Versaut das Fernsehen das Kino, fragt sich heute Klaus Raab in der taz. Die Frage ist nicht neu, aber zum Kinostart von Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe kocht das Thema wieder hoch: Wie groß darf der Einfluss des deutschen Fernsehens auf das Kino sein? Gibt es Unterschiede zwischen der großen und der kleinen Leinwand? Und was bedeutend ein Amphibienfilm für den Zuschauer?
Der Begriff Amphibienfilm stammt aus den 1970er Jahren, wurde vom Produzenten Günter Rohrbach geprägt und meint einen Film, der gleichzeitig für Fernsehen und fürs Kino produziert wird. Rohrbach ist auch als Aufsichtsratmitglied der Constantin Film AG fleißig dabei, den Begriff mit Inhalt zu füllen. Die Constantin-Produktionen Der Untergang von Oliver Hirschbiegel, Der Baader Meinhof Komplex von Uli Edel, Anonyma – Eine Frau in Berlin von Max Färberböck sind so entstanden. Regisseur Volker Schlöndorff wurde im Sommer von der Constantin rausgeworfen, als er eben diese Arbeitsweise – TV und Kino gleichzeitig gerecht zu werden – bei der Arbeit an dem Film Die Päpstin kritisierte.
Das aktuelle Beispiel Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe ist bis dato der teuerste der Amphibienfilm: 16 Millionen Euro hat der Film gekostet. Schon in der Länge ist er auf die zweifache Auswertung angelegt: 150 Minuten im Kino, 2 × 90 Minuten im Fernsehen. Als Fernsehfilm lässt sich der Film international viel besser verkaufen; und bei der Mehrfachauswertung ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen ganz vorn dabei. Die Koproduzenten von Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe sind der WDR, der BR, der NDR, der SWR und Arte. Die Frage ist natürlich: Schadet es der Qualität?
Da streiten sich die Geister. Wie Kameramann Gernot Roll in der taz" meint: “Blödsinn: Fernsehen wird mit der gleichen Akribie und der gleichen Hingabe gemacht wie Kino … Es ist ja nicht so, dass die Teile, die exklusiv fürs Fernsehen entstehen, billiger gemacht werden.” Volker Schlöndorff sah das im Sommer allerdings ganz anders: “Auch epische Kinospielfilme drängen darauf, knapp erzählt zu werden. Wenn man das Drehmaterial aber wegen der folgenden Fernsehfassung auf die doppelte Länge aufblasen müsse, dann sei man, weil das Budget sich ja keineswegs ebenfalls verdoppele, als Regisseur ‘zum Schludern gezwungen’. Zudem wollten die Produzenten ‘wie Staubsauger’ sowieso bloß ‘alle Töpfe leeren’: Die Filmproduzenten schielten auf die höheren Lizenzerlöse von Mehrteilern, die Fernsehmacher dagegen wollten vor allem die ursprünglich fürs Kino gedachten Filmförder-Millionen abschöpfen.” (Tagesspiegel)
Ein jeder finde seine eigene Position zu diesem Streit, aber Fakt ist: Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe, der morgen in den Kinos startet, ist bei den Kritikern nicht gut weggekommen. Für Andreas Kilb in der FAZ will der Regisseur “nicht mehr, als einem alten Buch ein neues Kleid aus Bildern zu schneidern. Für den Fernsehregisseur, der er nicht mehr sein möchte, ist das genug, für einen Stammplatz im deutschen Kino ist es zu wenig.” Und Markus Stöhr von der Zeit bringt es auf den Punkt: “Die Adaption zeigt, wie langweilig Literatur in Filmform sein kann … Eine auf ihre Wendepunkte filetierte Geschichte, ein bisschen Gefühlsdrama, ein bisschen Wirtschaftskrimi, alles auf den größten gemeinsamen Nenner des idealen Durchschnittszuschauers nivelliert. So wird die Fernsehcouch zum Kinosessel und der Kinosessel zur Fernsehcouch. Mit einer selbstbewussten, mit ihren genuin filmischen Möglichkeiten wuchernden Literaturadaption hat das wenig zu tun.”