Fifty Shades of Grey - Eine Romantisierung von Missbrauch statt BDSM

09.02.2018 - 11:15 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Dakota Johnson in Fifty Shades of Grey 3 - Befreite LustUniversal
Dass die Fifty Shades of Grey-Trilogie trotz enormer Popularität für viele Dinge kritisiert wird, ist nichts Neues. Manches machen die Filme jedoch so falsch, dass es gefährlich wird.

Gestern startete mit Fifty Shades of Grey 3 - Befreite Lust der dritte Teil der vieldiskutierten Filmreihe zur Liebesgeschichte zwischen der naiven Studentin Anastasia Steele (Dakota Johnson) und dem mysteriösen Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan), zu deren Erfolg hauptsächlich ein bestimmtes Detail beigetragen hat: Als Christian seine sexuelle Vorliebe für das Spiel mit Dominanz und Unterwerfung mit Ana teilt, beginnt diese, nach und nach (oder eher ganz, ganz plötzlich) in die Welt des BDSM einzutauchen, also sexuelle Praktiken von Fesseln (Bondage) & Disziplin, Dominanz & Unterwerfung (Submission), Sadismus & Masochismus. Das klingt erstmal spannend, dabei ist die Geschichte der beiden eigentlich eine schmerzlich Gewöhnliche: Achtung, Spoiler: Sie verlieben sich, haben ihre Probleme, können diese irgendwie lösen, heiraten und bekommen schließlich ein Kind, Ende. Spoiler Ende. Was eine mutige Darstellung der BDSM-Subkultur hätte sein können, wurde jedoch vor allem von der BDSM-Szene selbst immer wieder stark kritisiert.

Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass Fifty Shades of Grey sich zu einem beispiellosen Phänomen entwickelt hat. Während bereits die Romanvorlage Verkaufsrekorde brach, konnten auch die Filme bisher ausgezeichnete Einspielergebnisse verzeichnen. Mal ganz unabhängig davon, dass sowohl die Bücher als auch die Filme in der Kritik größtenteils verrissen wurden, ist das Franchise trotzdem durchaus relevant. Aufgrund ihrer Reichweite und dem dementsprechend großen Einflusspotential tragen die Filme eine nicht zu vernachlässigende Verantwortung gegenüber der Thematik, die sie repräsentieren und behandeln. In diesem Fall ist das neben der Darstellung einer sexuellen und emotionalen Liebesbeziehung eben vor allem die Präsentation der BDSM-Subkultur.

Das glückliche Paar in Fifty Shades of Grey 3 - Befreite Lust

Christian Grey: Sadist statt Traumprinz

Christian Grey ist eine äußerst interessante Figur. Nicht, weil sie so komplex gezeichnet ist oder auch nur im Entferntesten interessanten Dinge tut oder sagt, sondern viel eher, weil sie so wahnsinnig falsch in Szene gesetzt wird, dass es gefährlich wird. "I'm fifty shades of fucked up", gesteht er Ana irgendwann, und Recht hat er. In Fifty Shades of Grey lernen wir Christian als mysteriösen, gutaussehenden jungen Milliardär kennen, der sich mit außergewöhnlicher Überzeugungskraft und Ausdauer in Anas Leben drängelt. Was in dem Film als leidenschaftlicher Eroberungsversuch inszeniert wird, grenzt eigentlich an Stalking. Beispielsweise taucht er unangekündigt überall auf, wo sie sich aufhält, oder kauft ihr Dinge, die sie eigentlich nicht will. Das alles geschieht ohne ihr Einverständnis und entgegen ihrer Wünsche und kann als Versuch seinerseits gewertet werden, Ana finanziell und sozial von ihm abhängig zu machen. Die Art und Weise, wie er im Laufe des ersten und auch des zweiten Films, Fifty Shades of Grey 2 - Gefährliche Liebe, mit Ana umgeht, ist kontrollierend und geradezu überwachend und entgegen der Darstellung im Film sicher alles andere als romantisch.

Das wohl schlimmste an Christians Figur ist jedoch die Art und Weise, wie er Ana und im Zuge dessen auch den Zuschauer in Fifty Shades of Grey an die Welt des BDSM heranführt. Ziemlich schnell vermittelt er Ana nämlich, dass die beiden nur dann zusammen sein können, wenn sie sich komplett der unterwürfigen Rolle hingibt und Christian vollständig als ihren dominanten Partner akzeptiert. An einer "normalen" Beziehung sei er nicht interessiert. Der unerfahrenen Ana auf diese Weise ein Ultimatum zu stellen, ist nichts anderes als emotionaler Missbrauch. Ein sexuelles Einverständnis unter emotionalem und sexuellem Druck aus einer Machtposition heraus zu erzwingen, führt sicherlich nicht zu einem legitimen sexuellem Einverständnis und hat mit BDSM überhaupt nichts zu tun.

