Dror Zahavi steckt Maria Furtwängler in die Badewanne

14.03.2009 - 12:15 Uhr
Tatort: Das Gespenst
NDR / Christine Schröder
Tatort: Das Gespenst
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Regisseur Dror Zahavi über den Tatort: Das Gespenst, die Geschichte zweier Freundinnen.

Regisseur Dror Zahavi hat im Tatort: Das Gespenst die Geschichte zweier Freundinnen verfilmt, die sich in einem kritischen Moment gegeneinander stehen. Hier beantwortet er Fragen zum Film.

“Falschparkerin erschießt Polizist im Affekt”, so könnten Zeitungen über den Eingangsmord in Ihrem Niedersachsen-“Tatort” mit Maria Furtwängler titeln. Inszenieren Sie hier eine filmische Schlagzeile – einen Knalleffekt?
Nein, diese Terminologie ist mir ganz und gar fremd. Ich inszeniere Figuren und Situationen. Um die Effekte kümmere ich mich eigentlich gar nicht. Die Effekte entstehen von selbst, wenn die Figuren Brüche, Wendungen und Überraschungen in sich tragen. Diesen Polizistenmord habe ich ohne viel Blut und großen Knall inszeniert. Die Tat entsteht aus der Figur, der Terroristin Manu. Sie steht vor der Entscheidung, entweder selbst festgenommen zu werden oder diesen Polizisten zu erschießen.

Der Mord zieht schnell Kreise. Sehr bald verdächtigt Kommissarin Lindholm ihre frühere Schulfreundin Manu. Wird dieser “Tatort” jetzt zu einem Duell zweier starker Frauenfiguren?
Duell ist vielleicht zu viel gesagt. Es ist bei beiden eine Mischung aus Hass und Liebe. Die zwei Frauen kämpfen als Jägerin und Gejagte, aber die Jägerin spürt auch das Bedürfnis, der Gejagten zu helfen. Hier ist auch eine tiefe Solidarität zwischen zwei Frauen spürbar, die sich seit der Kindheit kennen und die immer noch starke Gefühle füreinander empfinden, obwohl sie in ihrem Leben unterschiedliche Wege genommen haben. Es ist also die Geschichte zweier Freundinnen, die jetzt in diesem Moment gegeneinander stehen. Wenn es wirklich brenzlig wird, baut jede noch auf die Hilfe der anderen. Obwohl sie auf konträren Seiten stehen, haben sie noch Vertrauen zueinander.

Wie äußert sich dieses Vertrauen?
Es äußert sich darin, dass Manu als letztes Mittel zu Charlotte kommt und ihr die Tatwaffe gibt, damit die Kommissarin den BND-Mann Ritter stellen kann. Es äußert sich auf der anderen Seite darin, dass Charlotte zu Manu kommt und an ihr Gewissen appelliert, ihr dabei zu helfen, den Polizistenmord aufzuklären. Charlotte ist hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, ihrer Freundin zu helfen, und ihrer Pflicht als Polizistin, sie zu stellen – schließlich weiß sie, dass Manu die Mörderin ist.

Warum haben Sie gerade Karoline Eichhorn als Gegenpart zu Maria Furtwängler engagiert?
Ursprünglich hatte sich Drehbuchautor Stefan Dähnert die Figur der Manu als dunkelhaarige, vollbusige Frau vorgestellt. Ich kam aber zu der Schlussfolgerung, dass es viel spannender ist, wenn ich Maria Furtwängler eine Art Zwillingsschwester an die Seite stelle. Deshalb habe ich eine Schauspielerin gesucht, die ihr in der Ausstrahlung, in der Qualität sowieso und auch im Aussehen ähnelt. Wenn man sie aus der Ferne sieht, könnte man sie verwechseln. Beide stammen aus demselben Dorf, durch Zufall hat sich die eine so, die andere so entwickelt – aber es hätte auch andersherum laufen können.

Eine weitere Konfrontation entwickelt sich zwischen Charlotte Lindholm und Hansa Czypionka als BND-Chefstratege Ritter. Stehen Lindholm und Ritter hier für zwei grundsätzlich verschiedene Haltungen?
Lindholm ist eine sehr gradlinige, ehrliche Polizistin, die das Gesetz als höchstes Gut sieht und ihre Arbeit den Gesetzen unterordnet. Ritter ist ein treuer Diener des Staates, der für seinen Erfolg seine Arbeit über das Gesetz stellt. Er sieht das flexibler, kreativer als Charlotte Lindholm. Wenn er das Gesetz brechen muss, um sein Ziel zu erreichen, etwa hier die Verhaftung des Terroristen-Anführers Osburg, dann wird er es machen.

