Es war einmal vor langer, langer Zeit, da ließ Universal unter Carl Laemmle jr. Dracula verfilmen; ein mittelgroßes Wagestück könnte man sagen, denn der Stoff wollte zunächst gar nicht mal so besonders sehr zu dem passen, was hier sonst so lief...in erster Linie Unterhaltungsfilme. Das Laemmle Jr. ein wenig tollkühner als Papa war, machte sich bezahlt, nicht zuletzt für Bela Lugiosi, der auf diese Weise zu der Rolle seines Lebens fand...ob Fluch und Segen hierbei zwei Seiten einer Medaille sind sei mal dahingestellt.
Kommerzieller Erfolg ist etwas Tolles und weil daran nicht nur ein Land teilhaben möchte, wurde einfach mal parallel zum amerikanischen auch eine spanischsprachige Fassung hergestellt, was 1931 soviel bedeutete wie alles zweimal drehen. Der spanische "Drácula" hatte seinen Erfolg, vielleicht weil er mit Lupita Tovar die bessere Mina hatte (oder Eva wie ihr spanisches Pendant genannt wurde) oder auch, weil George Melford weniger Richtlinien unterworfen war, als der für die amerikanische Variante verantwortliche Tod Brownings, sich künstlerisch also etwas mehr austoben konnte. Fakt ist allerdings, der Film galt lange als verschollen, hat also trotzdem für die Nachwelt weit weniger Bedeutung als sein Vorgänger und somit zog wohl tatsächlich Lupita Tovar, die nur ein Jahr später die Frau des deutschen Universal-Produzenten (späteren Agenten) Paul Kohner wurde, der damals für die spanische Dracula-Produktion verantwortlich zeichnete, den größeren Gewinn aus dem Doppeldreh. Es liegen einige Filme zwischen und nach 1931, Tatsache bleibt jedoch, dass, verschwunden oder nicht, Drácula der Mexikanerin ihr Gesicht gab, bis sie die Schauspielerei zehn Jahre später komplett aufgab.
Einen Film in zwei Sprachen zugänglich zu machen hat somit, wie man sieht, auf mehreren Seiten seinen Wert - auf Produzentenseite wegen des größeren Profits, auf Zuschauerseite wegen der Möglichkeit einen Film zu sehen, den sie sonst wegen mangelnder Sprachkenntnisse kaum bis gar nicht genießen könnten. Und 1931 konnte die Übersetzung eines Films zudem einer Schauspielerin wie Lupita Tovar die Möglichkeit bieten, ebenfalls in eine begehrte Rolle zu schlüpfen, die sie (ebenfalls der Sprachkenntnisse wegen) in ihrem Ursprungsland womöglich nie bekommen hätte. Was es allerdings auch bedeutete, und dass ist keinesfalls zu unterschätzen, war eine gewaltige Mehrarbeit. Tagsüber Dracula mit Brownings, nachts Drácula mit George Melford. Normalfall zwischen 1927, als mit dem "Jazzsinger" der erste Tonfilm Premiere hatte, und Mitte der 30er, als es sich zumindest in Deutschland fest zu etablieren begann ausländische Filme zu synchronisieren.
Die Geschichte der Synchro steckt voller Anekdoten, besonders weil es noch gar nicht so lange her ist, dass sich Übersetzer hier ihre sehr persönliche Freiheit lassen, was vor allem in den siebziger und achtziger Jahren einige merkwürdige Auswüchse hatte. So stellt ein aufmerksamer Zuhörer etwa fest, dass der 1973 unter Tonio Vallerii entstandene Italowestern "Mein Name ist Nobody" auf englisch einen vollkommen anderen, weit weniger kalauer-durchsetzten, Text hat als auf deutsch. Die Originalsprache ist übrigens italienisch.
Ein anderes Beispiel: Patrick Swayzes berühmter Spruch aus Dirty Dancing (1987) "Mein Baby gehört zu mir!" lässt vielleicht bis heute die Herzen deutscher Mädels höher schlagen, de facto sagt er allerdings original "noone puts baby in a corner", was sowohl inhaltlich als auch von der Implikation her etwas vollkommen anderes bedeutet.
Synchro ist somit keine unheikle Angelegenheit, jedoch eine Angelegenheit die sich insbesondere in Deutschland fest etabliert hat, wo die einschlägigen Firmen nach dem Krieg die Arbeit rascher wieder aufnehmen durften, als irgendeine filmverwandte Produktionsstätte sonst. Die Zeiten der "hauptsache witzig"-Übersetzung sind zum Glück ebenso vorbei wie die Phase, in der man meinte, Inhalte an die sanften Gemüter des eigenen Landes "anpassen" zu müssen, eine Tendenz unter der insbesondere Filme wie Casablanca zu leiden hatten.
