Wes Anderson über Der Phönizische Meisterstreich, Bill Murray als Gott und seinen nächsten "Hitchcock"-Film

31.05.2025 - 10:00 Uhr
Der Phönizische Meisterstreich
Universal
Der Phönizische Meisterstreich
0
0
Wes Andersons neues Agentenabenteuer Der Phönizische Meisterstreich hat die deutschen Kinos erreicht. Zum Start hat Moviepilot den Regisseur mit den Stars Bill Murray und Richard Ayoade in Berlin getroffen.

Nachdem Der Phönizische Meisterstreich von Wes Anderson seine große Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes gefeiert hat, ist der Film am 29. Mai 2025 in den deutschen Kinos eingetroffen. Das Agentenabenteuer entspinnt die Geschichte um einen hartgesottenen Geschäftsmann (Benicio del Toro), der nach mehreren überlebten Attentaten beschließt, sein Erbe an seine Tochter Liesl (Mia Threapleton) zu übertragen – aber nicht, bevor er einen letzten großen Coup wagt.

Bei der Deutschlandpremiere in Berlin hatte Moviepilot gemeinsam mit vier weiteren Medien die Möglichkeit, mit Wes Anderson bei einem Roundtable-Interview zu sprechen. Der Regisseur brachte zu diesem Anlass seine beiden Stars Bill Murray und Richard Ayoade mit, die ebenfalls das Wort ergriffen. Dabei erklärte Anderson, was ihn zu Der Phönizische Meisterstreich inspiriert hat, wie er an das Casting seiner Stars herangeht und ob er sich je vorstellen könnte, einen Film ohne seine unverkennbare Handschrift zu machen.

Sehen die Filme in deiner Vorstellung immer so aus wie das Endprodukt?

Wes Anderson: Nein. Wenn ich den Film mache und ich die Aufnahmen sehe, bin ich immer überrascht. Selbst wenn ich durch die Kamera gucke und wir das alles geplant haben. Welche Chemie all diese Elemente am Set haben, ist im Schneideraum eine völlig andere Erfahrung, wenn man dabei zusieht, wie die Sache langsam zum Leben erwacht: “Das haben wir geschafft?”

Du bist selbst Vater einer neunjährigen Tochter. Hat diese Beziehung das Thema von Der Phönizische Meisterstreich beeinflusst? Der Film kommt weniger pessimistisch rüber als viele deiner vorherigen Filme.

Wes Anderson: Ja, am Anfang haben wir uns etwas unglaublich Dunkles vorgestellt und irgendwie ist es das nicht geworden. Darüber haben [Drehbuchautor] Roman Coppola und ich diskutiert, als wir die Figur eingeführt haben. Das mochten wir an ihr. Aber irgendwo in der DNA des Films wollten wir, dass es etwas anderes wird.

Wird es jemals ein Schwester Liesl-Spin-off geben? Wie habt ihr diese großartige Figur geschaffen? Was war ihre Inspiration?

Wes Anderson: Ich habe noch nie ein Sequel gemacht. Da müsste ich drüber nachdenken. Ich könnte so viele Sequels machen. Ich liebe, was Mia Threapleton mit der Figur gemacht hat. Sie war, glaube ich, vorher noch nie in einem Film und sie musste sich stark gegen Benicio del Toro behaupten, der nicht gerade wie ein Gänseblümchen aussieht. Ich glaube nicht, dass man im Kino ein Gesicht findet, das einschüchternder als Benicios ist.

In ihrer Performance wirkt Mia komplett unbeeindruckt, aber so ist sie im echten Leben nicht. Es waren ihre eigenen Entscheidungen und ihre Instinkte als Schauspielerin, die diese Performance ausgemacht haben. Alle aus unserem Team waren von ihr beeindruckt. Aber was das Sequel angeht, denke ich zumindest an einen Kurzfilm. Vielleicht ein Langfilm.

