Die 80er Jahre und die Krise des Deutschen Films

04.02.2010 - 09:00 Uhr
Großes Kino aus dem Osten - Stalker
Ice Storm
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In den 80er Jahren wurde die Krise des Deutschen Filmes auch zur Krise der Berlinale. Als der Wettbewerb fast ohne deutschen Beitrag auskommen musste, wurde 1981 zum Boykott aufgerufen.

Als 1981 Moritz de Hadeln zum neuen Präsidenten der Berlinale gewählt wurde, standen die Zeichen auf Sturm. Lediglich ein deutscher Film wurde von ihm zum Wettbewerb zugelassen – Der Neger Erwin von Herbert Achternbusch. Als Begründung gab Moritz de Hadeln, der zuvor das Filmfestival in Locarno leitete, die mangelnde Qualität der gesichteten Beiträge an und sprach von einer “Krisensituation des deutschen Filmes”. Dies betraf übrigens auch die DDR, da die DEFA ebenfalls keinen ihrer Filme im Wettbewerb platzieren konnte.

Die deutschen Filmemacher reagierten mit einem Aufruf zum Boykott und schossen zurück: Das Problem sei nicht die Qualität des Deutschen Filmes, sondern der “Dilettantismus und die Kontaktunfähigkeit der Festivalleitung”. Der “Neue”, so glaubte die Gruppe um den deutschen Regisseur Alexander Kluge, ist eher an amerikanischen Großproduktionen interessiert als an deutscher Filmkunst, von der er sowieso keine Ahnung hat. Daher forderten sie auch Moritz de Hadelns Rücktritt von der Festivalleitung. Was genau anders gemacht werden soll, damit die Forderung nach einem “repräsentativen Festival” erfüllt wird, konnten sie allerdings auch nicht genau sagen.

Wolfgang Schütte fragte damals in der Frankfurter Rundschau “für wen, womit, wozu? Dazu fehlen stringente Antworten. Sie sollen – wieder einmal in einem umfangreichen Papier – nachgereicht werden: an die entsprechenden Gremien, Behörden. Typische deutsche Scheiße, ist man versucht zu sagen. Habt ihr keine Zeit, keinen Ort gehabt, um das vorher zu diskutieren, eure Widersprüche zu klären oder wenigstens zu formulieren? Ich frage ja nur. Denn dann wäre wirklich darüber zu sprechen gewesen. So bleibt nur der filmpolitische Dilettantismus sich beleidigt gebender Organisationen, die von ihren Emotionen quatschen, ohne ein diskutables Konzept vorlegen zu können. Das Unbehagen besteht meinerseits.”

Als Konsequenz stärkte Moritz de Hadeln die Kompetenzen der Festival-Rubrik “Neuer Deutscher Film”. Die Bestrebungen, ihn zum Rücktritt zu zwingen, verliefen im Sande und Moritz de Hadeln blieb bis 2001 der umstrittene Leiter der Berlinale. 1982 liefen bereits wieder fünf deutsche Filme im Wettbewerb und über 90 deutsche Produktionen im Gesamtprogramm. Doch auch in den folgenden Jahren musste der deutsche Film bis auf wenige Ausnahmen sein Nischendasein ertragen, während Moritz de Hadeln vor allem die Kontakte zu amerikanischen Filmemachern pflegte und so für Besucher-Rekorde sorgte.

Dabei müssen wir Moritz de Hadeln im Nachhinein eigentlich Recht geben, denn während sich an den deutschen Beitrag von 1981 heute kaum noch jemand erinnern kann, sind die Beiträge aus den USA, Frankreich und der UDSSR bis heute Klassiker: Martin Scorsese eröffnete die Berlinale mit Wie ein wilder Stier und auch Rette sich, wer kann (das Leben) von Jean-Luc Godard und Stalker von Andrei Tarkowski erregten internationale Aufmerksamkeit.

Seitdem sich die Berlinale ab 1974 auch für Filme aus dem Ostblock geöffnet hat, wurde vielen westlichen Zuschauern erst bewusst, welche künstlerischen Perlen bisher unentdeckt jenseits des Eisernen Vorhangs funkelten. Dennoch weckten vor allem kritische Werke immer wieder alte Bedenken. So wurde 1982 der Film Mit dem Wind nach Westen, der eine Republikflucht im Heißluftballon behandelte, von Moritz de Hadeln vom Festival ausgeschlossen. Zu groß war die Angst, die eben erst geknüpften Ost-Kontakte aufs Spiel zu setzen. Doch die Sorge war unbegründet: Bis zum Wendejahr 1989 blieb die Berlinale ein wahrhaft internationales Festival.

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