Vor drei Jahren lehrte uns The Black Phone mit einem klingelnden Telefon das Fürchten. "Der Greifer" (Ethan Hawke) entführte Schüler aus der Nachbarschaft und sperrte sie in einen Keller, wo ihr Tod nur eine Frage der Zeit war. Den 13-jährigen Finney Shaw (Mason Thames) erwählte der maskierte Kidnapper zu seinem neuesten Opfer. Der Junge dachte aber gar nicht daran, sich widerstandslos ermorden zu lassen.
Mithilfe geisterhafter Telefonanrufe voriger Verschleppter konnte Finney (Spoiler für Teil 1) seinen Entführer schließlich besiegen und töten. Doch wer dachte, dass die Geschichte damit zu Ende sei, wird von der Fortsetzung The Black Phone 2 eines Besseren belehrt. Scott Derrickson meldet sich mit einem mitreißend-atmosphärischen Horror-Nachschlag zurück, der als Kinoabstecher auf jeden Fall lohnt.
Horror-Sequel Black Phone 2: Aus der Vorstadt ins Sommercamp
Vier Jahre liegen die Ereignisse des ersten Teils zurück. Traumatisiert ist der mittlerweile 17-jährige Finney von seiner Entführung im Jahr 1982 trotzdem noch. Wenn jemand auf dem Schulhof seinen Status als Serienmörder-Killer anzweifelt, schlägt er zu. Für öffentlich klingelnde Telefone hat er nur einen einzigen Spruch übrig: "Ich kann dir nicht helfen."
Finneys kleine Schwester Gwen (Madeleine McGraw) plagen unterdessen neue Visionen. Grausam zugerichtete Jungen kratzen Botschaften von unten in eine dicke Eisdecke. Die Jugendliche verfolgt die Spur bis ins Sommer-Camp Alpine Lake, wo auch einst die Mutter der Geschwister als Betreuerin gearbeitet hat, bevor sie sich das Leben nahm. Doch im Ferienlager werden Gwen, Finney und Gwens Freund Ernesto (Miguel Mora) eingeschneit und müssen bald feststellen, dass sie nicht allein sind. Denn offenbar hat der Greifer auch aus dem Jenseits noch seine blutigen Finger im Spiel.
Schaut hier den Trailer zu Black Phone 2:
Wo in einem schlechteren Horrorfilm die Rückkehr des Killers von den Toten wie ein Ausverkauf wirken würde, um einen 161-Millionen-US-Dollar-Erfolg (laut Box Office ) um jeden Preis fortsetzen, stürzt sich Black Phone 2 überzeugend selbstbewusst in seine neue Geschichte. Statt sich auf den Lorbeeren des Grusels in Vorstadt-Kellern auszuruhen, entwickelt sich das Sequel mit seinem verschneiten Ortswechsel weiter. Zudem hat es zum Glück auch Neues zu den hinreißenden Figuren zu erzählen, die einst in einer Kurzgeschichte von Stephen Kings Sohn Joe Hill ihren Anfang nahmen.
Gänsehaut im Schneegestöber: Black Phone 2 wirft starke Charaktere in einen zunehmend übernatürlichen Horrorfilm
Dass der gesamte Hauptcast erneut in Black Phone 2 auftritt, ist keine Selbstverständlichkeit in der Horrorfilm-Welt, wo Sequel mit ihren Vorgängern häufig nur den Titel gemeinsam haben. Doch die Rückkehr der Besetzung hilft enorm, nachdem sie schon in Teil 1 perfekt zum Mitfiebern eingeladen hatte. Mason Thames (mittlerweile ein Drachenzähmer) als Finney war damals als Jungdarsteller eine schauspielerische Offenbarung, die noch jüngere Gwen-Darstellerin Madeleine McGraw eine fluchende Naturgewalt. Die zwei bleiben das warm schlagende Herz des eisigen Horrorfilms, wobei das Sequel clever die heimliche Hauptrolle zur Schwester und ihren Visionen verschiebt.
