setzte alles auf eine Karte. Acht Millionen Euro für ein einziges TV-Movie mag nach viel klingen, aber in Angesicht der übersteigerten Ambitionen und des Katastrophenfilmgenres sowie logistischen und technischen Herausforderungen, die ein solcher “Genrefilm” zu stemmen hat, war er gleichzeitig gnadenlos unterfinanziert. Roland Emmerich hat für die gleiche Art von Film das 20-fache Budget zur Verfügung.

Andererseits ähnelt Helden frappierend einer typischen The Asylum Produktion. Nur produziert das Studio seine Filme für unter eine Million Dollar und in weniger als 12 Monaten. Es machte filmische Mängelexemplare quasi zur Geschäftsidee und zur lukrativen Marktnische. Sie produzieren inhaltlich und technisch zweifelhafte Filme für ein Publikum, das die Ware mit Trash gleichsetzt oder einfach Spaß daran empfindet. RTL dagegen meinte es ernst und scheiterte im ganz großen Maßstab, indem sie einen überteuerten Mockbuster zum Eventmovie des Jahres ausriefen. Zu lausig produziert, um ernstgenommen zu werden, zu massiv überproduziert, um als echter Genretitel oder Guilty Pleasure wahrgenommen zu werden. Wie kann so etwas passieren?

Wochenrückblick
Vielleicht hilft uns der Newsfeed der letzten Tage dabei, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Aber abgesehen von Spott, Hohn und Kritik gab es über Helden eher wenig zu berichten – ausser dass der Film erfolgreich ins Ausland verkauft wurde. Soviel zu den Gebeten von Spiegel Online, die hofften, dass “niemals im Ausland jemand diesen sturzdummen, humorfreien und kraftmeiernden Pathos-Quatsch zu sehen bekommt”.

Dafür erfährt man, dass das Bundesverfassungsgericht sich seit Dienstag mit der Klage der UCI Kinokette befasst, der wir bereits vor einigen Wochen einen eigenen Aufreger widmeten. Steht eine erneute Anpassung des alten Fördergesetzes bevor? An anderer Stelle ist von Wetten, dass..? die Rede, dem Dinosaurier unter den Showformaten, der nach einem Quotentief abermals überarbeitet wurde. Eine Sendung, die aus Gewohnheit produziert, konsumiert und am Leben erhalten wird – so könnte man meinen. Der deutsche Fernsehpreis befindet sich ebenfalls in der Krise. Auch er wurde bereits reformiert – zum Schlechteren, wie sich nun zeigte. Routine, Eitelkeit und eine fragwürdige Verleihpolitik machen der Veranstaltung zu schaffen. Und da wäre noch unser alter Freund der Rundfunkbeitrag, der voraussichtlich für 80 Millionen Euro Zusatzeinnahmen sorgen wird im Vergleich zum GEZ-Vorjahr. Wer hätte das gedacht…

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