Wenn du die Figuren für deine Filme kreierst, hast du dann schon immer bestimmte Schauspieler:innen im Kopf, die die Rollen übernehmen könnten?

Wes Anderson: Ich versuche, das nicht zu machen. Wenn ich schreibe, versuche ich mich nur auf die Figur zu konzentrieren. Aber wenn ich jemanden im Kopf habe, auch wenn das Drehbuch noch nicht fertig ist, versuche ich das früh zu kommunizieren: “Behalte dir im Hinterkopf, dass du dir im Oktober etwas Zeit für uns freihältst”. Richards Rolle war aber für Richard geschrieben. Und Gott war Gott. Bill hat die Figur inspiriert.

Bill Murray: Das akzeptiere ich.

Wes Anderson: [lacht] Wir haben nie einen anderen Gott in Erwägung gezogen. Sobald Roman und ich die Szene zu Ende geschrieben hatten, meinten wir direkt: "Ich glaube, ich weiß, wen wir dafür brauchen." Und Bill hat einige Geistliche in der Verwandtschaft.

Bill Murray: Ja, das geht weit zurück. Meine Schwester ist eine Nonne und mein Groß-Groß-Großonkel war der erste Kardinal von New York City. Und sein Hut schwebt unter der Decke der St. Patrick’s Cathedral, er ist unter dem Altar begraben. Das hilft nicht dabei, einen Strafzettel zu vermeiden oder sowas, aber es hilft bei anderen Sachen.

Ihr habt den Film wieder in den Babelsberg Studios in Potsdam gedreht. Was bedeuten die Studios für dich?

Wes Anderson: Als erstes haben wir Grand Budapest Hotel dort gedreht und es war so eine tolle Erfahrung, dass wir zu Kollaborateuren geworden sind. Wir haben dort ein Team gefunden, das wir mochten. Görlitz und Babelsberg war am Ende die perfekte Kombination für uns. Weitere Drehorte waren verschiedene Berliner Straßen. Und wir haben Werbungen dort gedreht.

Warum wir Der Phönizische Meisterstreich wieder in den Babelsberger Studios gedreht haben, hatte mit der Story zu tun. Wir mussten keinen Drehort finden und ihn zum Zentrum unseres Films machen. Als wir beispielsweise Grand Budapest Hotel gemacht haben, gab es dieses Hotel und drumherum haben wir den Film aufgebaut.

In Der Phönizische Meisterstreich ist der Ort, den wir am meisten sehen, ein Flugzeug. Also hat es sich angefühlt, als müssten wir im Studio drehen, und dann war Babelsberg für mich das richtige, denn die gemeinsame Vergangenheit zieht mich dorthin. Wir haben uns für den Dreh echte Gemälde geliehen. Das Studio ist auch ein bisschen so. Es ist nicht nur ein guter, leerer Raum, in dem man Sets bauen kann. Es ist stattdessen wie eine extra Zutat im Film.

Hast du manchmal den Gedanken, dass du gerne einen Film machen würdest, der eine komplett andere Ästhetik hat?

Wes Anderson: Manchmal denke ich, ich möchte, dass der Film frei ist. Aber er muss durch mich durch und manchmal ist der Effekt davon, dass etwas durch mich durch geht, dass es dann wie etwas aussieht, das ich gemacht habe. Egal, was das Konzept davon war. Sehr viel Planung und Vorbereitung fließen in einen Film. Aber am Ende wird jeder Teil der Planung irgendwie improvisiert. Es gibt hier und da ein paar Improvisationen und am Ende mischt man sie zusammen. Aber ich sage immer, das ist wie meine Handschrift. Man kann seine Handschrift kontrollieren, aber gleichzeitig ist sie Teil deines Gehirns und deiner Persönlichkeit, genau wie die künstlerischen Entscheidungen. Beides ist das Gleiche.

