Eastbound & Down - Die neue Würde

15.11.2011 - 08:50 Uhr
Immer auf das Nötigste bedacht - Danny McBride als Kenny Powers
HBO
Immer auf das Nötigste bedacht - Danny McBride als Kenny Powers
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Danny McBride ist der Sprengstoff-Experte aus Tropic Thunder, der Sicherheitstyp aus Fanboys, immer irgendein schräger Charakter am Rand eines schrägen Films. Doch mit Eastbound & Down hat er eine Serie ins Leben gerufen, die ihresgleichen sucht.

Als ich das erste Mal die Serie Eastbound & Down ansah, hatte ich das Gefühl, bei etwas ganz Großem dabei zu sein. Die erste Folge machte mir klar: Danny McBride, Schöpfer und Hauptdarsteller des Formats, schreibt mit seinem gefallenen Baseball-Superstar Kenny Powers HBO-Geschichte. Eastbound & Down gehört zum Witzigsten, Bittersten, zum Ironischten und gleichzeitig Würdigsten, was amerikanisches Fensehen zur Zeit zu bieten hat.

In den ersten vier Minuten der ersten Episode werden Aufstieg und Fall des dicklichen, arroganten, egomanischen Vokuhilas Kenny Powers gezeigt. Zu stimmigem Hardrock werden wir Zeuge seines ersten Strike-Outs: Mit einem Höchstgeschwindigkeitswurf und einer Menge Proll-Romantik wird Kenny Powers zum Shootingstar des American Baseball. Doch noch im Laufe des Hardrock-Songs wird in einer poppigen Montage der Abstieg gezeigt: Alkohol, Steroide, Wut… Nach 5 Minuten sind wir in der Gegenwart: Kenny Powers ist kein heißer Scheiß mehr. Er muss eine Umschulung zum Sportlehrer hinnehmen und zurück nach Shelby, North Carolina, ins Haus seines Bruders.

Die erste Staffel von Eastbound & Down zeigt, wie Kenny sich in der alten Heimat einlebt, an seiner alten Schule unterrichtet, alte Kontakte erneuert und der Familie seines Bruders das Leben schwermacht. Ich möchte in ein paar Sätzen zusammenfassen, was die Serie für mich so liebenswert, verehrenswert macht und warum sie meiner Meinung nach eine wirkliche Bereicherung der Medienlandschaft darstellt.

Freddie King – Goin’ Down
Die Serie saugt mich immer in einer Mischung aus Ironie, Witz und Tragik auf. Alles ist balanciert und der Zynismus, der in vielen Szenen steckt, wird durch die herzliche Grundehrlichkeit der nächsten Szene wieder gut gemacht. Außerdem strotzen Eastbound & Down und Kenny Powers nur so vor Kraft und Saft. Das liegt nicht zuletzt an den furiosen Einstiegen der verschiedenen Episoden. Jede Folge beginnt mit einem kleinen dramaturgischen Meisterwerk. Jede Folge präsentiert uns 2 Minuten authentisches Amerika, eine stabile Szene, die durch eine wohlplatzierte, meist zotige Pointe auf die Spitze getrieben wird. Dann erscheint der gelbe Schriftzug (EASTBOUND & DOWN) und der Titelsong Going Down von Freddie King. Und allein für diese ersten 2 Minuten einer jeden Folge ist Eastbound & Down mehr als sehenswert. In Sachen Timing, Stimmung und Dialogpräzision beweist Eastbound & Down schon in den Intros, dass sie zur Königsklasse gehört.

Stevie Janowski – der beste Sidekick allerzeiten
Der Cast von Eastbound & Down ist grandios. Will Ferrell produziert die Serie und hat selbst ein paar Auftritte als schmieriger Autohaus-Besitzer. Überall schillern goldwerte Gastauftritte von namhaften Schauspielern, die sich mit Eastbound & Down ins Herz der amerikanischen Finsternis begeben. Aber das eigentliche Herzstück ist der subtile Kern-Cast. John Hawkes (Teardrop aus Winter’s Bone) glänzt als Kennys Bruder und loyaler Familienvater. Andrew Daly spielt den spießig-perversen Schulleiter auf so unangenehme Art, dass die Unmöglichkeit des Normalo-Lebens, die Kenny verspürt, irgendwie nachvollziehbar wird. Star-Allüren sind besser als neurotische Lehrer.

Innerhalb dieses tollen Casts tut sich nochmal Steve Little hervor. Er spielt Kenny Powers´ Sidekick, den simplen Lehrer Stevie Janowski. Schnell ist Stevie großer Fan, Kenny ist sein überlebensgroßes Vorbild. Er will auch so männlich, so prollig, so stark und so ‘real’ werden wie Kenny. Er wird zu seinem Assistenten und ist für jede Aufgabe bereit. Das mag zynisch, vorhersehbar und dämlich klingen. Doch Stevie geht in seiner Rolle als ‘idiot friend’ so sehr auf, dass er den Rahmen der dramaturgischen Sidekick-Form sprengt. Er macht keinen Hehl daraus, dass er Kenny verehrt und ihm nacheifert. Er ist immer offen und bereit, daher fähig in seiner peinlichen Nachahmung, völlig freizudrehen und irgendwie doch cooler zu sein als alle anderen.

Würde und Tragik des Kenny Powers
Eigentlich ist Eastbound & Down eine Comedy-Serie. Doch sie kann soviel mehr. Immer dann, wenn es wirklich fies wird, wenn gerade nur über Titten, Sex und Koks gesprochen wird, können wir davon ausgehen, dass es schon lange nicht mehr um Titten, Sex und Koks geht. Die Stimmung und die Dialoge wechseln so schnell zwischen Trauer und Lächerlichkeit, zwischen energischer Aufbruchstimmung und deprimierender Eintönigkeit, dass ich wirklich aufpassen muss, wenn ich die Serie beschreiben möchte. Sie hat keine wirkliche Schublade. Das ist zwar mit allen guten Produkten so, doch Eastbound & Down ist noch weniger einzudordnen.

Ich weiß nur, dass in der Mitte dieses amerikanischen Infernos von einer Fernsehshow Kenny Powers steht. Ein unschöner Mann mit einer Plautze und einer echt uncoolen Frisur. Er ist rassistisch, schwulenfeindlich und egomanisch. Doch wir können ihm seine Ehrlichkeit nicht abschlagen. Gerade weil er so selbst-zentriert ist, muss er immer das tun, was er gerade denkt und wird so zu einer ehrlichen und effektiven Serienfiguren, die immer bereit ist, den Standpunkt zu ändern, wenn er von jemandem wirklich beeindruckt ist.

Er lässt die Welt sofort teilhaben an seinen Eingebungen. Wenn er seiner Jugendliebe sagt, dass er auf ihre Brüste steht, dann ist das keine Anmache, sondern Me Loving You, For Real. Im echten Leben wäre Kenny Powers für manche vielleicht schwer zu ertragen. Im Film-Meidum ist er aber ein Meilenstein. Er gibt der Banalität des Lebens in ihren dunkelsten Phasen eine eigene Bedeutung zurück. Egal wie zotig, billig oder besoffen die Form ist, Kenny Powers hat Würde und Format im Innern, er ist Fenseh-Adel, ganz klar.

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