Warum euch Filmkritik nicht egal sein sollte

21.05.2014 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Anton Ego
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Wenn es der Filmkritik schlecht geht, ist auch filmkritisches Denken bedroht. Hat Filmkritik überhaupt noch eine Relevanz, wenn sie sich dem Mainstream anbiedert? Und geht dieses Thema nur die Autoren oder nicht sogar alle Filmfreunde etwas an?

Über Filmkritik gibt es derart viele Auffassungen, dass einem schon etwas schwindelig werden kann. Ihre gut 100-jährige Geschichte, die wahrscheinlich erst da interessant wird, wo Filmkritik ins Spannungsfeld philosophischer Auslegung gerät, scheint von ebenso vielen Namen wie kulturpolitischen Orientierungsversuchen bestimmt. Filmkritik ist nicht zwangsläufig unverzichtbar, aber sie ist für das Kino auch nicht ohne weiteres entbehrlich.

Das vielleicht prominenteste und zugleich anschaulichste Beispiel ihrer komplexen filmgeschichtlichen Wechselbeziehungen, die Nouvelle Vague, zeigte eindrücklich, wie Filmkritik ein besseres Kino – und dieses Kino auch eine bessere Filmkritik – zu inspirieren vermochte. Aber hat Filmkritik heute überhaupt noch eine Relevanz? Nicht nur für die so fleißig geführten Diskurse und Auseinandersetzungen über sie, sondern für ihre Konsumenten und Mitgestalter, für die Filmkritik auch filmkritisches Denken bedeutet?

Deshalb sagt doch mal, welche Relevanz Filmkritik für euch hat.
In den Kulturressorts der Tageszeitungen und Magazine zumindest ist es um sie nicht gut bestellt. Christoph Egger nahm den (unter anderem) mit der Entwicklung des Internets verbundenen Rückgang klassischer Filmkritik 2009 zum Anlass, ihren Bedeutungsverlust sowohl an der massenhaften Entlassung entsprechender Redakteure in den USA als auch einer inhaltlichen Durchmischung von Filmkritik und Filmberichterstattung nachzuweisen. Er verkündete, merklich resigniert, gleich einen Abschied von der Filmkritik.

Damit spielte er vielleicht auch ungewollt den schon 1990 geäußerten Bedenken von Norbert Grob und Karl Prümm zu, die in ihren Positionen und Kontroversen befürchteten, Filmkritik problematisiere sich heute nicht mehr selbst, sei gefällig und gewöhnlich, schreibe sich gar automatisch weiter. Zur Not dann eben auch, wie es nunmehr weit verbreitet der Fall ist, in Form bloßer Inhaltsabrisse mit Pünktchenvergabe, Drehberichten, Interviews, Presseheftabschriften und ein wenig Red-Carpet-Glamour. Die normierte, wirkungslose Filmkritik, sie schien sich in dieser Angst bereits abzuzeichnen.

Aber kümmert euch das überhaupt?
Sehr oft schon habe ich gehört und gelesen, Filmkritik sei allein deshalb überflüssig, weil sie – egal wie informativ, analytisch scharf oder wohlfein formuliert sie auch sein mag – subjektive Meinungen allgemeingültig ausgebe. Doch natürlich ist kein Werturteil objektiv, wie sollte das auch gehen. Filmkritik führt zu einem großen Missverständnis, und daran hat ihre Normierung und Mutlosigkeit auch gehörig Anteil, wenn sie lediglich als Empfehlung, Richtungsvorgabe, Meinungsdiktat verstanden wird. Das ist (bestenfalls) weder ihr Anspruch noch kann es in irgendeiner Form sinnvoll sein.

Filmkritik ermuntert zur Auseinandersetzung, nicht dazu, sich diese zu ersparen. Sie vermittelt gleichermaßen Sichtweisen ihres Verfassers, wie sie etwas über das Werk und dessen Zusammenhänge vermittelt, sie ist so anregend wie kommunikativ, vor allem darin, Perspektiven zu vereinbaren, die des Autors und die seines Lesers, und immer gerät darüber der Film selbst in den Mittelpunkt. Filmkritik kann den Finger dort hinlegen, wo es wehtut. Aber viel mehr noch kann sie das Kino bestärken. Um Bewusstsein werben, Konventionen überwinden, das Kino sogar gegen sein Publikum verteidigen und vice versa. Filmkritik ist, was man mit ihr anstellt.

Also lasst uns doch was mit ihr anstellen.
Denn sie ist kein Service. Keine Einbahnstraße, auf der sich irgendeine beliebige Meinung in den eigenen Bedeutungsverlust bewegt. Zwar kann Filmkritik durchaus ein Wegweiser sein, eine Orientierungshilfe im Angebotsdschungel, aber das ist nicht gerade der interessanteste Umgang mit ihr, möchte ich behaupten. Wer Filmkritik nur als Barometer versteht, bringt sich um Spaß, Erkenntnis, Beschäftigung. Als könne mir ein Autor sagen, ob mir ein Film gefallen wird. Oder als wolle er das überhaupt.

Schließlich geht es um ein Medium, um fließende Grenzen, unterschiedliche Wahrnehmungen, vielfältige Betrachtungsweisen. Von denen eine Filmkritik auch eben genau lediglich eine solche ist, kein Ratgeber, kein Geschmacksbeistand, erst recht kein Meinungsrichter. Viel eher schon: eine Diskussionsplattform, wie immer sie diese auch nutzen mag. Und genau darin schließlich ein Diskursanstifter. Ein Instrument, das dem Kino inspirierende Töne entlockt.

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