Du hast bei Der Phönizische Meisterstreich zum ersten Mal mit einem anderen Kameramann gearbeitet. Wie hat das die Arbeit am Set und das Endergebnis verändert?

Wes Anderson: Es ist der erste Langfilm, den ich mit einem anderen Kameramann gemacht habe, denn Robert Yeoman hat an vielen Filmen mitgearbeitet. Er ist ein alter Freund und wir haben von Anfang an zusammengearbeitet. Aus verschiedenen Gründen hat es für uns Sinn gemacht, einen europäischen Kameramann zu haben, und Bruno Delbonnel ist auch ein alter Freund und wir haben schon kleinere Sachen zusammen gemacht. Seine Arbeit ist anders. Bruno hat seine eigene Art, mit Licht zu arbeiten. Es ist eine andere Dynamik, denn die Persönlichkeiten sind am Set anders. Aber dennoch gibt es eine Kontinuität zu meiner anderen Arbeit. Es hat sich nicht angefühlt, als wäre es eine komplett andere Erfahrung.

Wir hatten schon vorher unterschiedliche Menschen bei verschiedenen Filmen, zum Beispiel Szenenbildner:innen oder Kostümbildner:innen. Es gibt immer neue Stimmen, und sie werden immer gehört. Sie machen ihre Anwesenheit geltend, sie bringen Ideen und Entscheidungen mit ein. Aber das Hauptsächliche ist, dass die Geschichte anders ist, und so benötigt sie andere Dinge.

Gibst du dem Cast als Regisseur viel Raum für Improvisation oder pochst du auf das Drehbuch, wie es geschrieben ist?

Richard Ayoade: Das Drehbuch ist das Drehbuch. Ab und zu, wenn man gemerkt hat, dass etwas funktioniert, kann man eine Änderung vorschlagen oder die Leute werden eingeladen, über diese Änderung zu sprechen. Aber das Drehbuch steht ziemlich fest und alle sind ziemlich glücklich damit. Abbas Kiarostami hat mal gesagt, dass es für ihn als Regisseur beim Dreh ist, als wäre er ein Football-Manager. Man kann das auf eine bestimmte Art machen, aber die Spieler spielen das Spiel und so muss man sehen, wie es läuft. In meiner Erfahrung ist das etwas, das Wes möchte.

Ich denke, wenn es darum geht, wen du [Wes Anderson] für deine Arbeit auswählst, magst du ein bisschen Chaos. So wie Benicio und Bill. Sie sind das Gegenteil klassischer Schauspieler, sie sind sehr erfinderisch, unberechenbar, haben ihren eigenen Rhythmus und spielen sehr unterschiedliche Rollen. Du suchst dir beim Casting sehr starke Schauspieler:inner aus. Du weißt, was du willst, und Teil davon ist die Überraschung.

Wes Anderson: Ein großer Teil davon, Regisseur zu sein, ist zuzuschauen. Man ist selbst das Publikum. Man tut andere Dinge, die dabei helfen, eine Atmosphäre zu kreieren, aber die Hauptsache, die man tut, ist alle zusammenzubringen und zuzusehen.

Wenn ihr das Drehbuch schreibt, sitzt ihr dann für Stunden zusammen? Wer ist für was zuständig?

Wes Anderson: Roman, Richard und ich arbeiten gerade tatsächlich an einem Drehbuch und Bill hat unterwegs etwas mitgemischt. Ich denke, die Erfahrung in dieser Phase ist, dass jeder mal sagt, “Oh, ich habe eine Idee." Und ab und zu wird "Ich habe eine Idee" zu einem Gespräch oder dazu, dass die Gruppe eine Szene spielt. Deshalb sage ich, ist es Improvisation, weil wir anfangen, einfach eine Szene zu spielen.

