Wird deutsche Geschichte "vereichingert"?

24.09.2008 - 07:36 Uhr
Bernd Eichinger und Uli Edel
Constantin Film
Bernd Eichinger und Uli Edel
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MEINUNG» Der Baader Meinhof Komplex ist wieder so ein typischer Bernd Eichinger Film.

Der Filmemacher Bernd Eichinger ist der Goliath unter den deutschen Filmproduzenten. Keiner macht aktuell größere, wichtigere und kostenspieligere Filme als er und hartnäckig hält sich das Gerücht: Ein Regisseur, der für Bernd Eichinger und seine Constantin Film AG einen Film dreht, macht immer irgendwie einen Bernd Eichinger -Film. Es scheint, als würde die Eigenständigkeit an der Produzententür abgegeben. Ein Tycoon in München, ein Produzenten-Mogul in Deutschland.

Er ist ein Großer, keine Frage. Unter seiner Leitung entstand die Umberto Eco-Verfilmung Der Name der Rose (1986) mit Sean Connery in der Hauptrolle; dafür riskierte er Haus und Hof. Er produzierte einige jener Autorenfilme, die den “Neuen Deutschen Film” über die Landesgrenzen hinaus bekannt machten, etwa Die Konsequenz (1977) von Wolfgang Petersen. Seine Filme erhielten zahlreiche Auszeichnungen, auch Oscar-Nominierungen wie für Der Untergang. Ohne Neid muss jeder eingestehen: Bernd Eichinger ist aktuell der größte Produzent Deutschlands.

Aber Bernd Eichinger ist auch einer, der polarisiert. Zum einen besitzt er einen besonderen Blick für Stoffe, die die Zuschauer in die Kinos locken und wagt sich auch an ungewöhnliche Themen. Zum anderen gilt er als Mensch, der überall seinen Einfluss gelten machen muss – vom Drehbuch über die Produktion bis zum Schnitt. Gern schreibt Bernd Eichinger auch an den Drehbüchern für die von ihm produzierten Filme mit, so Der Untergang, Der Baader Meinhof Komplex oder Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders. Schon hier bringt sich der Produzent ein.

Und so spricht Andreas Borcholte vom Spiegel davon, dass deutsche Geschichte durch den Produzenten “vereichingert” wird. Zur “Vereichingerung” gehört ein bestimmtes Rezept, das schon erfolgreich bei Der Untergang angewendet wurde und bei Der Baader Meinhof Komplex nochmals zur Vollendung gebracht wird.

Die Crème de la Crème des deutschen Films ballt sich vor der Kamera und in jeder noch so kleinen Rolle findet sich ein brillanter Darsteller, der eigentlich völlig unterfordert ist. Hämisch wurde schon geschrieben: Spannender ist, wer hier nicht mitspielt!

Die Geschichte wird in berauschenden Bildern erzählt, seien es die grau-düster unterlegten Szenen in Der Untergang zum Ende des Zweiten Weltkrieges oder einzelne Actionbilder in der “Fetzendramaturgie” von Der Baader Meinhof Komplex. Der historische Hintergrund ist auch irgendwie “wahr”, es ist genau recherchiert, alles scheint faktisch zu stimmen, aber in ihrer Zusammenstellung und ihrer Bedeutung sind die Bilder eine große Lüge, selbst wenn sie aus lauter kleinen Wahrheiten zusammengesetzt sind.

Filme von Bernd Eichinger sind pure Illustration von Geschichte. Ein gigantisches Feuerwerk von Bildern, Maske und Kulisse wird abgefackelt, um am Ende festzustellen: Ja, hier wird große Geschichte dargeboten, aber wird sie auch gedeutet, interpretiert oder nachvollziehbar gemacht? Ich glaube kaum. Eher wird Geschichte von all dem schwierigen und komplexen Bedeutungsballast befreit, um sie für die große Leinwand kompatibel zu machen. Letztlich ist der kleinste gemeinsame Nenner jener Wert, der angestrebt wird und so verbieten sich komplexe Fragestellungen oder offene Enden. Was über das Spektakel hinaus hängen bleibt ist wenig. Die beeindruckende Bilderflut hat einfach wenig Substanz.

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