jeffcostello - Kommentare

Alle Kommentare von jeffcostello

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    Es ist Lockdown und mir war langweilig, daraus ist dieses Video entstanden, vielleicht hat ja einer von Euch Freude dran:

    https://www.youtube.com/watch?fbclid=IwAR1v8JB7jLGKGkdUahX8uYOZTa28isdMQcYTmz4QAk_v8EZDbo5QbdtYt_E&v=SyuTPXTijdM&feature=youtu.be

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      jeffcostello 06.01.2021, 20:25 Geändert 06.01.2021, 23:36

      Filme können einem die Welt aus den Augen eines anderen Menschen
      zeigen, die Kamera kann etwas sichtbar und begreifbar machen, was ohne
      die Kamera nicht sichtbar wäre, eine andere Perspektive. Nicht nur im Sinne einer anderen Blickrichtung, sondern im Sinne einer ganz anderen
      Wahrnehmung und Verarbeitung der Wirklichkeit. Zum Beispiel die Welt, die Paul Thomas Anderson uns durch die Augen von Kleinunternehmer Barry (Adam Sandler) zeigt. Er hat eine kleine Wohnung in L.A., eine einigermaßen erfolgreiche Firma die Pümpel herstellt und sieben Schwestern.
      Seine Welt ist zum zerreißen gespannt: Jeder Kontakt mit einer anderen
      Person ist eine Erschütterung, jedem Blick fühlt er sich ausgesetzt, jedes
      Gespräch ist eine Reizüberflutung, das durch die Welt gehen ist eher ein
      ständiges in Sicherheit fliehen, als ein neugieriges, lustvolles Leben. Jedes
      mal die Wahrheit sagen könnte zu viel der Preisgabe gewesen sein, nach
      Interaktionen, nach Nähe muss Barry sich immer zurückziehen, in Sicherheit, in Sich und die Kamera folgt ihm dabei.
      Wir sehen Barry dabei bedingungslos, in vielen langen, ungeschnittenen
      Tracking Shots. Paul Thomas Andersons Inszenierung schafft Arrangements der inneren Isolation. Wir sehen und spüren die innere Erschütterung, sehen wie er Toiletten im Restaurant zerstört, wenn das Gespräch ihn überfordert hat, Wände einschlägt, wenn er eine schlechte Nachricht bekommt, die er nicht verarbeiten kann und sehen wie er dabei immer auch körperlich kaputt geht. Und wir spüren es auch geradezu, „Punch Drunk Love“ ist eine regelrecht körperliche Erfahrung, die ständige, laute, unerbittliche Musik macht den Zuschauer mürbe, sie überfordert, wie Barry von der Welt überfordert ist, schnelle Kameraschwenks und dauernde Überbelichtung nehmen die Orientierung.
      Der Film erzählt dann die Liebesgeschichte zwischen Barry und Lena (Emily Watson), die ihn über eine seiner Schwestern kennen lernt, sich sofort zu ihm hingezogen fühlt und versucht zu ihm durchzudringen. Die Inszenierung, die derart an die Perspektive einer Figur gebunden ist, quasi aus der Figur heraus erzählt (es gibt beinahe keine Szene ohne Barry) erzählt diese
      Liebesgeschichte dann als einen Kampf gegen sich selbst. Die
      Notwendigkeit sich der Welt und der anderen Person zu öffnen ist die
      eigentliche Erzählung. „Punch Drunk Love“ ist dabei fast schon ein Musical, Adam Sandler rennt, läuft, fällt und tanzt sich durch die Bilder, die
      allgegenwärtige Musik kommt schließlich auch aus ihm heraus in den Film.
      Nach dem Film hat man das Gefühl man weiß was zu tun ist: Die Deckung
      runternehmen, öfter echte Begegnungen zulassen. Und was könnte Kino
      auch schöneres sein, als die Vorbereitung auf und die Aufforderung zu echter Begegnung danach. Nach dem Kino fängt schließlich das Leben an.

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        jeffcostello 21.12.2020, 13:13 Geändert 05.01.2021, 19:14

        Anstatt der üblichen Top Ten Liste ein dieses Jahr etwas anderer Rückblick:

