Nach Netflix-Hit: Der neue Thriller des Der Schacht-Machers hat wieder eine grandiose Ausgangsidee

12.12.2024 - 08:03 Uhr
Rich Flu
Leonine
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Der Macher des Netflix-Hits Der Schacht, Galder Gaztelu-Urrutia, hat einen neuen Thriller ins Kino gebracht. Idee und bitterböser Ton von Rich Flu begeistern. Aber eine Sache stört ab Minute 1.

Manche Regisseure können einfach nicht verstecken, wer sie sind. Galder Gaztelu-Urrutia ist so jemand. Der Filmemacher von Der Schacht betrachtet die Menschheit durch ein Kaleidoskop des Ekels und dekliniert dabei gerne die Widerwärtigkeit unserer Spezies genüsslich durch. So ist es bei seinem Netflix-Hit, der das Grauen einer wortwörtlichen Nahrungskette zeigt – und bei seinem neuen Kino-Thriller Rich Flu: Darin erkranken Superreiche an einer mörderischen Epidemie. Das Resultat ist stellenweise sehr unterhaltsam, aber leider immer verwirrend hässlich.

Darum geht's im Thriller Rich Flu von Netflix-Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia

Rich Flu dreht sich um Laura (Mary Elizabeth Winstead), die als Produzentin eines Streaming-Anbieters sehr gut verdient. Als eiskalte Karrieristin ist ihr der Austausch mit ihrem Ex-Mann (Rafe Spall) und der gemeinsamen Tochter (Dixie Egerickx) eher lästig. Eine Beförderung durch ihren exzentrischen Chef (Timothy Spall) genießt sie dagegen sehr. Sie blickt in eine Zukunft voller Wohlstand.

Schaut euch hier den Trailer zu Rich Flu an:

Rich Flu - Trailer (Deutsch) HD
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Bis plötzlich auf der ganzen Welt eine mysteriöse Krankheit ausbricht, die nur Reiche befällt. Erst leuchten ihre Zähne, dann winden sie sich in Zuckungen bis zum Tod. Zumindest, wenn sie ihr Geld nicht schnell loswerden können. Apokalyptische Zustände brechen aus.

Rich Flu hat die Dramaturgie eines Zombie-Thrillers

Gaztelu-Urrutia baut Rich Flu nach dem Muster vieler Zombie- oder Survival-Thriller auf: Das privilegierte, aber nicht unproblematische Leben der Hauptfigur zeigt sich in all seinen Facetten, um dann nach Strich und Faden zerstört zu werden.

Einzelnen Anfällen in der Öffentlichkeit folgen panische Berichte im Fernsehen und schließlich Explosionen und Gewaltakte aus nächster Nähe. Immer steiler verläuft die Abwärtsspirale der Protagonisten, bis sie schließlich mit metaphorischem Nachdruck auf den Bodensatz der Menschlichkeit reduziert werden: Leben von der Hand in den Mund.

Gaztelu-Urrutias Film hat mehrere tolle Ideen

Die Grundidee von Rich Flu, Reichtum zur tödlichen Krankheit zu machen, fördert viele unterhaltsame und manche brillanten Ideen zutage. Gaztelu-Urrutias Thriller funktioniert am besten, wenn sich der Regisseur mit beißendem Spott und bitterbösem Humor auf die Privilegierten stürzt.

Etwa, wenn der bekannte Anblick brennender Autos in den Nachrichten sich als Tat der Reichen entpuppt, die durch Zerstörung ihrer Rolls Royce-Flotte der Krankheit entkommen wollen. Oder wenn Superreiche in ihren Yachten über das Mittelmeer fliehen, weil Europa in der Katastrophe versinkt. Diese Ideen sind nicht für alle Zuschauenden geschmackssicher, aber in jedem Fall effektiv.

Besonders in der Darstellung der Superreichen als Flüchtlinge enthüllt Gaztelu-Urrutia einen moralischen Zeigegestus, der in Teilen echte Schlagkraft besitzt. Laura und ihre Familie erreichen den absoluten Tiefpunkt, an dem ihnen weder Unterkunft noch Verpflegung oder ärztliche Versorgung angeboten werden. Es wird spürbar, wie unfassbar es ist, wenn der eigene Tod andere kalt lässt.

Kamera und Schnitt des Thrillers verwirren Zuschauende

Leider krankt Rich Flu an einem formalen Problem: Die gesamte Geschichte ist ab Minute 1 mit einer seltsam unruhigen und verwirrenden Bildsprache inszeniert. Das mag vielleicht theoretisch klingen, ist es aber ganz und gar nicht.

Wackelige Kamerabewegungen verwässern die emotionale Identifizierung mit den Figuren, chaotisch gesetzte Schnitte deuten Zusammenhänge an, wo keine sind. Ein Beispiel: Während Lauras Vorgesetzter eine Rede hält, schneidet der Film mehrmals zwischen ihr und einem Kollegen als Zuhörenden hin und her.

Dafür gibt es nicht den geringsten Grund. Weder kommunizieren beide untereinander, noch verbindet die beiden eine intimere Ebene, wie etwa ein sexuelles Verhältnis. Nichts rechtfertigt den ständig wiederholten Blickaustausch. Es wirkt eher so, als hätten die Macher Filmmaterial gebraucht, das sie in die Lücken stopfen können, bis mit der Rede der dramaturgische Hauptstrang der Szene zu Ende geht.

Rich Flu sieht langweilig aus und verhindert eine Bindung an die Figuren

An anderen Stellen geht der biedere Stil für Sekundenbruchteile in eine Action-Inszenierung über, in denen plötzlich ganze Kreuzfahrtschiffe in die Luft fliegen. Das erinnert ein wenig an Zack Snyders Einstieg in Dawn of the Dead , aber eben nur für ein paar Sekunden, bis der nächste Schuss-Gegenschuss-Dialog die Rückkehr in blassere Gefilde markiert.

Das Resultat ist entweder verwirrend oder verräterisch. Verräterisch, weil in Reißschwenks und Explosionen die Blockbuster-Ansprüche durchscheinen, die der Rest des Films unmöglich erfüllen kann. Der verwirrende Schnitt dagegen führt schlicht dazu, dass sich das dramaturgische Ungeschick zwischen Publikum und Figuren drängt. Ich kann nicht mitfiebern, wenn Spannung und Mitleid von 1000 Schnitten zerlegt werden.

Wer also die bitterböse Metaphorik von Der Schacht mit einigen tollen neuen Ideen verbunden sehen möchte, kann getrost ins Kino gehen. Eine packende Inszenierung, eloquente Bildsprache und gut aufgebaute Figuren sucht man in der Superreichen-Pandemie aber vergeblich.

Rich Flu läuft seit dem 12. Dezember 2024 in deutschen Kinos.

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