Jens Albinus begann seine Karriere am Theater Aarhus und an verschiedenen Kopenhagener Schauspielhäusern. Seit 1999 inszeniert er selbst Theaterstücke und war bereits in Lars von Trier s Idioten zu sehen. Dem deutschen Publikum wurde er durch seine Hauptrolle in der Krimi-Reihe Der Adler bekannt. Nun spielt er die Hauptrolle in Matthias Glasner s neuem Film This Is Love.
Wie kam der Kontakt mit Matthias Glasner zustande?
Jens Albinus : Ich kannte ihn nicht persönlich, hatte aber Der freie Wille gesehen, der mir sehr gefallen hat. Matthias Glasner sah mich in The Boss of It All von Lars von Trier und dachte wohl: Der ist das Gesicht für diese Rolle. So ein Typ wäre vielleicht der Richtige. Er hat mir dann einen Brief geschrieben und hat sich etwas später einfach in ein Flugzeug gesetzt und ist nach Dänemark gekommen. Das habe ich noch nie mit einem deutschen Regisseur erlebt! Wir sind einen Nachmittag lang durchs verregnete Kopenhagen spaziert, und irgendwann fragte ich ihn: Wollen wir denn jetzt ein bisschen über deinen neuen Film sprechen? Er wurde ganz verlegen, und sagte: Na ja, weißt du, über meine Filme rede ich nicht so gern. Ich habe sofort gemerkt, dass ich ihn mag, und dass ich mit ihm arbeiten kann! Wir haben dann zuhause bei mir noch wunderbar gegessen, aber immer noch nicht über den Film gesprochen. Ich brachte ihn zurück zum Flughafen, und im letzten Augenblick fragte er mich: Machen wir das denn jetzt? Und ich sagte: Klar!
Was wussten Sie denn zu dem Zeitpunkt von der Rolle des Chris?
Jens Albinus : Ich glaube, ich hatte schon eine frühe Drehbuchfassung gelesen. Ich bin aber nicht gut im Drehbuchlesen, egal in welcher Sprache. Und ich hatte eben einen Eindruck von seiner Arbeit, durch den Freien Willen. Aber ihn persönlich kennen zu lernen, war für mich der entscheidende Punkt. Matthias hatte gesagt, dass die Rolle etwas mit seiner Auffassung von meinem Christopher-Figur zu tun hat, den ich bei Lars von Trier zweimal gespielt habe. Das hat mich überrascht. Mit dieser Idee im Kopf habe ich das Buch gelesen, es war damals noch ziemlich anders, als in der Endfassung, es gab noch viel mehr Elemente drin, von denen ich auch einige merkwürdig fand. Ich mochte das Buch, habe es aber damals ga nicht richtig kapiert.
Sehr viel läuft bei Chris, Ihrem Charakter, innerlich ab, Sie haben quasi wenig Text, aber am meisten zu sagen…
Jens Albinus : Genau. Aber ein Film besteht ja aus viel mehr als nur den Worten, die gesagt werden. Eigentlich ist es ein Konglomerat aus ganz vielen Dingen, wie eine Arbeitsgemeinschaft: Man trifft sich mit dem Regisseur, mit den anderen Schauspielern, und dann entwickelt sich ein Zusammenspiel aus Text und non-verbalen Inhalten, eine gemeinsame Referenz entsteht. Zusammen mit Jürgen Vogel, Corinna Harfouch und Matthias Glasner haben wir eine Art Raum erschaffen, auf den man sich berufen kann. Es gab natürlich auch lange Gespräche zwischen Matthias und mir, aber über den Charakter haben wir ehrlich gesagt wenig gesprochen. Sondern über Schriftsteller, die wir mögen, über Musik, über unser Leben eben.
Wie haben Sie sich der Figur körperlich genähert?
