EddieLomax - Kommentare

Alle Kommentare von EddieLomax

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    SOUNDTRACK TO A COUP D'ETAT von Johan Grimonprez nimmt eine aberwitzige Aktion der CIA als Basis, von der Ermordung des ersten Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo nach der errungenen Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Belgien, Patrice Lumumba im Jahr 1960 und dem Sturz des Landes in ein Chaos zu erzählen, welches bis zum heutigen Tage anhält. Dabei sollten berühmte Jazz-Größen wie Louis Armstrong für ein positives Ansehen der USA durch Afrika touren, während in Wirklichkeit bereits Lumumbas Ende vorbereitet wurde. Die komplexe politische Gemengelage wird dabei ebenso herausgestellt, wie die unrühmliche Rolle der UN und der Einfluss Russlands. Im Grunde wurde durch die forcierte Instabilität nur die weitere nachhaltige Ausbeutung dieser Schatzkammer der Erde vorbereitet. In seiner flirrenden, fordernden Collage aus dokumentarischem Archivmaterial, popkulturellen Konzertmitschnitten und Interviews mit Politikern, Musikern und Historikern, flankiert von einem treibenden Jazz-Soundtrack der beteiligten Künstler (Nina Simone, Dizzie Gillespie, Miriam Makeba, John Coltrane u.a.) wird ein pulsierendes Panorama des bis heute nicht gelösten Konflikts abgebildet. Die preisgekrönte Dokumentation lief erst im Februar dieses Jahres im Kino und ist bereits jetzt, und noch bis zum 29.06.2025 in der arte-Mediathek zu finden.

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      TWILIGHT von Robert Benton ist so etwas wie ein Abschiedsgeschenk an das Publikum. Paul Newman dreht als gealteter Privatdetektiv eine Ehrenrunde in einem Edelkrimi mit Stars in jeder Rolle. Der Neo Noir lässt die Tugenden des alten Hollywood nochmal aufleben, gibt sich ganz seinem exquisiten Ensemble hin, folgt der alten Regel Character is Plot und gibt dem Dialog stets den Vorrang gegenüber der Aktion. Gleich drei Altstars geben sich die Ehre mit Gene Hackman und James Garner an Newman's Seite, sie alle befangen von Susan Sarandon's betörender Anziehungskraft, in deren Hand sie sich mehr oder weniger befinden. Elmer Bernstein lässt die geschmeidigen Bilder von elegischem Jazz umschmeicheln und am Ende ist nichts, wie es vorher schien. Als ob sich ein paar alte Freunde ein letztes Mal getroffen haben, um an ihre einstige Klasse zu erinnern und ihren Nachfolgern zu zeigen, wie man in Würde altert.

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        LE BLEU DU CAFTAN von Maryam Touzani ist ein sinnlicher Film über die essentiellen Dinge des Lebens. Das preisgekrönte Drama um ein Ehepaar im mittleren Alter, dessen Leben durch einen neuen Angestellten in ihrer Näherei durcheinandergebracht wird, dreht sich um ein aufrichtiges Miteinander in Beziehungen, schwere Erschütterungen des Lebens und verborgene Sehnsüchte des Individuums, in einem nach außen hin scheinbar freien Land, dessen Gesellschaft durch innere Repressalien gefesselt ist, wodurch nur die Flucht in die soziale Isolation bleibt. Eine bemerkenswert ernsthafte Auseinandersetzung mit diversen Problematiken voller wahrhaftiger Momente, dabei beeindruckend gespielt, sowie subtil und zugänglich gestaltet. In der arte-Mediathek.

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        • TOP TEN WESTERN

          WINCHESTER '73 (Anthony Mann, 1950)
          MEIN GROßER FREUND SHANE (George Stevens, 1953)
          VERA CRUZ (Robert Aldrich, 1954)
          DIE GLORREICHEN SIEBEN (John Sturges, 1960)
          DIE VIER SÖHNE DER KATIE ELDER (Henry Hathaway, 1965)
          SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD (Sergio Leone, 1968)
          THE WILD BUNCH (Sam Peckinpah, 1969)
          MISSOURI (Blake Edwards, 1971)
          700 MEILEN WESTWÄRTS (Richard Brooks, 1975)
          HEAVEN'S GATE (Michael Cimino, 1980)