Synchronisation hat sich verfeinert, verbessert und ist quasi mit seinem Publikum gewachsen und das hat sicherlich viel mit dem allgemeinen Fortschritt der Technik zu tun. Witzigerweise macht genau selbiger Synchro aber vielleicht auch zunehmend unnötiger: Das Internet wird erfunden, die Möglichkeit einen Film vorab zu sehen wird möglich, dazu muss man eventuell in Kauf nehmen, ihn im Original (meist englisch) zu sehen und plötzlich findet man das auch viel besser. Die Kinos reagieren darauf mehr als das Fernsehen und zeigen Filme OmU, also Original mit Untertiteln, genau das, was ein verwöhntes Publikum nach dem Krieg so vehement ablehnte. Die Welt ist eben ironisch.
Filme werden also in den meisten Ländern entweder synchronisiert oder im Original geschaut und doch hält sich die Idee des Nachdrehs merkwürdig hartnäckig. Man spricht heute vom sogenannten Remake.
Es wäre in das allgemeine "Amerika ist fies und an allem schuld"-Horn geblasen, würde man behaupten, nur die Amis würden sich fremde Stoffe aneignen, sie mit eigenen Schauspielern und der zum Teil sehr viel besserer Technik aufarbeiten und dann einem Publikum präsentieren, das vom Original vielleicht noch nie gehört hat und sich an dem schönen neuen Popcorn-Kino freut. So gelesen klingt das ein bisschen wie Diebstahl. Wenn genug Gelder fließen und das Ganze auch irgendwie offen gemacht wird, heißt es Remake und nein, es ist wirklich kein amerikanisches Monopol, auch wenn sie mit Filmen wie "Ring", "Grudge" oder "Shall We Dance" damit in guter Tradition stehen. Vermutlich kennen die wenigsten den chinesischen Vorgänger des Richard-Gere-Tanz- und Feelgood-Movies und manch ein Machwerk kann vielleicht auch einen kleinen Pimp vertragen. Erklären wir es einmal so: Würde eine deutsche Produktionsfirma plötzlich "Matrix" oder "Alien" oder "Titanic" nachdrehen (letzteres ist mit sehr wenig Erfolg sogar geschehen), dann wirkt das vermutlich lächerlich, weil, let`s face it, wir hier nicht wirklich die besseren Mittel haben und (darum geht es eigentlich), die Filme einfach zu bekannt und zu sehr mit ihrem Herkunftsland verbunden sind, als dass man nicht irgendwie lächerlich wirken würde bei dem Versuch, sie zu imitieren.
Lächerlich in diesem Zusammenhang mag dann aber auch Folgendes erscheinen: 2003 wird im Franko-Teil Kanadas die vielleicht etwas häusliche aber ausgesprochen amüsante Komödie La Grande séduction (Die große Versuchung) gedreht. Da das cinema quebecois keinen sehr großen Absatzmarkt in Amerika oder Europa hat, wurde die Synchronfassung kaum gesehen. 2013 wird dieser Film nun geremaket...ausgerechnet von der anderen, der englischsprachigen Hälfte Kanadas und auf einmal findet ein Film Beachtung, der eigentlich von Beginn an gut war, nur leider nicht mal im falschen Land, sondern nur im falschen Landesteil in der falschen Sprache gedreht wurde. Ähnlich dreist etwa der Neudreh der Komödie "Starbuck", ebenfalls in Französisch gedreht, eignete ihn sich nur zwei Jahre später DreamWorks Pictures an und machte daraus die vielleicht teurer gedrehte, aber weitaus billigere Variante "Delivery Man" mit Vince Vaughn. Leider auch noch vom selben Regisseur, was die Sache irgendwie nicht besser macht.
Es ist eine traurige Wahrheit: Kleines Land und/oder wenig Kohle, wenig Vermarktung der Filme, kaum Absatzmarkt. Filme können so gut sein, wie sie wollen und finden doch erst Beachtung, wenn einer der Filmriesen sie remaket und deshalb kann Deutschland das mit Amerika auch nicht tun. Umgekehrt geht das aber sehr wohl, sonst hätte sich Hollywood nicht bereits die Filmrechte an "Who Am I" gesichert, kaum ist der Film hier im Kino.
Das Schlucken und bei Bedarf neu Ausspucken von Filmen ist also ein Prozess, dem nicht nur das vielleicht wenig bekannte kanadische Independent-Kino unterzogen wird. Erst 2009 erschien in Schweden und dem Rest der Welt der erste Teil von Stieg Larssons Millenium-Trilogie "Verblendung" und konnte mit guten bis sehr guten Kritiken glänzen. Teil zwei und drei folgten relativ direkt, Noomi Rapace ist seither auch in Hollywood eine feste Größe und das allein zeigt doch wohl, dass der Film - vermutlich synchronisiert, da schwedisch nicht unbedingt Weltsprache Nr. 1 ist - auch in Amerika sein (breites) Publikum hatte. Im Gegensatz zu "Starbuck" und "La Grande séduction" zumindest. Warum man ihn also unbedingt nochmal drehen musste, nur zwei Jahre später, in einer Großproduktion mit Schweden, GB, Deutschland und den USA, mit strikt englischsprachiger Besetzung ist wohl niemandem so richtig klar....vor allem ist nicht klar, ob und warum man einen Film bereits zwei Jahre nach Release wirklich remaken muss, außer des Kommerzes wegen. Es ist deswegen kein schlechter Film, aber ob er besser ist als das Original, ist allerhöchstens eine Geschmacksfrage. Die andere Frage lautet: Macht man im englischsprachigen Raum keine Synchronisationen, gilt immer noch was frühe Kritiker sagten, nämlich, dass es unmöglich sei "Greta Garbo mit der Alltagsstimme des Fräulein X auszustatten?" oder ist die Technik der Synchronisation vielleicht nur hierzulande ausgefeilt genug, um einen erträglichen Film zu sehen?
