Netflix-Nutzer im Visier: Große Attacke auf Passwort-Teilen geplant

05.11.2019 - 18:45 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
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Was jahrelang durchgewunken wurde, soll schon bald schwieriger werden. Die Weitergabe von Zugangsdaten bei Streaming-Diensten wie Netflix. Wir erklären, was passieren kann.

Unter Netflix-Nutzern ist es das Normalste der Welt: Die Zugangsdaten zum Netflix-Account werden an Bekannte, Verwandte, Mitbewohner oder auch vollkommen Fremde weitergerecht. Eine kleine Gefälligkeit unter Freunden eben, denn wer streamt schon den ganzen Tag über? Bei 4 gleichzeitig nutzbaren Konten kommen sich selbst 8 potentielle Nutzer mit unterschiedlichen Tagesabläufen selten mal in die Quere.

  • Kurz erklärt: Was ist Passwort-Sharing? Darunter fallen wohl zwei Praktiken. Das Premium-Abo von Netflix etwa beinhaltet 4 Accounts, auf denen gleichzeitig geschaut werden kann. Dazu berechtigt sind aber nur Personen, die im selben Haushalt wohnen. Die Mitglieder einer Vierer-WG dürfen sich diesen Account teilen, aber nicht 4 Geschwister, die über Deutschland verteilt wohnen. So kommt es tausendfach vor.
  • Theoretisch kann der Halter eines Netflix-Abos aber natürlich seine Zugangsdaten an unendlich viele Freunde, Verwandte und selbst flüchtige Bekannte weitergeben. Auf diese Art des Passwort-Teilens zielen die Beschränkungen schon eher ab.

Netflix ignorierte diese Praktik bisher, obwohl die Nutzer sie offen auslebten, der Social Media-Account macht nicht selten selber Witze über Passwort-teilende User. Anfang des Jahres erregte dann ein Bericht Aufsehen: Es werde eine Technik entwickelt, die unrechtmäßige Nutzer fremder Konten ermittelt.

Passwort teilen mit Netflix: Das Ende der Unschuld

Netflix mag Passwort-Teilen geduldet haben, solange der Markt der Streaming-Anbieter überschaubar war. HBO betrachtete es gar als willkommene Werbung, der Netflix-Gründer meinte noch vor wenigen Jahren resigniert, Passwort-teilen sei "etwas, womit wir leben müssen." Diese laxe Haltung ändert sich spätestens in diesem Jahr. Streaming-Dienste wie Disney+ und AppleTVPlus stürmen auf die Spielfläche.

Es wird enger hier, der einzelne Kunde wird wertvoller und jeder Nutzer, der ein Passwort unrechtmäßig mitnutzt, ist ein verlorener Kunde. Beziehungsweise ein potentieller Neukunde, sofern es einen Weg gäbe, ihn davon abzuhalten.

Nach diesem Weg suchen Netflix, Amazon und Warner nun, wie der Hollywood Reporter  schreibt.

Anti-Passwort-Teilen: Was genau passiert gerade?

Die großen Studios und Streaming-Firmen betrachten dem Bericht zufolge Passwort-Sharing als die neue Form der Filmpiraterie und arbeiten an Gegenmaßnahmen. Im Mittelpunkt der Attacke auf Passwort-Sharing steht die ACE, die Alliance for Creativity and Entertainment. Der ACE gehören Netflix, Warner und Amazon sowie kleinere Firmen wie AMC (Heimat von The Walking Dead und Breaking Bad) und viele weitere Entertainment-Riesen an.

BoJack Horseman

Die ACE hat vor wenigen Tagen eine Arbeitsgruppe zusammengestellt, die sich einzig und allein der Bekämpfung von "nicht autorisiertem Zugang zu Content" sowie "nicht autorisiertem Passwort-Teilen" verschreibt. "Unzulässiges Passwort-Teilen" wurde als Hauptsorge der Organisation genannt.

Was sind die Maßnahmen?

Konkrete Aktionen gehen aus dem Bericht nicht hervor. Die Rede ist von "Best Practices", an denen gearbeitet wird. Die Arbeitsgruppe testet also, was für den Kunden zumutbar ist und gleichzeitig spürbare Ergebnisse für die Unternehmen bringen kann.

Denn die Verluste sind enorm: Gerade die offene Abo-Struktur von Netflix verführt zum Passwort-Teilen, das von 14 Prozent aller Nutzer wahrgenommen wird (bei Amazon sind es nur 6 Prozent). Insgesamt "leiht" sich mehr als ein Fünftel aller jungen Erwachsenen Streaming-Passwörter von Personen, mit denen sie nicht zusammenwohnen, so der Hollywood Reporter.

Was bedeutet das alles?

Zunächst mal: Netflix, Amazon und die neuen Dienste haben Passwort-Teilen jetzt auf dem Schirm, sie nehmen es wahr als potentielles Umsatzleck, das geschlossen werden muss. Aber durch verschärfte Regeln entstehen neue Unschärfen. Wo ziehen die Streaming-Dienste die Grenze?

Eine härtere Ermittlung von Passwort-Missbrauch über den Aufenthaltsort erscheint unsinnig. Streaming steht ja gerade für den nicht ortgebundenen Konsum von Filmen und Serien. Ein Kontrollverfahren, das Wohn- und/oder Verwandschaftsverhältnisse ermittelt, würde früher oder später mit Datenschutzregelungen kollidieren und klingt außerdem wahnsinnig bürokratisch.

Wir müssen uns in der Zukunft zwar auf größere Hürden einstellen. Eine harte Durchsetzung neuer Regelungen ist aber nicht erwartbar. Netflix, Amazon und Co. wollen ihre Kunden sicher nicht wegen einer Praktik kriminalisieren, die jahrelang geduldet wurde. Zudem sollte die Anmeldung bei Amazon ja nicht so frustrierend werden wie die Anmeldung einer Wohnung im Bürgeramt.

Vielmehr ist mit Vorbeugetechniken zu rechnen, aus denen sich wiederum Techniken entwickeln, die die Schutztechniken umschiffen. Es wird alles etwas komplizierter. Die neue Streaming-Welt ist kein Ponyhof mehr.

Neu: Die besten Netflix-Tipps gibt's im Moviepilot-Podcast

In der 3. Folge von Streamgestöber diskutieren Andrea, Matthias und Max die bahnbrechendste Serie bei Netflix: Pose. Außerdem prüfen sie den Hype um die Makeover-Sendung Queer Eye und geben Streaming-Tipps für's Wochenende.

Teilt ihr Passwörter oder kennt ihr Leute, die es tun? Wir fragen für einen Freund.

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