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            EddieLomax 10.06.2025, 09:02 Geändert 10.06.2025, 09:03

            HARRY DEAN STANTON: PARTLY FICTION ist eine Anti-Dokumentation mit und über Harry Dean Stanton von Sophie Huber. Harry Dean, zur Entstehungszeit ca. 85, schweigt und spricht, singt und trinkt, bleibt meist einsilbig und wird zu Alltagsorten begleitet oder Nachts in der Gegend herumgefahren, wobei dann doch intime Momente entstehen, in denen er sich ein bisschen in die Seele blicken lässt. Unterstrichen durch Filmsequenzen gibt es Kommentare von Wim Wenders, Sam Shepard, sowie David Lynch, der Stanton humorvoll  interviewt. Ich hatte den Film vor Jahren schonmal bei arte gesehen und ihn jetzt bei Netflix entdeckt. Eine Meditation über das Leben, das Alter und den Tod, dabei wunderbar unaufgeregt und Down to Earth. Eine feine Sache das.

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              NEVER SAY DIE von Geoff Murphy, dem nach seinem Meisterwerk UTU (1983) und dem internationalen Erfolg seines Endzeit-Films THE QUIET EARTH (1985) offenbar der Sinn nach etwas leichtem stand, jagt seine Protagonisten Melissa (Lisa Eilbacher) und Alf (Temuera Morrison) als Pärchen, dass in Neuseeland aus heiterem Himmel von mysteriösen Killern gejagt wird, im Eiltempo einmal über beide Inseln und wieder zurück, zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die oft skurrille Action-Komödie gibt von Anfang an Vollgas und lässt kaum Zeit zum Luft holen. Dabei nimmt sie von ihrer Struktur her viele, heute übliche Versatzstücken vorweg, bleibt aber im Gegensatz zu neueren Filmen dieser Art stets bodenständig und menschlich, nimmt seine zwei Hauptfiguren ernst und lässt sie nie im Regen stehen. Die handwerkliche Leistungsschau war dann auch folgerichtig Murphys Ticket to Hollywood.

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              • TOP TEN SERIEN

                SHERLOCK HOLMES (1984 - 1994)
                ROBIN HOOD (1984- 1986)
                LONESOME DOVE (1989)
                DIE SOPRANOS (1999 - 2006)
                BAND OF BROTHERS (2001)
                THE WIRE (2002 - 2008)
                DEADWOOD (2004 - 2006)
                BOARDWALK EMPIRE (2010 - 2014)
                GAME OF THRONES (2011 - 2019)
                BOSCH (2014 - 2021)

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                  WALKING TALL von Phil Karlson erzählt die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte des Ex-Wrestlers Buford Pusser, der bei der Rückkehr in seine Heimatstadt feststellen muss, dass aus dem friedlichen Hort seiner Kindheit ein Paradies für Kriminelle geworden ist. Nach einigen Zwischenfällen lässt er sich zum Sheriff aufstellen und sagt dem Verbrechen den Kampf an. Unabhängig produziert für gerademal 500.000 Dollar kam der Film auf Einnahmen von ca. 40 Millionen, was nicht nur seinem Star, dem kürzlich verstorbenen Joe Don Baker (1936 - 2025) in der Rolle seines Lebens den großen Durchbuch bescherte, sondern auch ein paar Fortsetzungen, sowie eine Fernsehserie und eine Reihe von Remakes ermöglichte. Dabei ist WALKING TALL ein ungeschliffener Rohdiamant von einem Film, der seine brutale Geschichte ehrlich, bitter und mit entwaffnender Konsequenz erzählt. Sicherlich einer der besten Action-Filme seiner Ära. Karlson drehte mit Baker zwei Jahre später noch seinen letzten Film als Regisseur FRAMED, der auch nicht von schlechten Eltern ist.

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                    TAP ROOTS von George Marshall, der in allen Genres zu Hause war, folgt als Mississippi Melodrama den Spuren des Über-Klassikers GONE WITH THE WIND (Victor Fleming u.a., 1939), der gut zehn Jahre zuvor die Kinokassen klingeln ließ und bis heute (inflationsbereinigt) der erfolgreichste Film aller Zeiten ist. Auch hier bildet ein Roman (von James H. Street) die Grundlage, der wiederum durch wahre Begebenheiten beeinflusst wurde.

