We live in public - mit facebook, Twitter und moviepilot

25.08.2009 - 12:25 Uhr
We live in Public
Interloper Films
We live in Public
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Die Dokumentation We Live in Public von Ondi Timoner zeigt die Höhepunkte des Josh Harris, einem visionären Internet-Pioneer, den erstaunlicherweise niemand kennt.

Vielleicht ist es der Drang, wahrgenommen zu werden, vielleicht ist es auch einfach nur pure Naivität: Wir nutzen täglich facebook, twittern Tweets auf Twitter, veröffentlichen selbstgemachte Musik auf MySpace und verraten unseren Filmgeschmack auf moviepilot, tauschen Meinungen aus und markieren Kommentare, die uns besonders gut gefallen, damit andere wissen, dass sie uns besonders gut gefallen. Wir leben so öffentlich, wie es vor vielen Jahren wohl niemand wirklich ahnen konnte. Der Drang, sich mitzuteilen und die Illusion, mit Menschen vernetzter zu sein als zuvor, als es die ganzen sozialen Netzwerke nicht gab, steigt von Jahr zu Jahr; inzwischen greifen wir zu iPhones und anderen mobilen Geräten, um von unterwegs Fotos hochzuladen und Gedanken loszuwerden: Verbinden. Teilen. Freunde machen. Scheinbar das Credo der jüngsten Generation; wann auch immer sie gestartet ist und wo auch immer sie ihr Ende finden wird.

Josh Harris, der Hauptdarsteller der neuesten Dokumentation von Ondi Timoner (u.a. DiG!), hat das vor vielen Jahren schon mehr oder weniger vorausgesehen. Er hat das menschliche Bedürfnis, sich öffentlich machen zu wollen, erkannt und für seine Projekte ausgenutzt. Harris, so Timoner, sei der größte Internetpionier, den keiner kennt. Und tatsächlich hat der Mann einiges getan, das rückblickend fast schon erschreckend visionär gewesen ist.

Er verdiente Millionen mit seinem Online-Forschungsunternehmen und gründete darauf Pseudo.com, eine Art Internet-Fernsehstudio, die von 1993-2000 lebte, bis die dot.com-Blase so spektakulär geplatzt ist, dass sie unzählige Unternehmen in den Bankrott trieb. Bekannt – und kontrovers diskutiert – wurde er allerdings für seine vielen Kunstprojekte. Eines davon nannte sich Quiet: We Live In Public: 100 Künstler lud er in einen New Yorker Bunker ein, 30 Tage sollten sie miteinander leben und dabei gefilmt werden. Dabei waren die Kameras überall, haben sowohl das Schlafen, als auch den Beischlaf gefilmt, das Zähneputzen und das Scheißen; Abgründe wurden sichtbar, vor allem bei der Nutzung der Schießanlage, die ihnen genauso kostenlos zur Verfügung stand wie das Essen und die Räumlichkeiten. Das ständige Bewusstsein darüber, von Kameras beobachtet zu werden, hat das Leben der Künstler verändert und vor allem ihre Art, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Als das alles allerdings zu brenzlig wurde und erste Gewalttaten zutage traten, wurde das Projekt von der FEMA (Federal Emergency Management Agency), die dem Heimatschutzministerium unterliegt, dicht gemacht.

Harris ging allerdings nach dieser Erfahrung einen Schritt weiter: Er überzeugte seine Freundin, jede Ecke ihres gemeinsames Appartements mit Kameras zu bestücken und ihr Leben sechs Monate lang in das Internet zu übertragen. Und während das in den Anfangszeiten gut ging und von ihm und seiner Freundin mit einem guten Schuss Humor akzeptiert wurde, uferte das Leben vor den Kameras aus. Kleinere Streitigkeiten hatten größere Effekte als sie es unter „normalen“ Bedingungen gehabt hätten, ein Privatleben war natürlich so gut wie nicht existent, das zuerst noch freudig ausgerufene „We live in public!“ änderte sich dramatisch in eine traurige Feststellung, die sowohl seine, als auch die Psyche seiner Freundin entschieden prägte.

We live in Public ist nicht nur eine Dokumentation über den Menschen Josh Harris, sondern auch über das menschliche Bedürfnis, sich um jeden Preis präsentieren zu wollen und die daraus resultierenden Katastrophen, die so selbstzerstörerisch sind, dass sie (zumindest in den Bildern des unter eingebundenen Trailers) fast schon apokalyptisch wirken. Harris: „Löwen und Tiger waren die Könige des Dschungels. Und eines Tages landeten sie in den Zoos. Ich befürchte, wir befinden uns auf demselben Weg.“

Zu We live in Public gibt es ein neues Poster, das Twitter-Meldungen prominent präsentiert. Außerdem haben wir auch einen rund vierminütigen Trailer, den Ihr Euch nicht entgehen lassen solltet. Ob und wann der Film in die deutschen Kinos kommt, steht noch nicht fest.


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