Sternstunde der Kampfkunst - Ashes of Time Redux

17.09.2009 - 12:04 Uhr
Wong Kar Wais Schwertkämpferepos Ashes of Time widerfährt 15 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung späte Gerechtigkeit mit einer internationalen Kinoauswertung.

1994 gehörte Kar Wai Wong schon zu den wichtigeren Regisseuren Hongkongs. Bevor er mit Charakter- und Gesellschaftsstudien wie Chungking Express, Happy Together oder In the Mood for Love – Der Klang der Liebe zum Liebling des internationalen Arthouse-Publikums wurde, drehte Kar Wai Wong mit Ashes of Time einen klassischen “Wuxia”, wie chinesische Schwertkämpferepen fachlich korrekt bezeichnet werden.

Der episodenhaft angelegte und mitunter ins Surreale driftende Film rund um einen gebrochenen Mann, der in der Einöde der chinesischen Wüste ein Wirtshaus betreibt, das als Agentur für Auftragskiller fungiert, kam damals im Westen so gut wie nirgends in die Kinos und war bestenfalls als Videofassung zu haben, die den von Kameramann Christopher Doyle fotografierten Film nicht im mindesten gerecht wurde. Heute, fünfzehn Jahre später, erfährt Ashes of Time mit dem Zusatz Redux endlich eine internationale Kinoauswertung. Die Farben strahlen in digital gemastertem Glanz, und Kar Wai Wong hat einige Handlungsstränge neu geschnitten, um die Erzählung verständlicher zu gestalten.

“Warum kam der Film 1994 nicht gleich ins Kino?” fragt Rüdiger Suchsland in der Berliner Morgenpost und gibt auch gleich die Antwort: “Seinerzeit war das asiatische Kino noch neu, im Genrekino waren allenfalls die Hongkong-Gangsterballette eines John Woo hoffähig. Bei ‘Kampfkunst’ dagegen dachte man – lange vor Tiger & Dragon – an ‘Easter’ und schmuddelige Bahnhofskinos der 70er. Hier nun ist alles anders: Die Frauen sind stark und gleichberechtigt: Kämpferinnen, wie wir sie aus dem asiatischen Kino erwarten. Und das, was vor und nach der Action passiert, ist im Zweifel wichtiger als diese selbst: Wie im Italowestern, wie im Samurai-Film, wie bei Kitano. Ein Actionfilm über Nichtaction. Reiner Zen.”

Vollkommen euphorisch stellt Bert Rebhandl für die Berliner Zeitung fest, dass Ashes of Time: Redux “nun noch deutlicher als absoluter Meilenstein in der Geschichte des Martial-Arts-Genres erkennbar wird, wegweisend auch angesichts der Tatsache, dass einige Jahre nach der Premiere von Wongs Film eine große Renaissance dieser historischen Kostümfilme einsetzte, mit Welterfolgen wie Crouching Tiger, Hidden Dragon oder House of the Flying Daggers.”

Daniel Kothenschulte von der Frankfurter Rundschau sieht die neue Fassung ambivalent: "Selbst das an verwegene Handlungen gewöhnte Hongkonger Martial-Arts-Publikum muss Schwierigkeiten gehabt haben, Ashes of Time zu folgen. Nun ist dieser rätselhafte Phönix einer längst untergegangenen Filmkultur wieder auferstanden aus der Asche seiner Zeit. Kar Wai Wong hat ihn allerdings vor allem am Anfang und Ende umgeschnitten, um das Verständnis zu erleichtern. Dabei leuchten die Farben durch Nachkolorierung irrealer und vielleicht auch schöner als zuvor, aber gemeinsam mit der neuen Filmmusik wirkt er aus seiner Entstehungszeit entrückt. Statt des unbefangenen, elektronischen Pop-Soundtracks, der so typisch ist für die Blütezeit des Hongkong-Kinos, spielt nun Yo-Yo Ma ein gediegenes Cello.

Anke Leweke gerät in der taz ins wehmütige Schwadronieren: “Auch wenn Kar Wai Wong wie gewohnt mit Wiederholungen arbeitet, scheint das einzelne Bild hier nicht mehr die Zeit aufhalten, die Gefühle festhalten zu wollen. Die nachträglichen Kolorierungen führen zur Überstilisierung, herbstlich goldgelb leuchtet dieser Film und lässt am Ende wunderschön kitschig Pfirsichbäume erblühen. Auch wenn sie ihren Schmerz noch im Gepäck hat, begibt sich Wong Kar Wais gestörte Seele dann auf Wanderschaft.”

Hier der Trailer zu Ashes of Time:

Ashes of Time: Redux startet heute in den deutschen Kinos. Wo erfahrt ihr in unserem Kinoprogramm

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