Papa auf Probe - ein Warnzeichen für den Verstand

08.11.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Papa auf Probe
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Ach ja, die Männer und die Frauen, ohne widerspenstige Zähmungen geht’s halt einfach nicht bei der ARD Degeto. Papa auf Probe, Mutter am Herd. Und die wöchentliche Geschlechterkomödie im Ersten, garantiert hirnverbrannt.

„Es gibt zwei Arten von Männern: Tiger und Pinguine. Echte Männer sind wie Tiger. Ein Tiger ist wild, hat Sex und dann jagt er weiter durch den Dschungel. Pinguine dagegen watscheln an der Seite der Gattin treu durchs Leben und gehen früh ins Bett mit einer warmen Milch. Familie ist was für Pinguine, so wie Plattfüße, Dreiliterautos oder Plüschsofas.“

Wenn ein Protagonist mit genau diesen Worten eingeführt wird, ist die Lust natürlich kaum noch zu bändigen, sich ihm nun 90 Minuten lang auszusetzen. Logisch, dass Moritz Kaiser (Pasquale Aleardi) ein Tiger ist. Und noch logischer, dass er im Verlauf dieses Films selbstverständlich auch ein bisschen zum Pinguin werden muss. Vom schlimmen Arschloch zum nicht mehr ganz so schlimmen Arschloch, via Läuterung und Selbstfindung, humorvoll aufbereitet, damit die doch nur hinterrücks vollzogene Bestätigung des Bestehenden etwas schmerzfreier anmutet. Es gibt, im Wesentlichen, zwei Sorten Fernsehfilm in der ARD: das Befindlichkeitsdrama und die Geschlechterkomödie. Papa auf Probe ist in diesem Jahr das, grob geschätzt, einhundertste Beispiel für letzteres. Ein Warnzeichen, wieder einmal, für den Verstand, den Geist und das astreine Konzept, solchen grenzüberschreitenden Blödsinn mitfinanzieren zu müssen.

Moritz Kaiser also, ein Lebemann, ein Womanizer, ein Erfolgsmensch. Chauvinistisch, das selbstverständlich schon auch, aber immerhin: gut aussehend. Sagen zumindest die Frauen im Film. In Minute drei gleich, als Moritz sein Stammcafé besucht. „Der hat den süßesten Arsch“, findet Verkäuferin Simay (Jale Arikan), auch wenn Kollegin Nina (Tanja Wedhorn) prompt korrigieren muss: „Der Süße ist ein Arsch.“. Selbst die Mitarbeiterinnen des Möbeldesigners befinden einstimmig: „Was für ein Arschloch“, aber eben eines „mit einem süßen Hintern“. Tja, so sind sie halt, die Arschlöcher. Gemein, aber eigentlich zum kuscheln niedlich. Das ist das eigentlich abstoßende an solcherlei Misogynie in Film und Fernsehen: Dass es die Frauen selbst sind, auf die das Drehbuch den vermeintlich humorvollen Sexismus abwälzt. Indem sie offensives Machoverhalten mit kleinen, vermeintlich selbstbewussten Sprüchchen kontern, um es damit überhaupt erst zu legitimieren, um den Chauviarsch liebenswerter erscheinen zu lassen, als er ist. Diese falsch verstandene Gleichberechtigung, ein feminismusfeindliches Manöver letztlich, stärkt nur die ungleichen Verhältnisse, schlimmstenfalls noch mit abschwächend-seichtem Humor untersetzt.

