The Walking Dead - Staffel 8, Folge 8: R.I.P.

12.12.2017 - 10:20 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
This is the end.AMC
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Wir sind heute hier versammelt, um The Walking Dead zu Grabe zu tragen. Früh verstorben und dann seit mehreren Staffeln wie das Seriensujet ziellos umher gewandert, verfängt sich die Serie in einem verzweifelten und offenbaren Akt der Ziellosigkeit, der das Ende der Serie einläuten sollte.

Ich frage mich häufig, wie es überhaupt zu diesem Punkt kommen konnte.

The Walking Dead ist einer der erfolgreichsten Comics überhaupt. Robert Kirkman hatte bereits mehrere Storylines vorgeschrieben, die eine Staffelprogression vorgeben, die sich andere Showrunner erst mühselig erarbeiten müssen. Die Serie startete inmitten des großen Zombie-Hypes. Im Unterschied zu einem kurzen Film hat eine serielle Narration dazu den Vorteil, alle Facetten des Genres zeigen zu können. Dazu befindet sich die Serie in guter Gesellschaft. The Walking Dead läuft auf dem gleichen Sender wie Serien, die dem Golden Age of TV die Krone aufsetzen.

Zombie-Fans sind an und für sich wenig anspruchsvoll und erfreuen sich schon an wenigen Happen Story, die ihnen neben viel Gore auf den Teller kommen. Höchsten Ansprüchen muss die Serie also nicht nacheifern. Vor und hinter der Kamera findet sich Engagement und Interesse. Ein erfolgreicher Regisseur hat aufrichtige Leidenschaft für den Stoff und möchte ihn mit seinem Cast umsetzen, der ihm vertraut und freundschaftlich beisteht.

Bei solchen Voraussetzungen ist es nicht verwunderlich, wieso die Serie ein solcher Hit wurde. Und trotzdem frage ich mich nach dieser Folge, wie es überhaupt zu diesem Punkt kommen konnte. Ich frage mich, wieso The Walking Dead so schlecht ist. Wieso die Serie scheinbar versucht, ihre eigenen Tiefpunkte (eine Auswahl fällt schwer, aber mit dem Dumpstergate oder dem Cliffhanger der 6. Staffel nenne ich mal zwei der Greatest Hits) ständig zu untergraben. Das soll nicht heißen, dass The Walking Dead nicht imstande ist, einzelne, gute Episoden abzuliefern. Es geht vielmehr um strukturelle Fehlentscheidungen mit immensen Konsequenzen, deren Motivation jegliche Begründung vermissen lässt.

Und dann gibt mir der Episodenteil die Antwort: "How it’s Gotta Be" – "Wie es sein muss."

The Walking Dead

Die Figuren sind dort, wo der Plot sie haben will

Anscheinend muss es so sein. Warum auch immer. Wegen AMC? Wegen der Produzenten? Wegen Robert Kirkmans Abgang und Klage gegen AMC? Erhofft man sich durch den Schock der Zuschauer eine langfristige Bindung, um die sinkenden Quoten zu retten? Viele Fragen, keine Antworten.

Es gibt vieles, das man in dieser Episode kritisieren könnte. Die Liste ist lang, nichts macht Sinn. Man könnte nur den Staffelauftakt und das Midseason-Finale sehen und wäre trotzdem kein Stück dümmer. Da wäre dazu der Fakt, dass die The Walking Dead-Episode in vielen Momenten so dunkel war, dass man kaum etwas erkennen konnte oder das Mysterium, dass Ezekiel plötzlich wieder problemlos laufen kann. Simon lässt Maggie einfach weiterfahren. Wieso wollte Rick eigentlich wieder zurück zur Müllfrau? Was erhoffen sich Enid und Aaron wirklich bei den Frauen am Atlantik? Wie entkamen Negan und seine Leute? Wieso hat er ein scheinbar nie endendes Repertoire an Männern und Ressourcen? Wieso muss Ricks Gruppe alles gefühlte zehn Folgen lang planen, während Negan plötzlich sofort wieder machtvoll auftreten darf, wenn das Skript danach verlangt? Natürlich ist all das völlig bewusst vage gehalten, sodass im Falle des Falles die notwendigen Handlungen vollzogen werden können. Doch das macht es nicht besser. Alles ist erzwungen, nichts wird durch die Charaktere bestimmt. Die Figuren sind dort, wo der Plot sie haben muss. Und dann sterben sie. Das ist The Walking Dead.

All das ist mir aber egal.

Ich möchte nur über Carls Tod reden. Carl Grimes (Chandler Riggs) im All Out War-Arc der Serie sterben zu lassen ist schlichtweg verrückt. Carl ist das Herzstück des nächsten Comic-Arcs, der bei dem aktuellen Tempo der Serie locker zwei Staffeln ausgemacht hätte. Dazu hätte man Chandler Riggs Alterungsprozess endlich kanonisch einbinden können, kommt nach dem Kriegsende mit Negan doch anscheinend ein Zeitsprung.