Jens Albinus : Das war das Ergebnis von langen Überlegungen, und viel Arbeit. Die Kostümbildnerin hatte einen extrem wichtigen Anteil. Sehr geduldig hat sie eine Menge unterschiedliche Kostüme mit uns ausprobiert, für eine letztlich ja ganz unauffällig aussehende Figur. Wir mussten ganz genau rausfinden, wie die Kleidung, vor allem die Schuhe, die ich trage, auf die Körperlichkeit der Figur wirken, welchen Einfluss sie haben. Diese klobigen, schweren Schuhe, die ich schließlich anhatte, machen zum Beispiel einen ganz eigenartigen Gang. Schon am Gang erkennt man also etwas von Chris Persönlichkeit.
Im Film geht es ja um eine ungewöhnliche und ungesunde Liebe eines Erwachsenem zu einem Kind. Wie haben Sie sich in das Thema eingearbeitet?
Jens Albinus : Dieses Thema wird ja sonst sehr klischiert dargestellt, nach dem Opfer-Täter-Schema. Aber unserer Meinung geht es bei dem Chris-Charakter vor allem um Einsamkeit. Es war uns sehr wichtig, dass wir nicht einen Pädophilien portraitieren, sondern einen einzelnen Menschen. Es ist mir egal, ob dieser Mensch repräsentativ für eine Gruppe von Menschen ist, denn er hat seinen ganz eigenen Hintergrund, vor allem ist er einsam. Bei ihm hat irgendetwas zu diesen sexuellen Präferenzen geführt. Mir hat gut gefallen, dass auch das Thema Menschenhandel ambivalent dargestellt wird, denn im wirklichen Leben gibt es eben nicht nur schwarz-weiß, sondern sehr viele Grauzonen.
Und was ist das Attraktive an einer so schwierigen Rolle?
Jens Albinus : Die Vielfältigkeit, die Komplexität, dass man viel mit Gesten darstellen, und quasi gegen ein Klischee anspielen muss. Das ist viel attraktiver als eine komplett auserzählte Person.
Und die Zusammenarbeit mit Corinna Harfouch und Jürgen Vogel?
Jens Albinus : War wunderschön. Die beiden haben mich sehr warm willkommen geheißen, von Corinna Harfouch war ich eh schon Fan. Ich hatte sie schon viele Male in der Volksbühne gesehen, und es war eine Freude, sie zu treffen und sogar mit ihr spielen zu dürfen! Und Jürgen Vogel , der ja auch produziert hat, war in seiner Generosität etwas ganz Besonderes. Ein Kollege, mit dem man gar nichts falsch machen kann.
Neben Kino spielen Sie auch viel Theater, inszenieren selbst – kann es Ihnen passieren, dass Sie bei einem Dreh aus Versehen in die Rolle des Regisseurs schlüpfen?
Jens Albinus : Das müsste man eigentlich Matthias fragen – ich würde aber sagen, dass es für mich zwei vollkommen verschiedene Arbeitsformen sind, die sich in meinem Kopf eher selten vermischen. Dazu kommt noch, dass ich speziell bei der Rolle des Chris während des ganzen Drehs ziemlich für mich geblieben bin, sozusagen privat, um eine gewisse Aura mit mir zu tragen. Das war sogar für ganz einfachen Einstellungen so, denn die sind ja im Film oft die schwierigsten. Und letztendlich waren die Kollegen bei This is love alle auf einem sehr hohen Level. Dem hatte ich eh gar nichts hinzuzufügen.
Was mögen Sie am Theater lieber, was am Kino?
Jens Albinus : Wieder muss ich sagen, die Arbeitsformen sind für mich wahnsinnig verschieden. Ich kam eher spät zum Kino, aber sehr früh zur Theater. Theaterarbeit ist für mich vielleicht deswegen so etwas wie Familie. Ich kenne mich da gut aus, ringe viel, fühle mich selten wohl, liebe es aber trotzdem über alles. Über Schauspielerei vor der Kamera kann ich eigentlich immer noch nicht so viel sagen. Ich fühle mich wie ein Gast und versuche, mich einfach dementsprechend zu benehmen.
Mit Material von Kinowelt
This Is Love kommt am 19. November in die Kinos. Mehr Informationen zum Film findet ihr HIER.