                    Geschildert wird die Geschichte der mächtigen Familie Dabney in Lebanon (Mississippi), die vor und während des Amerikanischen Bürgerkriegs Höhen und Tiefen erlebt, wobei die komplizierte Liebesbeziehung der Erbin Morna Dabney (Susan Hayward) mit dem Zeitungsverleger Keith Alexander (Van Heflin mit Clark-Gable-Gedächtnis-Bärtchen) im Mittelpunkt steht. Daneben gibt es ein paar Schicksalsschläge, etwas Politik und schließlich den Krieg, der für einige, überaus gelungene Action im finalen Drittel sorgt, was den Gesamteindruck hebt, allerdings nicht darüber hinwegzutäuschen vermag, dass der Weg bis dahin ein steiniger ist.

                    Dankenswerterweise ist die Laufzeit nicht so überbordend, wie beim berühmten Vorbild, doch es gibt dem gegenüber durchaus nennenswerte Qualitäten zu berichten. So ist das Werk geradezu verschwenderisch ausgestattet und die Kamera-Arbeit von Oscar-Preisträger Winton C. Hoch, der bereits für John Ford herausragendes leistete, ist absolut großartig,  wobei einige Einstellungen wie Gemälde wirken. Gedreht wurde On Location in der beeindruckenden Landschaft der Great Smokey Mountains in North Carolina.

                    Das Ensemble (Julie London, Ward Bond u.a.) ist neben den Hauptdarstellern hochklassig, besonders Boris Karloff weiß als weiser Indianer Tishomingo Akzente zu setzen. Leider zahlte sich der sichtliche Aufwand für UNIVERSAL nicht aus, der Film konnte nicht mal seine Produktionskosten einspielen. Der historische Hintergrund um die Unabhängigkeitsbemühungen des Handlungsortes Jones County,  wurde 2016 in FREE STATE OF JONES (Gary Ross) mit Matthew McConaughey nochmal deutlich authentischer abgebildet.

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                      JOE DAKOTA von Richard Bartlett ist ein sowohl für das Genre, als auch für seine Entstehungszeit ungewöhnlicher Mystery-Western, dessen Story einerseits nach Art eines Whodunnit um das rätselhafte Verschwinden eines alten Indianers kreist, auf dessen Land die Bewohner einer Kleinstadt nun gemeinschaftlich nach Öl bohren und zum anderen um die Suche eines geheimnisvollen Fremden, der nach seiner Ankunft eben diese Gemeinschaft mit seinen Fragen gehörig durcheinander bringt, was ihn in die Nähe von John Sturges' meisterhaften BAD DAY AT BLACK ROCK (1955) rückt, in welchem sich ebenfalls eine verschworene Gemeinde immer mehr selbst zerrüttet, je mehr über ihre Taten bekannt wird. Ähnliche Motive griff Clint Eastwood später in HIGH PLAINS DRIFTER (1973) auf, doch wo dieser mit brutaler Gewalt für Gerechtigkeit sorgte, geht Jock Mahoney in vorliegendem Werk mit psychologischer Raffinesse vor und trägt nicht mal eine Waffe. Überhaupt finden die meisten Auseinandersetzungen verbal statt, es fällt insgesamt nur ein einziger Schuss, wobei mit fortschreitender Laufzeit stückchenweise offen gelegt wird, was wirklich passiert ist und die Spannung ansteigt, je näher der Fremde zur Lösung voranschreitet. Eine dichte Inszenierung, untermalt von Joseph Gershensons elegischer Untermalung, gepaart mit einem wohl austarierten Dialog-Buch, dargeboten von einem feinen Cast, wobei der Höhepunkt eine Szene ist, in der die Stadtbewohner Lee van Cleef und Claude Akins mit Mahoney ein perfides Trinkspiel abhalten.