Wenn man das festhält, passiert es, dass man die Szene fühlt. Man improvisiert den Dialog und oft klappt es nicht recht. Man spielt die fehlerhafte Version davon und man schreibt es auf und versucht es festzuhalten. Und immer wieder bin ich froh, dass wir das iPhone dabei hatten, um es aufzunehmen, weil es gerade passiert ist.

In Cannes hast du Donald Trump für seine Zoll-Pläne für die Filmindustrie kritisiert. Denkst du, dass es die Freiheit braucht, Filme zu drehen, wo immer man möchte?

Wes Anderson: Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass ich Donald Trump kritisiert habe. Ich wurde nach den Zöllen gefragt und meine Reaktion ist: Die sind verrückt. Aber wisst ihr, ich bin da die falsche Ansprechperson, denn ich bin zu sehr auf der Seite des Filmemachers. Ich möchte totale Freiheit haben.

Ich erinnere mich, als sie Roald Dahls Bücher umgeschrieben haben und ich dachte: “Noch nicht mal Roald Dahl darf Roald Dahls Bücher umschreiben. Die sind schon perfekt. Und sie haben die öffentliche Imagination erreicht und sie gehören den Menschen, die sie aus der Bücherei ausgeliehen haben.” Ich hätte beim Filmdreh gerne Anarchie. Aber es gibt praktische Gründe, warum das nicht geht. Werner Herzog hat uns gezeigt, dass es Regeln geben sollte.

Blickst du auf deine Filme zurück und erklärst dir daran, wer du bist oder wonach du gesucht hast?

Wes Anderson: Ja. Das mache ich nicht aktiv, aber ich kann mich selbst in den Filmen wachsen sehen. Ich habe mit dem Filmemachen vor mehr als der Hälfte meines Lebens angefangen. Ich sehe die Menschen, die sich in meinem Leben verändert haben und manche gute Dinge, die passiert sind und die herausfordernden Dinge, die passiert sind und wie meine Filme drumherum existieren.

Auf die Frage: “Wann haben wir das gemacht?” sage ich oft, “Das war zwischen Isle of Dogs und The French Dispatch.” Das sind die Kapitel meines Lebens. Es könnte für mich nicht persönlicher sein und so ist mein Leben geformt. An einem bestimmten Punkt in meinen Filmen taucht meine Frau auf. Und dann, nach einer bestimmten Anzahl von Filmen, taucht meine Tochter auf. Ich weiß, was wohin gehört, auch zwischen den Projekten.

Ihr habt schon angesprochen, dass ihr gerade zusammen an einem neuen Projekt arbeitet. Könnt ihr schon etwas darüber verraten?

Wes Anderson: Ich möchte eigentlich das Geheimnis wahren. Aber ich muss euch etwas sagen. Richard, Roman und ich sind gerade dabei zu schreiben. Ich habe diese Sache über Akira Kurosawa gelesen: Beim Drehbuchschreiben verbrachte er Zeit mit einem Mann, den sie den “Kontrollturm” nannten. Er ging immer aus dem Raum und kam dann wieder. Sie sagten ihm dann “Darüber haben wir nachgedacht”. Und er antwortete, “Das ist nicht gut” oder “Da müssen wir noch dran arbeiten”. Und sie waren von ihm oft genervt, aber am Ende war der “Kontrollturm” der Schlüssel. Bill ist für uns dieser Kontrollturm. Er sitzt da wie der Kontrollturm. Er hört die ganze Zeit zu. Und ab und zu sagt er etwas.

Aber ich gebe euch eine kleine Information. Ein Wort, das immer wieder aufkommt, ist Hitchcock. In diesem Wort steckt das Wesen des Films. Wir wissen noch nicht genau, was der Film ist. Es ist noch früh. Wir haben viel Material, aber es entwickelt sich. Sogar gestern gab es eine große Änderung darin, was wir glauben, was der Film sein könnte. Deshalb möchte ich nicht zu viel verraten.


Der Phönizische Meisterstreich läuft seit dem 29. Mai 2025 in den deutschen Kinos.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News