Dragonball Evolution & Co: Warum Anime-Live-Action so oft scheitert

17.09.2018 - 12:45 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Son-Goku
20th Century Fox
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Seit letzter Woche ist Bleach bei Netflix verfügbar. Live-Action-Adaptionen großer Anime-Serien sind derzeit gefragt wie nie. Die bisherige Bilanz dieser Umsetzungen ist allerdings ernüchternd. Wieso eigentlich?

Seit vergangenen Freitag ist mit Bleach eine weitere Adaption eines beliebten Anime bei Netflix abrufbar. Die Live-Action-Verfilmung, basierend auf Tite Kubos Manga, kann sich wirklich sehen lassen und weckt in mir sogar wieder etwas Hoffnung, was weitere Live-Action-Adaptionen bekannter Manga- und Anime-Reihen betrifft. Bisher machten diese Filme nämlich leider kaum positiv auf sich aufmerksam. Nur in den seltensten Fällen konnten Live-Action-Verfilmungen sowohl Kritiker als auch Fans überzeugen, häufig ist das genaue Gegenteil der Fall. Fans der Vorlage sind verärgert und neue Zuschauer werden womöglich aufgrund der überdrehten Szenarien und Charaktere abgeschreckt. Sind Live-Action-Adaptionen großer Anime-Franchises also zum Scheitern verurteilt?

Zwischen Fesseln und Freiheit - Wie viel Freiraum darf sich eine Adaption nehmen?

Wenn ich an Live-Action-Adaptionen großer Anime denke, wandern meine Gedanken unweigerlich zu Dragonball Evolution, schließlich brach dieser Film mein Herz und trampelte anschließend noch munter auf den Trümmern herum. Bei Dragonball Evolution lief so ziemlich alles falsch, was nur falsch laufen konnte, wobei solche Live-Action-Adaptionen von Anime oder Manga auf einem schmalen Grat balancieren müssen, schließlich wollen sowohl Fans der Vorlage als auch Kinogänger ohne großes Vorwissen abgeholt werden. Doch dieser Balanceakt gelingt, wie ich finde, viel zu selten, denn wie viel Freiraum darf sich eine Adaption nehmen?

Son-Goku und Co.

Es ist absolut nicht verwerflich, wenn sich eine Adaption die eine oder andere Freiheit nimmt, vielleicht sogar seine eigene Geschichte erzählt, welche uns zwar in die bekannte Welt mit den lieb gewonnenen Charakteren entführt, uns gleichzeitig jedoch ebenfalls etwas Neues bieten möchte. Bei alldem darf jedoch eines niemals verloren gehen: die Essenz der Vorlage. Wenn den Charakteren das genommen wird, was sie ausmacht, wenn ihre Geschichten ohne ersichtlichen Grund verändert werden, dann sollte von einem solchen Vorgehen sicherlich eher abgesehen werden; es sei denn natürlich, die Macher wollen uns Fans bewusst gegen sich aufbringen. Dragon Ball Evolution raubte der Vorlage ihr Herz, was einer der Gründe ist, der dem Film das Genick brechen sollte. Die farbenfrohe Welt der Vorlage wurde etwa durch ein austauschbares Highschool-Setting ersetzt und die Charaktere hatten mit ihren Anime-Pendants abgesehen von den Namen rein gar nichts mehr gemein, was sich für mich sowie sicherlich auch viele von euch wie ein Schlag ins Gesicht anfühlte.

Der Faktor Zeit - Anime-Adaptionen haben es oftmals zu eilig

Manga und Anime, speziell jene vom Schlage eines Bleach, Naruto oder One Piece, nehmen sich gerne viel Zeit, um uns ihre Welt sowie die in ihr lebenden Charaktere vorzustellen. Die einzelnen Kapitel beziehungsweise Episoden treiben dabei oftmals die eigentliche Geschichte nur unwesentlich voran, da der Fokus mehr auf der Entwicklung der Charaktere sowie der Erforschung und dem Ausbau der Welt liegt. Den zeitlichen Luxus einer Serie können sich Spielfilme indes nicht erlauben - zumindest nicht in diesem Ausmaß. Hinzu kommt, dass einige Live-Action-Adaptionen, beispielsweise Fullmetal Alchemist, bereits ein gewisses Grundwissen voraussetzen, damit sie weniger Zeit darauf verwenden müssen, uns Zuschauern zu erklären, wer wo was wann wieso gerade tut. Fans der Vorlage werden diesen Umstand sicherlich verschmerzen können, für Zuschauer ohne jegliches Vorwissen ist dies jedoch eine nicht gerade kleine Hürde, die den Genuss des Films wenigstens trüben oder ihn schlimmsten Falls sogar ruinieren kann.

