Salt and Fire oder: Ist Veronica Ferres eine gute Schauspielerin?

11.10.2016 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Salt and Fire: Michael Shannon und Veronica FerresCamino
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Veronica Ferres hat mit Werner Herzog den zwischen peinlich und wunderschön navigierenden Salt and Fire gedreht, der wiederum etwas mit der Gross Out-Komödie The Greasy Strangler gemein hat. Tipp: Es ist nicht Veronica Ferres.

Besser als jeder Film, den ich bisher beim Festival des fantastischen Films in Sitges gesehen habe, ist der Festival-Vorspann. Bei der Berlinale sinken die Sternchen wie Schneeflocken herab und formen einen goldenen Bären. In Cannes führt einen Camille Saint-Saëns Das Aquarium über eine Treppe zu den Sternen. Sitges bereitet sich auf einen Monster-Angriff vor. Der Riesengorilla ist das Festival-Emblem und er watet in dem animierten Schwarz-Weiß-Clip durchs Meer auf die Stadt zu. Die Silhouette der Kirche Sant Bartomeu i Santa Tecla zeichnet sich an der Küste ab. Ein paar Doppeldeckerflugzeuge nehmen die Bestie ins Visier, doch die zermalmt sie mit ihren Fäusten. Das Publikum klatscht verlässlich an dieser Stelle. Ein monsterfreundlicheres Fleckchen Erde als dieses Sitges im Oktober wird auf der Welt schwer aufzutreiben sein. Hier begegnen einem bei hellichtem Tage frisch geschminkte Zombies, denen Gehirnmasse aus dem Schädel trieft. Hier prüfen Eltern und Kinder neugierig Stände, die Ilsa, She Wolf of the SS-T-Shirts und Cthulhu-Plüschtiere verkaufen, in denen ein einsamer Minion zwischen den Plastik-Horrorgestalten aus Hellraiser - Das Tor zur Hölle, Freitag der 13. und My Little Pony auf einen neuen Besitzer wartet. Sitges empfängt das Abseitige mit offenen, haarigen, leicht vermoderten Armen, ob es nun ein neuer Werner Herzog-Film mit Veronica Ferres namens Salt and Fire ist, oder die Ekelkomödie The Greasy Strangler.

Salt and Fire

In Salt and Fire gibt es eine Szene gleich am Anfang, in deren Kontext die kommende Mixtur aus Holzfäller-Schauspiel und traumhafter Versenkung in den Kosmos ansatzweise erklärt werden kann (ob sie Erklärung benötigt, liegt wie bei jedem Film in der Verantwortung des Zuschauers). Veronica Ferres' UN-Gesandte Laura sitzt in der ersten Klasse eines Flugzeugs. Neben ihr die Kollegen von den Vereinten Nationen (Gael García Bernal als stereotyp-schmieriger Latin Lover, Volker Michalowski als dessen Gegenteil). Eine Stewardess verteilt Wasser und Champagner. Das Flugzeug-Set wirkt fake, vielleicht weil es durch die freimütig herumschwebende Kamera auffällig groß erscheint, zu geräumig. In der Reihe hinter der UN-Delegation sitzt Regisseur Werner Herzog, erleuchtet durch eine Leselampe, während die Komparsen rechts und links neben ihm im Dunkel schlummern. Bei der Imdb wird Herzog als "Man with one story" geführt, was entweder ein Witz ist, den nur drei Leute im Schneideraum kapieren, ein ironischer Kommentar zu Herzogs Filmografie, Hirngespinst eines Imdb-Users oder Hinweis auf eine geschnittene Szene. Herzogs markante Stimme hören wir in Salt and Fire jedenfalls nicht. Er sitzt im Lichtschein, schläft und verschwindet. Ab diesem Moment ist Autor-Regisseur Herzog präsent in einem Film, der in den kommenden Minuten wohl nur durch die Annahme seiner wachsamen Augen, seiner künstlerischen Intention ertragen werden kann. Salt and Fire fährt schließlich erst einmal schreckliche Dialoge auf, welche die Story in etwa so feinsinnig vorbereiten wie eine Wikipedia-Inhaltsangabe.

