Though you’re in a house,
Don’t mean its a home,
Though you’re in a crowd,
Doesn’t mean you’re not alone,
Doesn’t mean you’re not alone
„Strangers “ – Mike Rosenberg („Passenger“)
* * *
Selten fühlt man sich anerkannt und gewürdigt, wenn man sich in einer Gruppe von Menschen befindet. Man möchte immer mehr von allem, wenn man auch nur den leisesten Hauch erhält, genügt dies bereits wieder nicht. Besonders deutlich wird die Diskrepanz zwischen Wollen und Bekommen, wenn man in eine Situation gerät wie Bob und Charlotte, jede/r für sich, in der Stadt Tokio. Umgeben von Oberflächlichkeit, Beschleunigung und Substanzlosigkeit finden sich die verlorenen Seelen – die nur als solche zu bezeichnen sind, da der Rest vergessen zu haben scheint, was wichtig, wirklich wichtig, ist.
Ich verstehe in diesem Augenblick „Fernweh“ als etwas essentielles, nicht bloß in der Ausprägung, die man spürt, wenn man sehnsüchtig aus dem Fenster blickt und gerne die Welt bereisen, Menschen und Orte, eben die Welt, sehen möchte. Es ist nicht bloß das, sondern doch noch mehr. „Fernweh“ als Äquivalent zu Sehnsucht, die tief in uns schlummert; die besonders dann ausbricht, wenn wir es gar nicht gebrauchen können. Vielleicht ist sie aber auch so ein zentraler Bestandteil von uns, dass wir uns kaum gegen sie wehren können – und das zu allen Zeiten. Charlotte und Bob lassen sich treiben („floating“ würde ich im englischen benutzen), durch das Hotel, durch Tokio, durch das Leben – dabei entdecken sie sich im Gegenüber selbst wieder, weil der andere (nur zu einem anderen Lebenszeitpunkt) das gleiche zu fühlen scheint; nein, vielmehr noch, sie wissen, dass der andere es ebenfalls fühlt. Sie sind sich bereits ab dem ersten Moment vertraut. Dabei spüren sie die Sehnsucht des anderen und verbinden sie miteinander.
„I just feel so alone, even when I'm surrounded by other people“ sagt Charlotte und spiegelt damit die innere Zerrissenheit eines selbstreflektierenden, postmodernen Menschen wider. Man sehnt sich immer nach einer sozialen Gruppe, von der man verstanden wird, doch findet man sie wohl kaum. Und dann wird man sich selbst in der Menschenmasse fremd – und ebenso einsam, verloren. Nicht nur in der Übersetzung, weil es sich in Tokio um eine andere Sprache handelt – sondern bedeutet das Verloren-Sein hier schon weitaus mehr, bezogen nämlich auf die soziale Interaktion als solches. Kennt ihr das, wenn man zwar von Leuten und manchmal auch Freunden umgeben ist, sich aber so alleine und einsam fühlt, wie man es ohne diese um sich fast gar nicht schaffen könnte? Man fühlt sich praktisch fremd in der Vertrautheit. Es ist so absurd, aber auch so wahr. Dann möchte man eigentlich nur noch weg, bringt es aber nicht über sich. Man kann auch nicht verstehen, weshalb es sich so anfühlt. Genau das zeigt Lost in Translation. Fernweh als Sehnsucht, die so essentiell und tief verankert ist.
Charlotte: I'm stuck. Does it get easier?
Bob: No. Yes. It gets easier.
Charlotte: Oh yeah? Look at you.
Bob: Thanks. The more you know who you are, and what you want, the less you let things upset you.
Charlotte: Yeah. I just don't know what I'm supposed to be, you know.
„Fernweh“ als Sehnsucht nach einer Identität, welche die Dinge überdauern kann. Wir sind alle für immer auf der Suche nach uns selbst, auch wenn man dies als Wohlstandskrankheit erkennen möchte. Doch konstruieren wir unser Selbst dadurch, was wir glauben, zu sein und das muss mit einer Bedeutung verbunden sein, da wir sonst den Sinn darin nicht sehen und daran zerbrechen. Wenn man also nicht denkt, man würde bedeuten, gerät man in den deprimierenden Strudel, aus dem wir uns befreien müssen, bevor wir letztlich fallen.
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Das Thema für den 1. November
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