Schaffen Sie hier eine Spannung zwischen Hansa Czypionkas freundlichem Auftreten und den rabiaten Methoden, zu denen seine Figur Ritter greift?
Hansa Czypionka ist ein hervorragender Schauspieler, der eigentlich alle Figuren spielen kann. In den Filmen von Caroline Link spielt er immer die Guten und Warmherzigen, während er jetzt bei mir zum zweiten Mal den Schurken spielt. Hansa Czypionka hat diese Bandbreite, weil er die Ausstrahlung einer sehr starken Persönlichkeit besitzt. Ich habe ihn hier besetzt, weil er eine intelligente Kühle vermittelt. Er hat etwas Gefährliches in den Augen, aber er verkörpert auch Geradlinigkeit. Diese Kombination ist spannend bei ihm.

Sie hatten sicher keinen Klischee-Agenten mit einem Hauch James Bond im Sinn …
Dieser Film hat für mich einen ganz anderen Stellenwert als ein James-Bond-Film. Die 007-Filme funktionieren über Action, Sex und Unterhaltung. In diesem “Tatort” ist der Geheimdienst in einen sehr schmerzhaften Konflikt zwischen der ersten und der dritten Welt verwickelt: In Afrika müssen viele Menschen sterben, damit die Handy-Hersteller an einen bestimmten Rohstoff für ihre Chips herankommen. Diese Thematik nehme ich sehr ernst. Deshalb war es für mich überhaupt nicht entscheidend, ob wir hier viel Action oder viele Tote haben. Ich möchte diese Geschichte so glaubwürdig wie möglich erzählen. So ist dieser Film leiser geworden als ursprünglich geplant, das Ambiente gerade rund um den Geheimdienst ist reduzierter.

Sie misstrauen den Geheimdiensten?
Nun, wir unterstellen ihnen hier zumindest, dass sie nicht immer ehrlich arbeiten.

Ein besonderer Moment ist die Szene, in der sich Maria Furtwängler und Karoline Eichhorn in einer Badewanne gegenüber sitzen. Ist das wirklich ein geeigneter Ort für eine derart zentrale Auseinandersetzung?
Im Gegenteil. Endlich einmal hat ein Autor eine Situation erfunden, die ich noch nicht gesehen habe, die ich noch nicht inszeniert habe. Daher hat mich diese Idee sehr fasziniert. Es gibt keinen Ort, der besser geeignet wäre für diese Begegnung zwischen Terroristin Manu und Kommissarin Lindholm, keinen Ort, der besser geeignet wäre, die Nacktheit, die Naivität, die Reinheit dieser Beziehung darzustellen. Vermutlich haben beide auch vor 30 Jahren zusammen in der Wanne gesessen.

In den letzten Lindholm-“Tatorten” drehte sich vieles um das kleine Kind der Kommissarin. Welche Facetten der Lindholm rückt Maria Furtwängler jetzt in den Vordergrund?
In diesem Film spielt Maria Furtwängler eine Kommissarin, die Ordnung im weitesten Sinn in ihr Leben bringt. Dies geschieht auf der Ebene der Vergangenheit mit ihrer besten Freundin, dies geschieht in ihrem Privatleben mit ihrem Verehrer Edgar und mit ihrem Wohngenossen Martin. Um diesen Prozess auch optisch zu verdeutlichen, lassen wir Charlotte Lindholm während des gesamten Films ihre Wohnung renovieren und sie auf einer Baustelle zwischen Tapeten und Farbeimern leben. Erst am Ende des Films ist die Renovierung beendet, während sich parallel dazu abzeichnet, dass Charlotte ihre Beziehung zu Martin neu definiert.

Wo wir schon beim Definieren sind: Welchem Genre ordnen Sie Ihren “Tatort” zu?
Der Kriminalfall steht sicherlich im Vordergrund. Ich würde diesen Film am ehesten als Politthriller definieren.

Welche Regisseure sind Ihre Vorbilder?
Was das Psychologische betrifft, war Ingmar Bergman einer meiner Lieblingsregisseure. Ich bin ein großer Fan von Sergio Leone und seinen Western. Unter den Jüngeren schätze ich beispielsweise Cameron Crowe und Baz Luhrmann.

Sie platzieren die Kamera immer wieder in Bodennähe oder auch in luftiger Höhe. Welche Überlegung steckt dahinter?
Ich versuche in allen meinen Produktionen eine Filmsprache zu finden, die dem jeweiligen Genre entspricht. In diesem “Tatort” habe ich besonderen Wert auf die Totalen gelegt. Ich halte diese Einstellungen für wichtig, sie müssen allerdings sehr genau und reich inszeniert werden. Es ist viel einfacher, Close-ups zu drehen. Durch die Totalen wirkt dieser Film größer und reicher, finde ich. Unser Kameramann musste sich und seine Kamera oft in abenteuerliche Positionen bringen – etwa mitten auf die Landebahn des Flughafens Hannover.

Quelle: Mit Material vom NDR

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