Jamie Dornan als Christian Grey in Fifty Shades of Grey

BDSM: Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen statt Missbrauch

Das ist vor allem im ersten Film ein großes Problem. Aber selbst als Christian im Laufe des zweiten Teils von Fifty Shades of Grey zugibt, eigentlich Sadist zu sein, ändert das nicht wirklich viel an der irreführenden Inszenierung von seiner Figur und von BDSM. Als wir herausfinden, dass er selbst Opfer von Missbrauch war und dass daher sein bindungsgestörtes, sadistisches Verhalten rührt, erfolgt schlicht und einfach eine verallgemeinerte Pathologisierung von BDSM-Praktiken. BDSM wird ausschließlich als Symptom seines Traumas porträtiert und nie als legitime Möglichkeit, gewisse sexuelle Vorlieben verantwortungsbewusst auszuleben. Dadurch setzt der Film jegliche BDSM-Praktiken indirekt mit geschädigtem Sexualverhalten gleich, was der Verantwortung des Franchise gegenüber der Subkultur absolut nicht gerecht wird.

Das Wichtigste an einer gesunden SM-Beziehung ist wohl die offene Kommunikation, nicht nur über Vorlieben, sondern selbstverständlich auch über Gefühle, Wünsche oder Ängste. Der Reiz liegt an dem Spiel mit sexueller Macht, an oberster Stelle steht nicht einfach Schmerz, sondern Ehrlichkeit, Zuneigung und natürlich das Vergnügen auf beiden Seiten. Wie in jeder anderen Beziehung muss eine gegenseitige Vertrauensbasis geschaffen sein, was in Fifty Shades of Grey so überhaupt nicht der Fall ist. Eine sexuell völlig unerfahrene Frau wie Ana mir nichts dir nichts mit einem kompletten "Spielzimmer" zu konfrontieren und sie weiterhin zu einer Zustimmung zu drängen, ist unverantwortlich und dementsprechend eine völlig unauthentische Repräsentation einer normalen und gesunden BDSM-Beziehung . Das heißt selbstverständlich nicht, dass es sowas nicht gibt, derartiges Verhalten wird jedoch von der BDSM-Szene als gefährlich verurteilt. Und wie gesagt: Obwohl eigentlich klargestellt wird, dass Christian ein Sadist ist, scheint dies keine Auswirkungen darauf zu haben, wie der Film in seiner Inszenierung mit BDSM-Praktiken interagiert.

Fifty Shades of Grey 2 - Gefährliche Liebe

Eine gefährliche Romantisierung von Missbrauch und ungesunden Beziehungen

Selbst als die beiden später im zweiten und auch im dritten Teil von Fifty Shades of Grey offener miteinander kommunizieren und sein pathologisches Verhalten durchaus sowohl von Christian selbst als auch von Ana als falsch deklariert wird, steht die Gewichtung dieser Entwicklungen immer noch in keinem Verhältnis zu seinen romantischen Gesten und seiner Zuneigung. Seine Leidenschaft für Ana scheint sein krankhaftes Verhalten schlicht und einfach zu relativieren. Auch die Inszenierung von Ana ist äußerst fragwürdig, da diese die oben beschriebene Problematik nur zu verstärken scheint. Dabei liegt das Problem nicht unbedingt darin, dass sie als abhängige, unselbstständige und hilflose Frau inszeniert wird - sehr wohl macht sie den Mund auf, wenn ihr etwas nicht passt. Es wird allerdings impliziert, dass sie Christian durch ihre bedingungslose Liebe von seinem kranken Verhalten befreien und ihm dabei helfen kann, "normal" zu werden. Darin versteckt sich eine gefährliche Botschaft: Wenn du deinen Partner nur genug liebst und genug für ihn leidest, kannst du ihn heilen, ihn von seinen psychischen Problemen befreien, er kauft dir ein riesiges Haus und ihr lebt glücklich bis ans Ende eurer Tage. So einfach ist das Ganze dann leider doch nicht.

Vielleicht hätten die Filme irgendwie sogar Potential gehabt, interessant zu werden. Nicht, weil das Ausgangsmaterial der Wahnsinn ist, sondern eher, weil die Thematik eines Traumas und dessen Auswirkungen auf die Sexualität einer Figur durchaus vieles hergibt. Auch eine explizite Aufarbeitung ebendieser Thematik hätte so viel spannender sein können als das, was uns die Fifty Shades of Grey-Trilogie gegeben hat. Ganz im Widerspruch zum Titel fehlt der Reihe schlicht und einfach die Grauzone. Es gibt nur die schlimmen Taten und die romantische Leidenschaft, die diese fälschlicherweise zu relativieren versucht, es gibt den gestörten Christian und die "normale" Ana, die ihn durch ein bisschen Widerstand ihrerseits von einem Kindheitstrauma heilen kann. Die ganze Geschichte mit BDSM zu verknüpfen führt dazu, dass sowohl die besagte Subkultur als auch die psychischen Probleme Christians in ein komplett falsches Licht gerückt und letztendlich leidenschaftliche Liebe mit emotionalem Missbrauch verwechselt werden - "fifty shades of fucked up" in der Tat.

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