In den 1970er Jahren drang sich die Kenntnis auf, dass technischer und wirtschaftlicher Fortschritt nicht mit sozialem und humanem Fortschritt im Einklang vorangehen kann. Doch die Faszination an der Technik und an der Technisierung des menschlichen Leibes blieb weiterhin bestehen und wurde erneut einige Jahre später durch die möglich gewordene Entschlüsselung des Genoms aufgewärmt. Allmachtsfantasien stand scheinbar nichts mehr im Weg und der menschliche Körper als Instrument und Objekt der Verbesserungsmöglichkeiten geriet ins Zentrum der Aufmerksamkeit des modernen Menschen, als die Jahrtausendwende bevorstand. Im abschließenden, sechsten Teil meiner Themenreihe Von Metropolis bis Matrix möchte ich den Bogen zur Gegenwart spannen und unser Superheldentum, sowie die große Technisierungs-Angst im erdgebundenen Science-Fiction-Film näher beleuchten.
Mehr: Teil 1 – Gesellschaftsängste als Science-Fiction-Geschichte
Mehr: Teil 2 – Die Anfänge des dystopischen Sci-Fi-Films
Mehr: Teil 3 – Invastionsfilme & andere Dystopien im Kalten Krieg
Mehr: Teil 4 – Terminator, RoboCop & die Geburt des Cyberpunks
Mehr: Teil 5 – Gentechnik & Simulationen als Horrorvorstellung
Erlebnisaspekt
In der Studie The Experience Economy von B. Joseph Pine und James H. Gilmore über das gegenwärtige Wirtschaftsleben, beschreiben die beiden, dass die Vermarktung von Erlebnissen immer stärker in den Vordergrund gestellt werden würde. Während der Beginn des Marktgeschehens noch vom Handel mit Rohstoffen bestimmt worden wäre, seien später Sach- und Dienstleistungen in den Vordergrund gerückt worden. Heute würden viele jener Leistungen rein unter dem Erlebnisaspekt vermarktet werden. Sach- und Dienstleistungen würden demnach hauptsächlich als Erlebnisvermittlung fungieren. In der nächsten Evolutionsstufe würde sich der Einkauf um die Wandlung des Kunden selbst drehen, der sich seine Veränderung erkaufen wird, um ein anderer sein zu können. Angesichts der steigenden Zahlen von Schönheitsoperationen hat dieser Trend schon vor langer Zeit begonnen.
Düstere Superhelden-Welten
Während die Tendenz und Hoffnung auf ein Dasein als Übermensch durchaus heute schon in den Köpfen vieler Menschen gegeben ist, spiegelt sich eben dieses Verlangen auch in den neuen Science-Fiction-Filmen wider. So steht der Beginn des 21. Jahrhunderts ganz im Zeichen der Superhelden-Filme, die sich jedoch erst durch Christopher Nolans Batman-Trilogie Batman Begins, The Dark Knight und The Dark Knight Rises die nötige Seriosität verschaffen konnten. Nolan warf seinen Helden in eine dystopische Gesellschaft, die sich längst in korrupten Machenschaften verloren hat. Auch die X-Men – Der Film von Bryan Singer leben in einer politisch angespannten Welt, in der eine scharfe Rassentrennung von Mutanten und „normalen“ Menschen vorherrscht und von vielen Politikern aufrecht erhalten werden will. Doch beinahe alle anderen, populären Comic-Adaptionen von Sam Raimis Spider-Man, über Ang Lees Hulk (2003, Regie: Ang Lee), bis hin zu Jon Favreus Iron Man verschreiben sich in unterschiedlichster Qualität der leichten Bekömmlichkeit.
Breit gefächter Sci-Fi-Themen im 21. Jh.
Neben dieser umfassenden Neuentdeckung des Supermenschen und Volksbeschützers finden sich die unterschiedlichsten Themen der letzten Jahrzehnte, mal vereinzelt, mal vereint, in den dystopisch-terrestrischen Science-Fiction-Filmen des 21. Jahrhunderts wieder. Horrorszenarien äußerst realistischer Pandemien in Steven Soderberghs Contagion und Danny Boyles 28 Days Later stehen neben aufwendigen Weltuntergangs-Szenarien wie 2012 von Roland Emmerich. Schief gelaufenen Genexperimenten werden in Paul Verhoevens Hollow Man, Asyl für Aliens in Neill Blomkamps District 9 und technischen Innovationen wie Hilfsroboter in Alex Proyas I, Robot, Zeitreise in Rian Johnsons Looper und Gedankenmanipulation in Nolans Inception erkundet. Weiters finden sich zahlreiche Entwürfe klassischer Dystopien suboptimaler Gesellschaftsformen in beeindruckenden Beispielen wie James McTeigues V wie Vendetta und Alfonso Cuaróns Children of Men.
Cyborgisierung des Menschen
Die voranschreitende Technisierung des Alltags löst, so wie auch vor hundert Jahren, in vielen Menschen zumindest unterbewusst die Angst aus, die Kontrolle zu verlieren über sich und seinen eigenen Körper. Zeitgleich jedoch wird von vielen die Weiterentwicklung des Menschen und seiner Fähigkeiten mit Hilfe der neuesten Technologien verlangt und erhofft. Diese Zwiespältigkeit hat sich bereits in den Motiven des Cyborgs und des Cyberpunks geäußert und scheint auch im 21. Jahrhundert noch ausreichend Stoff für neue Science-Fiction-Film zu bieten. Diese bedienen sich in unserer schnell voranschreitenden Welt stets neuer technischer Motive, wie der Reproduktionstechnologie in The Island oder der Nanotechnologie in Gamer zur Aufbesserung des Menschen. Diese Leistungssteigerung von Individuen wird im Film ebenso spannend verfolgt wie in unserer realen Gesellschaft.