Ichigo Kurosaki

Das MCU könnte hierbei durchaus als Vorbild dienen, natürlich vorausgesetzt, die Studios wollen sich in Zukunft mehr Zeit bei der Adaption einer Anime-Serie lassen. Die Marvel Studios bauten ihr Kino-Universum behutsam über mehrere Jahre auf, ehe sämtliche Handlungsstränge schließlich im Magnum opus Avengers: Infinity War zusammenlaufen sollten. Ein ähnliches Modell ist ebenfalls für die Adaption besonders umfangreicher Anime-Serien denkbar. Statt möglichst viele Episoden oder Manga-Bände in einen Film zu quetschen, könnte man sich zunächst auf eine einzelne Storyline konzentrieren, um uns die Charaktere näher zu bringen, mit denen wir anschließend gemeinsam die Welt entdecken.

Erwartungen vs. Realität - Manga und Anime sind oft nicht auf Realismus aus

Die für mich größte Problematik bei der Live-Action-Adaption eines Anime besteht jedoch bei der Dissonanz zwischen dem mir Vertrauten und dem, was der Film letztlich anbietet. Es gestaltet sich oftmals enorm schwierig, Schauspieler zu finden, welche den mir und sicherlich ebenfalls anderen Fans ans Herz gewachsenen Charakteren auch nur ansatzweise ähnlich sehen, zumal wir diese nicht selten auch gerade wegen des besonderen Stils des Künstlers wertschätzen. Wenn der Schauspieler die Vorlage dann auch noch anders interpretiert oder interpretieren soll, als es der jeweilige Anime vorgibt, dann droht das Vorhaben bereits an diesem Punkt zu scheitern. Davon jedoch einmal ganz abgesehen, sind viele Anime schlicht nicht auf Realismus ausgelegt, weshalb die Aktionen der Figuren als reale Menschen oft schlicht bizarr anmuten.

Son-Goku

Speziell die Action in Shonen-Anime, etwa Bleach oder Dragon Ball, ist oftmals dermaßen überzogen, dass sie mit realen Darstellern kaum nachgestellt werden können. Uns Menschen sind Grenzen gesetzt. Grenzen, die gezeichnete Charaktere oftmals lediglich bedingt mit uns gemein haben. Wenn in Bleach massive Felsen gespalten oder in Dragon Ball ganze Planeten vernichtet werden, sieht dies in der Anime-Serie oder ihren Anime-Filmen nochmals beeindruckender aus als in der entsprechenden Manga-Vorlage. Bei ihren Live-Action-Adaptionen will diese ungeheure Wucht, welche beinahe einer Naturgewalt gleich kommt, jedoch leider nicht wirklich rüberkommen. Beim Sprung vom Anime zum Live-Action geht leider mehr verloren als nur der individuelle Stil des jeweiligen Autors: nämlich dieses besondere Etwas, das die Action derart spektakulär wirken lässt. Einige Anime scheinen schlicht nicht dafür gemacht zu sein, in ein Live-Action-Korsett gezwängt zu werden, schließlich lassen sich gewisse Facetten nicht 1:1 übertragen. Nur weil etwas in einem Anime funktioniert, bedeutet dies nicht automatisch, es funktioniert deshalb ebenfalls in einer Live-Action-Adaption.

Hideo und Hiromi

Obwohl vieles bis hierhin sehr negativ klingt, bedeutet das keinesfalls, dass jede noch kommende Anime-Live-Action-Adaption automatisch eine Totgeburt sein muss. Es gab bisher durchaus gelungene Live-Action-Filme, die auf Anime- oder Manga-Reihen basieren. In den letzten Jahren blieben mir speziell Parasyte, I Am A Hero, Edge of Tomorrow oder jüngst Bleach positiv im Gedächtnis, die eines besonders bewiesen haben: Mit dem nötigen gebotenen Respekt gegenüber der Vorlage, ihrer Welt sowie ihren Charakteren - kurz ihrem Herz - können Live-Action-Adaptionen durchaus gelingen. Es muss lediglich noch die richtige Balance gefunden werden.

Was haltet ihr von Live-Action-Adaptionen bekannter Anime-Serien?

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