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                        HOLY WATER von Tom Reeve ist eine kleine irische Provinz-Komödie um vier nicht mehr ganz junge Freunde (u.a. John Lynch, Lochlann Ó Mearáin), die sich in ihrer von Arbeitslosigkeit geprägten Gegend mehr oder weniger über Wasser halten, bis einer von ihnen, ein Postbote, auf die Idee kommt einen Viagra-Transport zu rauben, um die Beute später in Amsterdam an den meistbietenden Schwarzmarkt-Dealer zu verhökern. Zwei Ermittler (Linda Hamilton & Tiny Lister) einer amerikanischen Versicherungs-Firma sind ihnen bald auf den Fersen, während sich die Pechvögel immer weiter reinreiten. Ob die Gelegenheitsverbrecher aus der Nummer wieder rauskommen und was mit der Dorfgemeinschaft passiert, wenn Viagra ins Trinkwasser gelangt, erzählt die Independent-Produktion auf höchst vergnügliche Weise. Die amüsante Posse um ein paar verhinderte Gauner, die eigentlich nur arme Teufel sind, die auch mal ein Stück vom Kuchen haben wollen, wurde nie in Deutschland veröffentlicht, lässt sich aber bei Netflix in OmU unter dem Titel HARD TIMES finden und erinnert in ihrer Machart ein wenig an DIEBE HABEN'S SCHWER (Mario Monicelli, 1958) oder dessen Remakes CRACKERS  (Louis Malles, 1984) und SAFECRACKERS (Anthony & Joe Russo, 2002), bis sie sich im letzten Drittel zur Sex-Komödie wandelt.

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                        • TOP TEN COMIC MOVIE STRIPS

                          OKAMI - AM TOTENFLUSS (Kenji Misumi, 1972)
                          THE CROW (Alex Proyas, 1994)
                          CRYING FREEMAN (Christophe Gans, 1995)
                          BLUEBERRY (Jan Kounen, 2004)
                          CASSHERN (Kazuaki Kiriya, 2004)
                          SIN CITY (Robert Rodriguez, 2005)
                          300 (Zack Snyder, 2006)
                          WATCHMEN ( (Ultimate Cut, Zack Snyder, 2009)
                          RUROUNI KENSHIN (Keishi Õtomo, 2012)
                          BATMAN VS SUPERMAN: DAWN OF JUSTICE (Ultimate Cut, Zack Snyder, 2016)

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                            VILDMÆND von Thomas Daneskov erzählt die Geschichte des Dänen Martin (Rasmus Bjerg), eines Mannes in seinen Vierzigern, der aus einer schweren mentalen Krise heraus mir nichts, dir nichts Familie und Job hinter sich lässt, um fortan in den Wäldern Norwegens als Jäger und Sammler ein ursprüngliches Leben zu führen. Zehn Tage später überfällt er aus hungriger Verzweiflung heraus eine Tankstelle, um an Lebensmittel zu kommen. Gleichzeitig erleidet der Drogen schmuggelnde Migrant Musa (Zaki Youssef) mit zwei Dealer-Kollegen einen schweren Auto-Unfall, bei dem seine Begleiter vermeintlich sterben. Schwer verletzt schleppt er sich mit einer Tasche voller Drogengeld in die Wälder und trifft bald auf Martins Lager. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, wären nicht Polizei, Martins Ehefrau Anne (Sofie Gråbøl) samt zweier Töchter und die noch lebenden Dealer hinter den beiden her. Eine schwarzhumorige, bisweilen blutige Komödie um verwöhnte, von Zivilsationskrankheiten geplagte Städter, Outdoor-Freaks deren Hauptziel das Geld der Stadtflüchtlinge ist, und Migranten, die nach jedem Strohhalm für ein menschenwürdiges Leben greifen und dabei am normalsten agieren. Ein großer Spaß mit ernstem Unterton, bis zum Western ähnlichen Showdown. Die Dänen können's einfach.

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                              THE IRON CLAW von Sean Durkin erzählt die wahre und tragische Geschichte der Familie Von Erich, die den Wrestling-Sport in den Siebziger und Achtziger Jahren gehörig aufmischte.

