Vom Überwinden der Liebe

03.10.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Magst du... Ananas?Arthaus/moviepilot
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Vom Chungking Express, der Liebe und der Einsamkeit, erzählt unser Kommentar der Woche, all denen, die Wong Kar-Wai noch nicht kennen - aber unbedingt kennenlernen sollten!

Im Kommentar der Woche stellen wir euch jede Woche einen ganz besonderen Kommentar vor, der sich bisher irgendwo auf moviepilot und gamespilot versteckt gehalten hat. Ihr könnt jeden Kommentar vorschlagen, ganz gleich ob zu Film, Serien, Game, News oder Person - oder sogar einen Gästebucheintrag! Hauptsache, ihr sagt uns Bescheid, solltet ihr einmal über so eine kleine Besonderheit gestolpert sein!

Der Kommentar der Woche
Wong Kar-Wais Filme sind ein wenig wie Emotionen: Wir können sie umschreiben, vergleichen... Aber wie Liebe erlebt werden muss, muss auch ein Film wie Chungking Express gesehen werden, denn Beschreiben allein reicht nicht - weder für den Film selbst, noch für Nonkonformists Kommentar:

Als ich gerade im prasselnden Regen mitten durch die von Pfützen geprägten Straßen joggte um diesem schrecklichen Samstag zu entfliehen, fühlte ich mich wie der Polizist in Chungking Express der aus Liebeskummer durch die Nacht sprintet, in der Überzeugung nicht weinen zu können, wenn er nur genug schwitzt. Vielleicht war es bei mir die Intention, dass niemand meine Tränen sehen könne, wenn ohnehin mein ganzer Körper von Wassermassen gezeichnet sein würde.

Manchmal, wenn ich verträumt bin, spüre ich eine enge Beziehung zu diesen in ihrer Einsamkeit versunkenen Menschen in Wong Kar-Wais Werken. Wie sehr nur liebe ich die Verträumtheit, wenn nasse Handtücher nicht als nass, sondern nur als traurig empfunden, und fast aufgebrauchte Seifen nicht als fast aufgebraucht, sondern als plötzlich auf ihre Figur achtend betrachtet werden, und überschwemmte Wohnungen Folge starker emotionaler Schwankung des eigenen Heims sind. Klar mögen solche Szenen naiv und kindisch wirken, doch spiegelt die verspielte Naivität die Vereinsamung der Charaktere doch auf wunderbar unverkopfte Weise wieder.

Wenn Gegenstände menschlich und zu plötzlichen Vertrauten werden, man in ihnen seine eigenen Emotionen sieht und feststellt, dass man immer und überall so ein wenig von seinen Träumen übermannt wird, dann ist man wohl da angekommen, wo sich Faye und die beiden Polizisten in diesem so wunderschönen Film längst befinden: Man badet in Melancholie, hört stundenlang die selben, immer eingängigeren Songs und wandert durch die farbenfrohen Silhouetten auch nachts nie ruhender Straßen.

Nichts in Chungking Express wirkt als wolle dort irgendwer stringent eine Geschichte erzählen, nichts als gäbe es eine Allgemeingültigkeit im Umgang mit Einsamkeit, viel mehr wird durch ein bewusst auf Emotionen abzielendes Kaleidoskop aus bunten Farben und einer immer präsenten Melancholie das Stimmungsbad der von Liebeskummer Geprägten eingefangen und ihre Gefühlslage widergespiegelt. Deutlich wird dies in Momenten, in denen verzweifelt auch nur irgendwelche Gesprächspartner gesucht, oder dreißig Dosen Anananas gegessen werden, einfach weil der ehemalige Partner sie so sehr liebte.

Versunken wirken sie in ihrer eigenen kleinen Welt, inmitten vieler anderer, parallel nebenher existierender Seelen, oft nur verbunden durch wenige Sekunden andauernde Augenblicke des Augenkontakts als einzige emotionale Fahrt in Richtung Zweisamkeit. Doch wenn das Gefühl der Einsamkeit auch mit einem anderen Menschen an der Seite überwiegt, dann wird klar, dass nicht Liebe erkundet, sondern Liebeskummer und Einsamkeit überwunden werden soll.

Vielleicht gelingt es ja indem man joggen geht, wer weiß das schon.

Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier.

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