Das Drehbuch von Salt and Fire zeigt keinerlei Mitleid für die Hauptdarsteller, allen voran Veronica Ferres, die sich in ihrer Karriere nicht gerade als naturalistisches Schauspielgenie hervorgetan hat. Ferres ist eine durchaus kompetente Darstellerin in überzeichneten Komödien und Melodramen, kann oder will sie einen ihren Status als Star des hiesigen Kinos doch nicht vergessen lassen. Die Ferres ist immer die Ferres und ab und zu ist das auch gut so. In Verbindung mit englischen Dialogen ergibt das allerdings einen tonalen Pressholz-Cocktail, der gehört werden muss, um zu glauben, dass jemand am Set die Szenen durchgewunken hat. Der Herzog-erfahrene Michael Shannon gibt den Entführer der drei UN-Vertreter mit der ganzen Überzeugung eines Laiendarstellers, der eine Rolle in Shakespeare in the Park gewonnen hat. Was ihm gelegen kommt, sobald sich das Drehbuch auf Laura und Matt (Shannon) konzentriert. Sie die Wissenschaftlerin, er der auf Entführungen umsattelnde CEO eines "Konsortiums", das an gigantischen Umweltzerstörungen in Lateinamerika beteiligt ist. Matt will Lauras Perspektive auf die Schäden verändern, redet von anamorphen Fresken im römischen Konvent Trinità Dei Monti, deren Motiv sich verwandelt, je weiter man den Gang entlang läuft. Um diesem Beispiel zu folgen, setzt Matt Laura schließlich auf einer Insel in einem riesigen Salzmeer aus.

An Matt, der ohne Unterlass hochtrabende Aphorismen ausspuckt, läst sich studieren, wie sich Michael Shannon den Stimmungsschwankungen jüngerer Herzog-Filme anschmiegt. Wir nehmen Shannon das Gelaber ab, denn Shannon nimmt sich ernst, aber nicht so ernst. Eben wie Herzog, dessen ökologisches Gewissen in Salt and Fire durchscheint. Der aber auch den theoretischen Physiker Lawrence Krauss als Dr. Strangelove-Enkel besetzt, der mit Maschinengewehr und Ski-Maske durch die Hacienda der Entführer rollt und Bonmots raushaut wie: "I only use the wheelchair when I'm tired of life."

The Greasy Strangler

Eine Figur wie Krauss würde sich in The Greasy Strangler wohlfühlen, sofern das für irgendjemanden - fiktiv oder real - möglich ist. Ähnlich wie Salt and Fire mit seinen starren Dialogen arbeitet der Festivalbeitrag von Jim Hosking aktiv mit der Irritation. 93 Minuten lang wird eine groteske Idee nach der anderen vorgeführt, als quälten sich die Autoren von Little Britain in einem drittklassigen Motel in Los Angeles durch einen Fiebertraum. Darin schmiert sich Big Ronnie (Michael St. Michaels) nachts mit ein paar Litern Bratfett ein, um Leute zu erwürgen, deren herauspoppende Augäpfel zu verspeisen und anschließend in einer Waschanlage jede seiner Körperöffnungen so richtig durchputzen zu lassen. Sohnemann Big Brayden (Sky Elobar) mag des Vaters Sucht nach fetttriefenden Würstchen noch nicht mit der Mordserie in Verbindung bringen. Seine aufkeimende Beziehung zu Janet (Elizabeth De Razzo) fordert allerdings die väterliche Eifersucht heraus.

Je nach Toleranz des Zuschauers für Furz-Kommunikation, Brüche mit der sozialen Norm und grässlich pinke Disco-Klamotten stellt sich The Greasy Strangler als großer Spaß, unterbrochen von gelegentlichen Würgereflexen, heraus. Oder aber als Exorzismus des guten Geschmacks, der nur existiert, um in jeder Szene Linda Blair gleich das Gesicht des Zuschauers im Strahl vollzukotzen. Meine Reaktion war erstere, wenn auch der Zwang sich zu toppen mit steigender Laufzeit Abnutzungserscheinungen zeitigt. Betrachtet The Greasy Strangler lieber als Frederick Wisemans Two and a Half Men und alles wird Sinn ergeben (Bullshit!).

Die Künstlichkeit der Dialoge, Figuren und Augäpfel präzisiert in The Greasy Strangler den komischen Effekt. Bei Werner Herzogs Salt and Fire scheint sie Lauras erzwungenen Perspektivwechsel vorzubereiten. So zumindest eine Deutung. Die haarsträubenden Dialoge schwinden, sobald sie in der Salzwüste feststeckt. Im Zusammenspiel mit den dort zurückgebliebenen Kindern zeigt sogar Veronica Ferres eine gewisse Natürlichkeit. Hier entwickeln Hauptdarstellerin und Film Leben. Nicole Kidman überbrückte die Diskrepanzen der herzogschen Vision in Königin der Wüste bedeutend souveräner. Allerdings ist Salt and Fire eine hinsichtlich Format, Budget und Geschichte kleinere Affäre. Je weniger geredet wird, je mehr Laura in der von Menschenhand zerstörten Natur aufgeht, desto dankbarer versinkt der Blick im Weiß der Wüste und der Unendlichkeit des Sternenhimmels. Ohne das Korsett der ersten Hälfte würde der Perspektivwechsel der zweiten weniger befreiend wirken - auf Laura und natürlich uns. Matts Strategie geht auf. Herzogs anscheinend auch. In diesem Sinne ist Veronica Ferres eine "gute Schauspielerin". Selbst wenn ihr Spiel Schmerzen bereitet.

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