                              Patriarch Fritz Von Erich (Holt McCallany), richtiger Name Jack Adkisson, kennt nur ein Ziel, er setzt alles daran der weltbeste Wrestler zu werden. Sein Signature Move ist die Iron Claw, ein klauenartiger Griff an den Kopf des Gegners, der diesen bis zur Aufgabe zu Boden drückt. Als es mit dem Titel nicht klappt, bringt er all seine Söhne (im Film fünf, in Wahrheit sechs) auf Kurs, ebenfalls als Wrestler durchzustarten und die Branche als Familien-Clan zu erobern. Erste Erfolge stellen sich ein, doch bald sorgen mehrere tragische Ereignisse für den Niedergang der Wrestling-Dynastie. Auf der Familie scheint ein Fluch zu liegen.

                              Die eiserne Klaue ist dabei durchaus doppeldeutig zu verstehen, steht sie doch nicht nur für das sportliche Alleinstellungsmerkmal der Athleten-Familie, vielmehr symbolisiert sie auch den eisernen Griff des unerbittlichen, einzig dem persönlichen Erfolgsgedanken verpflichteten Vaters, mit dem er seine Söhne lenkt und unterdrückt. Einer nach dem anderen wird darunter zerbrechen. Die erste Hälfte des in starken Bildern erzählten Films schildert den Aufstieg, während die zweite eine unbeschreibliche Chronik des Scheiterns darstellt, die trotz ihrer niederschmetternden Tragik niemals einen hoffnungsvollen Unterton verliert.

                              Die größte Stärke des Films ist neben seiner stets unwägbaren Atmosphäre die Besetzung, wobei gerade die Brüder, von denen drei (Zac Efron, Harris Dickinson, Jeremy Allen White) in den Mittelpunkt gerückt werden, besonders beeindrucken können. Jeder von ihnen wird tiefer charakterisiert, geht je nach seinen Eigenschaften anders mit der Erwartungshaltung des Vaters um, der sich nur so lange für sie verantwortlich fühlt, wie sie nach seinen Maßstäben funktionieren und ihnen niemals so etwas wie Liebe oder Zuneigung zeigt.

                              Zac Efron, in der Rolle des ältesten Bruders Kevin, spielt endlich mal wieder eine richtige Rolle und ist das Zentrum des Films, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Seine äußerliche Transformation lässt ihn dabei wie den Golem aus Paul Wegener's Stummfilm (1920) wirken, sein Spiel ist von minimalistischer Zurückhaltung geprägt, wird mit fortschreitender Handlung immer ausdrucksstärker, je mehr er die Tragweite der Forderungen seines fehlgeleiteten, übermächtigen Vaters erkennt. Das Ende ist geradezu herzzerreißend.

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                                OHNE JEDE SPUR - DER FALL DER NATHALIE B. von Esther Rauch ist ein True-Crime-Drama um die Entführung der Triathletin Nathalie Birli im Juli 2019. Hierbei kommt der Fernsehfilm ziemlich schnell zum Punkt, indem die Entführung bereits in den Anfangsminuten stattfindet, worauf die Schilderung der Suchaktion abwechselnd zur Situation des Opfers gezeigt wird. Das ist gut gespielt und nüchtern inszeniert, aber daneben auch ziemlich distanziert und dadurch nicht besonders spannend. Seine Sachlichkeit kann man dem Film kaum vorwerfen, seine fehlende Bereitschaft Emotionen zu vermitteln schon. Wenn man als Zuschauer unbeteiligt dem Geschehen folgt und kaum eine Bindung zu den Figuren herstellt, ist weder den beteiligten Helfern, noch dem Entführungsopfer gedient.

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                                  THE PHOENICIAN SCHEME von Wes Anderson ist ein weiteres Puzzlestück im großen cineastischen Setzkasten des Regisseurs und arbeitet im Prinzip mit den selben Versatzstücken, wie die Vorgänger-Werke, weshalb auch hier gilt, entweder man liebt es, oder eben nicht. Für mich ist es erneut eine große Freude die sprechenden Standbilder zu entschlüsseln, mich an ihrem Detailreichtum zu laben und den immensen kreativen Output eines jeden Bildes zu feiern, dieses Mal gekrönt von Benicio Del Toro's Darbietung als Zsa Zsa (!) Korda (!!), seines Zeichens heimlicher Herrscher über Phoenizien, reich wie Onassis, mit zehn Kindern und im Verdacht stehend, all seine Ehefrauen ermordet zu haben. Aber das ist natürlich unwichtig, denn die Handlung ist bei Anderson stets zweitrangig, viel wichtiger sind die Bild-Miniaturen und Tableaus, die Stars selbst in Kleinstrollen und der diebische Humor, der in jedem noch so kleinen Eckchen versteckt ist. Kritische Stimmen behaupten, das Prinzip nutze sich ab, doch von mir aus kann er noch ein Dutzend solcher Filme drehen, wenn sie so kunstvoll daherkommen, wie dieser.