The Walking Dead ist die Geschichte von Carl Grimes

Doch die Unlogik dieses Gewaltakts geht weiter. Robert Kirkman hat mehrfach betont, dass The Walking Dead die Geschichte von Carl Grimes ist. Die Geschichte dreht sich um den Wiederaufbau der Zivilisation aus der Perspektive eines Menschen, der sie selbst nie wirklich miterlebt hat. Die sich daraus ergebenden Fehler oder Neuinterpretationen des neuen Systems werden dann erforscht und umgekehrt wird Carl als Vertreter dieser neuen Generation stellvertretend analysiert. Wenn eine Figur jemals Plot-Armor hatte, dann er. Aber eben aus gutem Grund.

Bitte versteht mich nicht falsch. Es geht hier nicht um die Schmerzen eines enttäuschten Comic-Fans, der die Adaption seines Lieblingscomics nicht mag. Nein, es handelt sich schlicht um einen Angriff auf die Plotstruktur, das Skelett der gesamten Erzählung. Der gesamte Sinn dieser Erzählung ist mit Carls Tod dahin. Es ist als wäre Jon Snow in der 2. Staffel von Game of Thrones gestorben – und tot geblieben.

Ich frage mich häufig, wie es überhaupt zu diesem Punkt kommen konnte.

The Walking Dead

Einfache Antworten lassen sich nicht finden. Auch weil viele der Beweggründe wie so oft nicht der Geschichte, sondern den Szenen hinter den Kulissen zuzuschreiben sind. Chandler Riggs scheint in einem Emoticon auf Reddit  seinen Unmut ausdrücken zu wollen, wie mit seiner Figur umgegangen wurde. Sein Vater findet stärkere Worte, spricht AMC und Showrunner Scott M. Gimple das Misstrauen aus. Sein Sohn habe erst die Zusage für drei weitere Staffeln erhalten und sich ein Haus gekauft, dann wurde seine Figur kurz vor dem Dreh des Finales getötet. Carl war auch Teil des Flashforwards zu Beginn der Staffel. Handelt es sich hier um eine klassische Irreführung des Zuschauers oder um eine Drehbuchänderung in letzter Minute? Die Quoten von The Walking Dead sind im Vergleich zu anderen AMC-Serien immer noch enorm hoch, doch im serieninternen Vergleich bereits seit Beginn der 7. Staffel im freien Fall. Das perfide Spiel mit der Leidenschaft des Zuschauers um Negans mysteriösen Mord war einfach zu viel für eine große Masse der Zuschauer. Sie schalteten noch einmal ein, um herauszufinden wen es traf, und dann für immer ab.

The Walking Dead ist endgültig gestorben

Wieso also musste Carl sterben? In einer Nachricht an die Moderatoren eines Spoiler-Forums  bat Chandler Riggs darum, mögliche Spoiler bitte frühzeitig zu löschen. Ihm und der Crew liege viel daran, dass die Fans erst bei der Ausstrahlung von Carls tödlichem Biss erfahren. Schließlich handle es sich um eine der letzten Staffeln, sagt Chandler. Könnte dem wirklich so sein? Auch um Andrew Lincoln ranken sich seit einigen Jahren Gerüchte der Walker-Müdigkeit. Dass die Serie nie den gesamten Comic umsetzen würde, war trotz der von AMC-Produzenten angestrebten drölfzehn Staffeln nie wahrscheinlich. Und dennoch wäre immerhin ein offenes Ende mit einem erfahreneren Carl, der sich um seine kleine Schwester kümmern wird, denkbar gewesen.

The Walking Dead

Carl sterben zu lassen fügt weder dem Comic noch der Serie etwas hinzu. Wir wissen, wie ruchlos und verrückt Rick werden kann. Wir haben es schon so oft gesehen. In die Richtung soll es aber sowieso nicht gehen. Scott Gimple sagte in Talking Dead, dass mit Carl zwar das passieren werde, was mit allen Opfern einer solchen Attacke geschieht, aber aktuell sei Carl noch am Leben und er hätte noch eine wichtige Rolle. Comic-Fans wissen sicherlich, worauf er anspielt. Aber hätte da nicht auch jemand anderes sterben können? Morgan? Daryl? Jede/r andere? Sechs Episoden lang werden lächerlich geschriebene Moralkonflikte ausgetragen, nur damit im Midseason-Finale glasklar die Figur dann später auch ins Gras beißt, die kurz Bedenken äußert. Alles ist vorhersehbar. Wer nach acht Staffeln die formelhafte Struktur, die Antithese zum eigentlichen Thema und Genre, einer Walking Dead Staffel nicht erkennen kann, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Die Showrunner und Produzenten sind entweder faul oder dumm oder vielleicht auch beides. The Walking Dead war tot und ist nun dennoch endgültig gestorben. Manchmal braucht es zwei Schläge, um sicherzugehen.

Die 8. Staffel von The Walking Dead wird Sonntags in den USA auf AMC ausgestrahlt und ist hierzulande auf FOX zu sehen. Wer noch mehr über den Staffelauftakt erfahren will, kann heute um 18:00 Uhr bei unserem Livestream auf YouTube vorbeischauen.

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