Statt wie Stranger Things zu leugnen, dass die jungen Stars älter geworden sind, nutzt Sinister-Regisseur Scott Derrickson die verstrichene Zeit und hebt seine gruselige Coming-of-Age-Geschichte psychologisch auf ein neues Level. Die überstandene Entführung mag im ersten Film ein gutes Happy End abgeben, im wahren Leben sind betroffene Kinder aber Zeit ihres Lebens davon gezeichnet.
So darf auch Finney zigarettenrauchend an seinen schrecklichen Erfahrungen knabbern und anzweifeln, dass sein Vater (Jeremy Davies) dem Alkohol wirklich abgeschworen hat, während er leicht selbst auf die falsche Bahn geraten könnte. Dass Jungdarsteller Miguel Mora in Teil 1 Finns verstorbenen Freund Robin spielte und jetzt (hinter der Brille kaum erkennbar) als dessen Bruder Ernesto zurückkehrt, entpuppt sich ebenfalls als starke Casting-Entscheidung.
Demián Bichir als Camp-Hausmeister, Aufseherin Mustang (Arianna Rivas) sowie ein bibelfestes Ehepaar (Graham Abbey und Maev Beaty) runden die fantastische Besetzung ab. Wenn schließlich auch ein sichtlich angekohlter Ethan Hawke auf der Bildfläche erscheint, möchte man ihm erneut die Maske herunterreißen. Allerdings nicht mehr, um ihn als Killer zu enttarnen, sondern um herauszufinden, welche Entstellung darunter schlummert ... und warum.
Wenn der Greifer als schlittschuhlaufender Geister-Killer auftritt, klingt das so lächerlich, dass es eigentlich nicht funktionieren sollte ... aber genau das tut es, dank der erstklassigen Spannung und Atmosphäre des Horror-Sequels. Der Anteil des Übernatürlichen steigert sich ganz von geisterhaften Telefonanrufen und Visionen (wie in Teil 1) zu Zwischenreichen und fliegenden Körpern.
Atmosphärisch, brutal und verschachtelt: Black Phone 2 hält sich nicht zurück
Black Phone 2 lässt sich zu Beginn zum Glück Zeit, zurück in die Geschichte zu finden. Auf diese Weise steigert sich die Intensität des Films schrittweise ins fast Unerträgliche. Dem bekannten 70er/80er-Jahre-Look verwaschener Bilder fügt das Sequel nun in Gwens Visionen noch körnige Kameraaufnahmen mit knisternder Tonspur hinzu, die visuell bestechen, während rote Heizdrähte verschneite Holzhütten ausleuchten. Insbesondere die Übergänge von einer Realität in eine andere kommen als Augenschmaus daher und helfen formell zugleich, den Überblick zu bewahren.
Irgendwann hat Gwen Visionen von ihrer verstorbenen Mutter, die wiederum eigenen Zukunftsvisionen nachspürt. Das macht die Fortsetzung deutlich komplexer als den ersten Telefonie-Vertrag. Das Mitdenken lohnt sich aber, weil Black Phone 2 wirklich etwas zu sagen hat.
Teil 1 war nicht zimperlich mit seiner Gewalt, wenn Schüler blutig geschlagen und Kinder ermordet wurden. Teil 2 zieht die Brutalität entsprechend seinen gealterten Figuren aber noch einmal deutlich an. Vor Jason Voorhees blutigem Feriencamp Crystal Lake muss sich Camp Alpine Lake nicht verstecken, wenn Kinderköpfe gespalten und Leichen zerstückelt werden. Trotzdem verweist die entlegene Schnee-Kulisse, Hinweise auf alten Fotos, Kinder mit übernatürlichen Fähigkeiten und fließende Blutströme eher auf Shining als Vorbild, wo hinter dem Horror mehr als der Effekt lauert.
So gelingt Black Phone 2 das große Kunststück, ein starkes Sequels zu einem exzellenten Horror-Vorgänger abzuliefern. Der Grusel mag seine Wählscheibe mit neuer Nummer drehen, aber bei den emotionalen Figuren, der Spannung, die zum Nägelkauen einlädt, und den schaurig-schönen Bildern erhalten wir hier einen gelungenen Nachschlag, dessen Anruf niemand abweisen sollte.
Black Phone 2 startet am 23. Oktober 2025 in den deutschen Kinos.