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                                    DIE AUFNAHMEPRÜFUNG von Peter Gersina ist typisch deutsche TV-Kost, nicht gut und nicht schlecht, bei der zumindest die sympathische Besetzung der Vorhersehbarkeit des Drehbuchs mit unterhaltsamen Darbietungen entgegenzuwirken vermag. Alleinerziehende Mutter von drei Kindern nutzt den Familienurlaub, um ihren Neuen vorzustellen, als sich ihr Ex mit viel Tamtam dazwischendrängt, worauf bis zum Happy End die üblichen Missverständnisse abgehandelt werden. Leichte Familienkomödie in schöner Kulisse für nebenbei zum Zeit totschlagen.

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                                      LE SECRET DU CHEVALIER D'EON von Jacqueline Audry basiert auf der Biographie des titelgebenden Chevalier, der obwohl als Mann geboren, die zweite Lebenshälfte als Frau verbrachte, allerdings ist es hier umgekehrt. Eine junge Adlige (Andrée Debar) führt, um sich ihr Erbe zu sichern ein Leben als Dragoner, bis die Liebe ins Spiel kommt. Am Hofe von Zarin Elisabeth (Isa Miranda) kommt es zu amourösen und politischen Verwicklungen, bei denen die Geschlechterverhältnisse für Irritationen sorgen. Das ganze ist als Mischung aus Liebesfilm, Rokokko-Komödie und Mantel- und Degen-Abenteuer inszeniert, wobei Dank der Regisseurin die weiblichen Charaktere die Handlung dominieren und einzig Gabriele Ferzetti als Begleiter der Heldin wesentliches zur Handlung beitragen darf. Die ungewöhnliche Geschichte wird zwar humorvoll, doch mit viel Respekt vor ihren Figuren erzählt und nie der Verwechslungs-Posse preisgegeben. In weiteren Nebenrollen sind Bernard Blier und Jean Dessailly zu sehen.

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                                        XINGHAI GEMING von und mit General-Direktor Jackie Chan zum 100. Jubiläum der chinesischen Revolution, und gleichzeitig vermarktet als 100. Film des Superstars, dient einzig dem Zweck die Parteilinie zu stärken und den Nationalstolz zu füttern. Da nützt auch das höchste Budget der Welt nichts, wenn dieser Geschichtsgrabbeltisch als ein einziges mit unzähligen Texttafeln versehenes Pathos-Chaos in sich zusammenfällt wie das angepeilte Seht-mal-wie-toll-wir-sind-Kartenhaus von Film, dass uns die regierungskonforme Produktion als Volksheldenepos verkaufen will. Geradezu unerträglich bedeutungsschwanger wird hier beinahe ohne jeden Zusammenhang von Szene zu Szene gehetzt und mit heiligem Ernst historische Situationen zwischen politischer Diskussion und blutigem Kampfspektakel, immer schön abwechselnd wiedergegeben. Wobei das Ende der Quing-Dynastie und die Ereignisse, die zur Abdankung der Kaiserin-Witwe führten natürlich durchaus den Stoff für ein packendes Epos hergegeben hätten, doch da Geschichte nunmal immer von den Siegern geschrieben wird, bekommt das Publikum eben diesen teuren Haufen Zelluloidmüll vorgesetzt und darf sich mit für's Vaterland schlagenden Herzen beseelt zur Nacht betten.