Fakt ist, dass die Übertragung von Filmen wie "Das Boot" aus dem Deutschen ins Englische in Amerika schwer gefloppt ist. Synchro kommt hier also definitiv nicht gut an und Untertitel lesen ist vielen zu anstrengend. Bedeutet das folglich, wenn ein englischsprachiges Land, insbesondere die USA, an einem Filmerfolg teilhaben will, dass sie ihn zwingend rebooten MUSS, weil sich sonst kein Publikum findet?
Das europäische Kino hat in den letzten Jahren einen ziemlichen Schwung nach oben genommen und arbeitet sich peu a peu auf Augenhöhe mit dem Big Boss of Blockbuster. Es lässt sich sicherlich sagen, dass Hollywood eifersüchtig seinen Status als Filmolymp bewacht und zumindest teilhaben möchte: Nicht nur die Rechte an einem Remake des französischen Meisterwerks "Ziemlich beste Freunde" (2011) wurde gesichert, auch der ausnahmsweise offenbar gar nicht so üble deutsche Thriller "Who am I" wurde augenblicklich eingekauft. Böswillig könnte man jetzt behaupten, den Studios gingen die Stoffe aus und sie müssten sich deshalb an fremden Tischen bedienen. Aber dazu ist die Tradition des Remakes dann doch zu alt - Im Grunde ist sie ebenso alt wie der Film selbst und diente ursprünglich einmal der Idee, Verlorenes wieder herzustellen, Filme anderen Kulturen und Sprachen zugänglich zu machen, also eigentlich ähnlichen Themen wie die Synchronisation. Neuverfilmung für alte Filme, Synchro für neue, so galt es einmal. Inzwischen scheint Synchro allerdings fast sinnlos zu werden: Entweder die Leute schauen den Film im Original oder er wird so schnell neuverfilmt, dass sich der Aufwand einer Synchronisation gar nicht mehr lohnt.
Es existiert ein Trend, der mir zum ersten Mal bewusst wurde, als Fincher seinen facebook-Film drehte. Seit wann wird denn bitte jemand zur Legende gemacht, ehe er auch nur die Hälfte seines Lebens hinter sich hat? Neuerdings offenbar - man könnte von Vorschusslorbeeren reden, Barak Obama den Friedensnobelpreis zu verleihen steht in ähnlichem Rang - oder man könnte vermuten, dass sich das Tempo unserer Rezeption einfach enorm gesteigert hat: Es genügt nicht mehr, abzuwarten, das Ergebnis muss forciert werden. Es genügt nicht an einem Film mitzuverdienen, indem man ihn synchronisiert, er muss aufgekauft und neuverfilmt werden. Hinter allem steht die leicht unangenehme Motivation, alles, was ansatzweise gewinnbringend ist, möglichst schnell und möglichst gründlich an sich zu reißen. Und wenn das deutsche Kino es besser könnte, bzw. das deutsche Publikum der Synchro gegenüber nicht relativ aufgeschlossen wäre, würde es sich vermutlich nicht anders verhalten.
Synchronisieren war einmal eine innovative Neuerung, die das Neudrehen oder Paralleldrehen einer gewissen Verantwortung enthoben hat - einen Film wirklich noch einmal zu drehen, mit all den Kosten und all dem Aufwand der damit verbunden ist, konnte man sich aufheben, um in einer Hommage der sonst vielleicht vergessenen Arbeit eines anderen Tribut zu zollen, oder vielleicht auch um in einer Kreativpause auf einen alten Goldesel aufzuspringen und ihn erneut zu melken.
Inzwischen scheint letzteres der produktivere Weg zu sein und das Synchrogeschäft mehr und mehr nutzlos zu werden. Wenigstens für den englischsprachigen Raum scheint es nie besonders nützlich gewesen zu sein.
Als das Synchronisieren aufkam, wurde verschiedentlich moniert, dass es wohl kaum tragbar sei "Greta Garbo mit der Alltagsstimme eines Fräulein X" auszustatten. Wäre Greta Garbo heute eine deutsche, französische, asiatische oder kanadische Schauspielerin, würde man sie wohl entweder einkaufen oder (was derzeit wahrscheinlicher ist) durch Rooney Mara ersetzen. Zumindest - vielleicht eine Erleichterung für die Kritiker der damaligen Zeit - würde sie keine Synchro bekommen.