Nun muss sich – und wie oft, das frage ich mich wirklich, kann ein ARD-Publikum das vor der Glotze denn noch ertragen? – hier alles um eine widerspenstige Zähmung drehen. Moritz, für den Familie, eh klar, Pinguinsache ist, wird sich noch zügig eine ebensolche wünschen. Nachdem sein Chef ihn feuert, weil der Draufgänger mit dessen Ehefrau schlief („Ich konnte doch der Frau des Chefs nichts abschlagen, das war ein Zeichen von Respekt“), heuert er bei einem Öko-Möbelhersteller an. Das gibt dem Film einerseits Gelegenheit, in sein grandios-scharfzüngiges Spaß-Skript auch illustre Schelten gegen alternative Lebensentwürfe einzubinden, und kurbelt andererseits die ungeheure Dynamik der Handlung an. Denn im Restaurant Sonnenhof, wo freilich nur Tofu serviert wird, sind familienlose Mitarbeiter nicht gern gesehen. Und wie auch schon Haushälterin Uschi (Marie Gruber) unserem Moritz – bezeichnenderweise während des Aufräumens seiner Wohnung – predigte („Kaiser, dir fehlt ’ne richtige Frau.“), muss er sich nun ein bisschen ins „Pinguinland“ vorwagen. Den Job hat er schnell, die Familie noch nicht.

Praktisch also, dass die alleinerziehende zweifache Mutter Nina, jene bereits erwähnte Verkäuferin aus Moritz’ Stammcafé, zu pleite ist, um das erniedrigende Angebot des Design-Dandys ablehnen zu können: „Hören sie zu, ich möchte sie mieten!“. Ein Papa auf Probe eben, aber auch die Geschichte einer funktionalisierten Mutter. Und Frau, was hier indes zweitrangig ist, versteht sich. Nina jedenfalls spielt beim Chefessen ganz vorbildlich die Ehefrau, ihre Kinder Max (Tom Hoßbach) und Jule (Camares Amonat) haben ebenfalls kein Problem mit dem Arrangement. Und weil Moritz ja doch irgendwie ganz knuffig ist, finden sowohl er als auch die Mietfamilie bald ehrlich Gefallen aneinander. Im harmlosen, noch einmal gesondert langweiligen Mittelteil verschlägt es die Truppe in ein Wellness-Hotel, das alle gekauften durch wahre Gefühle zu ersetzen scheint. Der kleine Max ist begeistert vom Stiefdaddy und „Manga-Girl“ Jule war sowieso immer der Meinung, dass Mutti einen richtigen Mann brauche.

Da die so falsche wie todnervige Betulichkeitssoße aber noch eine halbe Stunde länger angerührt werden muss, um auf 90 gemütliche Fernsehminuten zu kommen, wandelt sich die Familienkomödie noch zum handfesten Liebesdrama. Nina weiß einfach nicht so recht, ob sie wirklich bereit ist, ein solches Arschloch in ihr Leben zu lassen. Und dann kommt es richtig dicke: Der kleine Max wird auf dem Sportplatz verprügelt und schafft es gerade noch, seinen liebgewonnenen Neupapa davon mit dem Handy in Kenntnis zu setzen. Hilfe benötigt auch Jule, die von der Polizei nach Hause gebracht wird. Ohne Moritz also geht gar nichts mehr, wie hat Nina das alles nur bisher ohne ihn meistern können. Das Fazit dieses ganz und gar nicht künstlich in die Länge gezogenen Schlussteils ist eindeutig: Eine Familie braucht einen Vater, eine Frau braucht einen Mann, ein Kind braucht eine männliche Bezugsperson – ganz gleich, ob diese Person nun Pinguin oder Tiger ist. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch in der nächsten ARD-Geschlechterkomödie. „Es gibt zwei Arten von Männern. Die, die von sich meinen, dass sie Tiger sind. Und die, die es wirklich sind.“

Papa auf Probe. Freitag, 8. November um 20:15 Uhr in der ARD.


Als Mr. Vincent Vega meint es Rajko Burchardt seit Jahren gut mit den Menschen. Wenn er nicht gerade auf moviepilot fern sieht oder seine Filmecke pflegt, schreibt er Kinokritiken und zwitschert auch gelegentlich vor sich hin. Die Spielwiese des Bayerischen Rundfunks nannte ihn “einen der bekanntesten Entertainment-Blogger Deutschlands”. Das fand er interessant.

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