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                                          DRIVE-AWAY DOLLS von Ethan Coen leidet ein wenig an der Erwartungshaltung mit der man an einen Coen-Film geht, aber dafür kann er nichts. Der Film ist im Endeffekt harmloser, als er klingt, dabei aber auch normaler, als man annehmen könnte. Das klingt jetzt nicht allzu positiv, doch es ist im Gegenteil so, dass all dies eher für dieses Lesbian Roadmovie spricht, welches, wie wir mittlerweile wissen, nur der Auftakt zu einer thematischen Trilogie des Regisseurs ist, deren zweiter Teil HONEY DON'T, ebenfalls mit Margaret Qualley in der Hauptrolle, jüngst in Cannes vorgestellt, während der dritte Teil GO BEAVERS! bereits angekündigt wurde. Und das ist gut so, denn gerade die Umkehrung der Geschlechterverhälnisse im Genrestück geben dem ganzen einen unverkrampften und erfrischenden Charme, der über die gesamte Laufzeit wirkt, was nicht zuletzt an der grandiosen Chemie der beiden Hauptdarstellerinnen liegt. Das die prominent besetzten Auftritte der Kerle nur bessere Cameos und reines Namedropping sind - geschenkt.

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                                            RED BALL EXPRESS von Budd Boetticher ist der einzige Kriegsfilm des Regisseurs und erzählt die auf Tatsachen beruhende Geschichte einer eigens eingerichteten Versorgungseinheit der U.S. Army (siehe O-Titel), angeführt von Lieutenant Campbell (Jeff Chandler) kurz nach der Invasion in der Normandie, welche mit einem LKW-Konvoi den Nachschub für die kämpfenden Truppen sicherstellen sollte.

                                            Siebzig Prozent der Fahrer waren schwarze Soldaten, wodurch wichtige Nebenrollen für Sidney Poitier und andere farbige Schauspieler reserviert sind, was zur Entstehungszeit ein Novum darstellte. Die Geschichte ist interessant genug und durch Boetticher's professionelle Routine wie üblich kompakt und kurzweilig inszeniert. Zwischenmenschliches steht zwar im Mittelpunkt, doch einge Action-Szenen gibt natürlich auch. Dokumentarisches Material wurde ebenfalls eingepflegt, wiewohl trotz des standardisierten Ablaufs der Handlung, vertreten durch Versatzstücke wie z.B. der Rivalität zwischen dem Lieutenant und Sergeant Kallen (Alex Nicol), genretypische Stereotype nicht ausbleiben.

                                            Der vornehmlich für seine Western bekannte Regisseur hatte aufgrund seiner eigenen, noch nicht lange zurückliegenden Kriegserfahrungen nur wenig persönliches Interesse an dem Stoff, was unter anderem der Tatsache geschuldet war, dass in seinen Filmen normalerweise Charaktere im Mittelpunkt stehen, die nicht fremdgesteuert sind und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.  Was den Film von seinen Zeitgenossen unterscheidet, ist die Darstellung des unverhohlenen Rassismus in der Truppe und die Selbstbehauptung der afroamerikanischen GI's. Die sozialpolitische Komponente des Themas böte jedenfalls hinreichend Potenzial für eine erneute Verfilmung der Operation Red Ball Express.

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                                            • TOP TEN DOKUS

                                              JAMES ELLROY: EIN AMERIKANISCHER ALPTRAUM (Reinhard Jud, 1993)
                                              LOOKING FOR RICHARD (Al Pacino, 1996)
                                              BEAUTIFUL LOSERS (Diethard Küster, 1997)
                                              MAJESTÄT BRAUCHEN SONNE (Peter Schamoni, 1999)
                                              EASY RIDERS, RAGING BULLS (Kenneth Bowser, 2003)
                                              PASSION & POETRY (Mike Siegel, 2005)
                                              SCHATTEN ÜBER DEM KONGO (Pippa Scott & Oreet Rees, 2006)
                                              DIE MONDVERSCHWÖRUNG (Thomas Frickel, 2010)
                                              CHUCK NORRIS UND DER KOMMUNISMUS (Ilinca Calugareanu, 2015)
                                              ALL OR NOTHING AT ALL (Alex Gibney, 2015)

