Tatort Kritik - Schmutziger Donnerstag in Luzern

10.02.2013 - 22:26 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Tatort - Schmutziger Donnerstag
SWR/SRF
Tatort - Schmutziger Donnerstag
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Der beste Schweizer Tatort seit langem (oder überhaupt?) martert den sonst so standhaften Reto Flückiger mit einem tot geglaubten Mörder und dem chaotischen Treiben der Fasnacht.

Die Schweizer Ermittler aus Luzern mussten schon so manchen Verriss und/oder Witz über sich ergehen lassen. Unter der Regie von Dani Levy (Alles auf Zucker!) laufen Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) allerdings zu Höchstform auf. Der neue Tatort aus Luzern kämpft zwar mit einem weit hergeholten Plot, wiegt diesen allerdings mit einer ordentlichen Dosis morbiden Fasnachtsfiebers und einer Prise Humor auf. Von Tatort: Schmutziger Donnerstag sollten die künftigen Schweizer Fälle lernen.

Lokalkolorit: Wenn einem Karneval, Fasching und so weiter grundsätzlich suspekt sind, dann könnte die Luzerner Fasnacht, wie wir sie in Tatort – Schmutziger Donnerstag kennenlernen, zum reinsten Albtraum verkommen. Ich jedenfalls kann Reto Flückiger absolut verstehen, der vor dem Trubel lieber auf sein Boot flüchtet. Die ganze Stadt wird von verkleideten Gestalten überfallen, zwischen den historischen Gemäuern herrscht ein ausgelassenes buntes Chaos, das von jetzt auf gleich ins Bedrohliche umschlagen kann. So hört dann auch kaum einer die Hilferufe eines jungen Mannes, vor dessen Füßen Franz Schäublin (Peter Hottinger) verblutet. Umso krasser ist der Kontrast, als wir zum ersten Mal das Haus des Täters betreten, in dessen Wohnzimmer schwarz und weiß dominieren und ein Jesus-Gemälde samt Kreuz das unbehagliche Heim schmückt.

Plot: Ein Beamter des Bauamts wird mitten in den feiernden Massen erstochen. Schon bald steht fest, dass der Saubermann ein Doppelleben führte und kurz vor seinem Tod eine junge Frau vergewaltigt hat. Der Verdacht aber wandert weiter zur ‘Zunft der Wächter am Pilatus’, deren einflussreiche Mitglieder sich Aufträge zuschustern. Irgendjemand ermordet Schritt für Schritt die hohen Tiere des Vereins, doch dessen Vorsitzende denken gar nicht daran, der Polizei zu helfen. Klarheit bringt erst die Spur eines Selbstmörders, der quicklebendig als E.T. durch die Luzerner Unterwelt streift.

Unterhaltung: Obwohl der Täter überraschend schnell feststeht, entwickelt Tatort – Schmutziger Donnerstag seinen Unterhaltungswert aus den Skurrilitäten, die sich auf der Suche nach ihm ergeben. Partymuffel Reto muss ganz besonders viel einstecken. Der aufgekratzte Polizist wird auf der Straße von feiernden Weibern überfallen, führt Gespräche mit E.T., dem Außerirdischen, und wird zu guter Letzt auch noch unter Drogen gesetzt. Kein Wunder, dass er sich mit den Kollegen anlegt und die Dienstbesprechungen meist in Gezeter enden. Das nervt zuweilen, löst sich aber schon in den nächsten Szenen in Wohlgefallen auf, wenn betrunkenes Geflügel im Gang des Reviers nächtigt oder der fabelhafte Peter Zumstein als Martin Steiner eine Verkleidung nach der anderen überwirft. Läuft der Plot gegen Ende etwas aus dem (Glaubwürdigkeits-) Ruder, so betört der Tatort von Dani Levy mit einer Verspieltheit, wie wir sie noch nie von den Schweizern zu sehen bekommen haben.

Tiefgang: Tatort – Schmutziger Donnerstag steht ganz im Zeichen von Doppelleben (was an einer Stelle auch ausbuchstabiert wird) und vielleicht ist es gerade deswegen der bodenständige, in sich ruhende Reto Flückiger, der am meisten an dem Fall leidet. Während Reto kaum ein Privatleben abseits der Arbeit vorweisen kann, ergibt sich Liz ganz den Verlockungen der Fasnacht, inklusive Kater am nächsten Tag. Täter Steiner führt das Motiv der Verkleidungen hingegen auf die Spitze, wandelt er sich doch vom Familienvater, der seinen drogensüchtigen Sohn als Geheimnis vor der Zunft versteckt, zum Racheengel, der als Tod, Narr und Engel verkleidet durch die Straßen Luzerns zieht und jene erdolcht, die ihm einst die Hilfe verweigerten.

Mord des Sonntags: Inmitten der Menge rammt der Tod Franz Schäublin den Dolch in die Brust.

Zitat des Sonntags: “Lügen ist nicht ihre Stärke.”

Ein überraschend guter Tatort aus Luzern war das oder was denkt ihr?

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