Eine kurze Geschichte des Superheldenbooms - Teil 1

07.06.2014 - 08:50 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Blade
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Mit Bryan Singers Rückkehr auf den X-Men-Regiestuhl ist es für uns Zeit, zurückzublicken auf den Boom der Superhelden-Filme, den er selbst mit auslöste. Den Anfang machen höllische Helden, die auch vor Blut nicht zurückschrecken.

Eine Yuppie-Trantüte wird von einer Femme fatale in eine Keller-Disco gelockt, wo schon bald Blut aus der Sprenkler-Anlage schießt. Aber nein, wir befinden uns nicht in einem hippen Berliner Techno-Tempel zwischen Kreuzberg und Friedrichshain. Vielmehr führen uns Regisseur Stephen Norrington und Drehbuchautor David S. Goyer wie Fährmann Charon in die Unterwelt, sodass wir Daywalker Blade bei der Arbeit zusehen können. Ausgiebig wird in den Blutströmen getanzt, bevor der Superheldenvampir die Party ruiniert. Böse Zungen könnten nun behaupten, diese Szene nehme die Entwicklung des ganzen Genres in den kommenden 16 Jahren vorweg. Am Anfang jedenfalls stand mit Blade die Antithese des familientauglichen PG-13-Superhelden und damit fuhr die Killermaschine Erfolge ein.

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Nachwehen des Schwarzen Ritters
“Anfang” ist allerdings relativ. Dass Bryan Singers X-Men – Der Film und nicht Blade heute als Startschuss des Superhelden-Booms im Kino gilt, dürfte unter anderem an der starken Verankerung des Vampir-Helden in den Genre-Traditionen der 90er Jahre liegen. Diese, angespornt durch den weltweiten Erfolg von Batman, waren dem Tod näher als dem Leben. Sam Raimi kreierte für seinen ersten großen Studiofilm Darkman seinen eigenen Superhelden. Für tot gehalten, entkommt der Wissenschaftler Westlake mit schrecklichen Verbrennungen. Mit Hilfe von synthetischer Haut kann er jede Identität annehmen und schreckt bei seiner Rückkehr zu den Lebenden auch nicht vor Mord zurück. Alex Proyas schickte vier Jahre später The Crow – Die Krähe aus dem Reich der Toten auf einen Rachefeldzug und Mark A.Z. Dippé begab sich mit dem faustischen Spawn auf seinen ersten und – berechtigterweise – letzten Ausflug als Kinoregisseur. Die dominierende Tradition des Genres in den 90er Jahren wurde weniger von Supergöttern, denn rachsüchtigen Todesengeln und Höllenwesen bevölkert, denen abseits der Batman-Reihe ihre Kinderuntauglichkeit durch ein R-Rating bestätigt wurde. Trotz der kommerziellen Erfolge von Darkman (48,9 Millionen Dollar weltweit) und The Crow (144,7 Millionen) vermochte kein Studio, ob mit PG-13 oder R-Rating, ein Äquivalent zu Warners Batman-Reihe aufzubauen. Darkman verschwand im Direct-to-Video-Sektor, während jede Fortsetzung von The Crow im Schatten der Produktionsgeschichte des ersten Teils stand, bei dem Hauptdarsteller Brandon Lee ums Leben gekommen war.

Eine Welt ohne Geglitzer
New Line Cinemas Blade bildete nach den filmemacherischen Einbahnstraßen Spawn, The Phantom und Batman & Robin gleichermaßen Verjüngungskur wie Andeutung eines Übergangs in eine neue Phase superhumaner Heldentaten auf der großen Leinwand. Todernst, rau, ironiebefreit ist der Daywalker, dessen Origin Story sich auf seine blutige Geburt und Kris Kristoffersons expositorische Wundertaten reduziert. Statt eines Love Interests steht dem Daywalker mit Karen Jenson eine Ärztin zur Seite, die ihm die Heilung anbietet. Seine größte psychische Herausforderung bildet nicht etwa Spät-Grunger Deacon Frost, sondern die eigene Mutter. Der im No Nonsense-Modus agierende Wesley Snipes, damals einer der großen Actionstars des amerikanischen Kinos, sorgte mit dafür, dass Blade weltweit 131 Millionen Dollar einspielte. Sind die “Marken” heute vielfach berühmter als ihre Filmgesichter, machte Snipes sich Blade durch seinen Einfluss als Produzent zu eigen. Dabei profitiert Norringtons Film im Vergleich zu Guillermo del Toros Nachfolger vom sich aufs Finale beschränkenden CGI-Einsatz. Die Vampir-gegen-Vampir-Action bleibt weitgehend bodenständig, der selten menschelnde Superheld ist vor allem super darin, mit dem Schwert als Großstadt-Ronin durch Gegnermassen wie Butter zu schneiden. Trotz seines R-Ratings wurde die zweite Marvel-Kinoadaption mit landesweitem Start in den USA der erste erfolgreiche Film des Comic-Hauses, welches den kommenden Boom des Genres dominieren sollte.

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