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                                                NEW YORK - PARIS NONSTOP: WETTLAUF DER FLUGPIONIERE von Dokumentar-Filmer Mathias Haentjes erzählt die Geschichte der tollkühnen Flugpioniere (u.a. Charles Lindbergh), die Mitte der 1920er-Jahre um den Orteig-Preis, damals immense 25.000 Dollar, konkurrierten und mit ihren waghalsigen Atlantik-Flügen nicht nur der Entwicklung der Luftfahrt einen enormen Schub verpassten, sondern auch ein ums andere Mal ihr Leben riskierten. Von den sechzehn Teilnehmern kehrten nicht alle zurück. Ist der Sieger auch bekannt, so abenteuerlich wird die Geschichte dahinter erzählt und endlich allen anderen Teinehmern ein Gesicht gegeben. Zusammengetragen wurde sie von Sachbuch-Autor Joe Jackson in seinem fulminanten Buch ATLANTIKFIEBER (mare Verlag, 2013), welches die Grundlage für diese zwar konventionell hergestellte, doch sehr informative Dokumentation lieferte. Erfreulich ist, dass Jackson selbst zu Wort kommt, sowie einige Historiker und Experten, welche viele Details beisteuern. Der inhaltliche Reichtum der Vorlage wird leider nicht erreicht und auch den erzählerischen Spannungsbogen des Werkes sucht man vergebens, was jedoch nur bei Kenntnis desselben auffallen dürfte. Dafür gibt's jede Menge Original-Bildmaterial, sowohl in Form von Photographien, als auch filmischen Aufnahmen. Jetzt bis 19.08.2025 in der arte-Mediathek zu finden.

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                                                  AMSAL von Choi Dong-Hoon ist ein spektakulär inszeniertes, auf mehreren Zeitebenen spielendes, vielschichtiges Spionage-Epos mit beeindruckenden Schauspiel-Leistungen und fulminanten Action-Szenen. Im von Japanern besetzten Korea wird die junge Scharfschützin Ahn Ok-yun ausgewählt, gemeinsam mit zwei anderen Auserwählten ein Attentat auf den Kollaborateur Kang In-guk zu verüben. Was sie nicht weiß ist, dass die Zielperson ihr Vater ist, der einst ihre Mutter umbringen ließ und Ahn's Zwillingsschwester aufzog, während sie selbst von ihrer Amme vor dem sicher geglaubten Tod gerettet wurde. Während viele Charaktere die komplexe politische Situation im historischen Setting verschiedener Schauplätze bevölkern, schälen sich langsam ein paar Hauptfiguren heraus, bei denen nicht immer klar ist, ob ihnen zu trauen ist. Ein Geflecht aus Intrigen, Lügen und Verrat verdeutlicht die schwierige Lage, der jede und jeder der Protagonisten jederzeit zum Opfer fallen kann. Die deutsche Synchro ist zwar hochwertig, wirkt aber etwas steril, sodass die OmU-Fassung vorzuziehen ist.

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                                                    JACK MCCALL, DESPERADO von Sidney Salkow macht ohne Not aus der historisch verbürgten Tatsache um die feige Ermordung Wild Bill Hickock's durch den Banditen Jack McCall eine Umdeutung zur Heldengeschichte und aus dem Täter einen unschuldig Verfolgten, der zum gerechten Rächer wird. McCall (George Montgomery), der als Südstaatler in der Unionsarmee dient, wird durch einen Fehler zum Verräter gebrandmarkt und verurteilt. Nach seiner Flucht gilt er als Desperado, will aber nur nach Hause. Sein früherer Offizier Hickock (Douglas Kennedy) verfolgt ihn, verpasst ihn aber und tötet dessen Familie. Später in Deadwood begeht Wild Bill im Amt des Sheriffs weitere Verbrechen, bis McCall ihn stellt. So weit, so verdreht, doch sieht man einmal davon ab, ist es ein handwerklich solide produzierter Western mit ebenso soliden Darbietungen, der von seiner Prämisse abgesehen genauso solide unterhält. Neben dem Bürgerkrieg, Indianerkämpfen und Postkutschenüberfällen werden auch noch zarte Bande der Liebe geknüpft, viel Inhalt also, damit es ja nicht langweilig wird. Demzufolge ist das Montgomery-Star-Vehikel nichts besonderes, aber auch kein Totalausfall, reiner Durchschnitt eben. In einer Nebenrolle ist übrigens LONE RANGER's Tonto Jay Silverheels als Häuptling Red Cloud zu sehen.

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