        Normalerweise würde ich dieser Tage an meiner jährlichen Top Ten Liste rumbasteln, die Filme noch einmal Revue passieren lassen, noch einmal nachsehen, welche Filme denn in diesem Jahr offiziell wie und wann in Deutschland erschienen sind und das Jahr als filmische Miniatur nochmal nacherleben. Präziser im Nachhinein sogar, weil sich erst jetzt zeigt, welche Filme man liebt, zu welchen Filmen eine Beziehung entstanden ist. Oft sind das nicht die Filme die man am besten bewertet hat. Zuneigung ist halt doch nicht objektivierbar und Liebe zeigt sich erst mit der Zeit. So oder so, das Erstellen der Bestenliste ist immer ein Vergnügen, nicht nur weil jeder Kinofreund Listen liebt und Listen den Vorzug haben, dass man sie nicht allzu ernst meinen muss, weil sie eh eine Stunde nach Erstellen schon wieder obsolet sein könnten, sondern auch weil man herausfindet welche Filme wirklich etwas mit einem zu tun hatten.
        Normalerweise schöpfe ich am Ende des Jahres aus einem Pool zwischen 25 und 50 (in sehr guten Jahren) gesehenen Filmen, die meisten davon im Kino, einige immer am Jahresende auf DVD oder als Stream nachgeholt, auch immer ein paar Fernsehfilme dabei. Dieses Jahr habe ich aber einfach zu wenig gesehen. Nicht, weil nicht genug interessante Filme erschienen sind. Oft war nicht die Zeit für Kino, nicht die Gelegenheit für Kino, ich wusste nicht, ob ich es wagen sollte, oder man hat eben eher nach tröstenden Filmen gesucht, Filme die man schon kennt, auf die man sich verlassen kann, als sich auf etwas neues einzulassen.
        Obwohl ich natürlich zu Hause nicht weniger Filme geschaut habe als sonst, sondern eher mehr, habe ich Kino nach einiger Zeit schrecklich vermisst, mit derselben Sehnsucht wie man einen guten Freund vermisst, wenn man ihn eine Zeit lang nicht gesehen hat. Dafür gibt es einfach keinen Ersatz, Filme im Kino schauen ist ein Verlangen ganz für sich. Deswegen glaube ich, wird das Kino diese Krise auch überstehen. Aber Filme zu Hause schauen ist nach wie vor nicht nur eine Ersatzhandlung, sondern eine wunderbare, intime und legitime Art und Weise der Rezeption. Schließlich habe ich mir, wie wohl die Meisten von uns, die Kinogeschichte größtenteils zu Hause, auf dem Fernseher, erschlossen. Und dadurch wurde sie keinen Deut ärmer.
        Im Kino zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown konnte ich „Midsommar“ von letztem Jahr nachholen, ganz alleine im größten Kinosaal der Stadt und wurde von diesem wunderbaren, betörenden und unglaublich lustigen Film ganz und gar eingenommen.
        In „Vergiftete Wahrheit“ konnte man sich in Ed Lachmanns Bildern verirren, die mühelos zwischen dem Horror von Büroräumen und dem Horror von dem Wahnsinn anheim gefallenen Zombiekühen erzählt haben. „Uncut Gems“ 35mm Bilder haben nach Kino geschrieen, aber auch zu Hause auf dem Fernseher ihre Wirkung entfaltet. Adam Sandler zuzusehen, wie er versucht in einem kapitalistischen Niemandsland zu bestehen, indem er dessen Logik ganz in sich aufsaugt, war eine der schönsten Filmerfahrungen des Jahrs. Apropos Sandler:
        „Hubie Halloween“ ist einer seiner verrücktesten Filme seit langem und war zu Halloween ganz besonders schön. Wenn man einen safen Netflix-Deal hat, kann man es sich wohl leisten manchmal auch solche schönen, absurden Filme zu machen. Ebenfalls zu Halloween gab es „Dawn of the Dead“ im Kino – ich konnte trotz allem nicht widerstehen. Der Film hat sich angefühlt, als würde ihn die Gegenwart gerade aus sich selbst heraus entstehen lassen.
        „Tenet“ habe ich auf 70mm geschaut und ich glaube, das ist ein Film, der mir nur in so einem Jahr so gut gefallen konnte.
        Ein paar Filme haben mich überrascht: „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ habe ich ganz ohne Erwartungen geschaut und war begeistert, wie der Film die Groundhog-Day Struktur nutzt, um zu zeigen, wie schwer es ist, uns der Problematiken unseres alltäglichen Lebens klar zu werden, wie viele Wiederholungen man braucht, um wirklich alles Falsche und alle Lügen am eigenen Leben, der eigenen sozialen Gruppe zu durchschauen. „Die Drei Tage des Condor“ habe ich nach langer Zeit wiedergesehen und diesmal, da ich den Plot schon kannte, hat die Liebesgeschichte zwischen Redford und Dunaway den ganzen Film für mich eingenommen, ihn viel reicher gemacht, als bei der ersten Sichtung.
        Mein städtisches Arthouse Kino hat seine Säle auch privat vermietet, eine gute Gelegenheit, um einen Film wie „Children of Men“ mal im Kino zu sehen.
        In einem Anfall von cineastischem Pflichtgefühl habe ich im ersten Lockdown ein paar Kurosawas nachgeholt, „High and Low“ und „The Bad Sleep Well“ und es hat sich so angefühlt, als würde ich ein ganz neues Kino sehen: Kurosawas Bilder fassen ständig große Personengruppen ein, deren Anordnung und Bewegungen durch den Raum erzählen eine ganz eigene Geschichte unter der eigentlichen Geschichte, oder eher die eigentliche Geschichte unter der Geschichte.
        „In the Mood for Love“ habe ich – weil ich meine Blu-ray verliehen hatte, aber trotzdem Lust auf den Film hatte – als ziemlich schlechten Stream gesehen, aber das war egal: Christopher Doyles Bilder haben der schlechten Qualität einfach getrotzt und der Film war berührend wie nie zuvor.
        Apropos Rückzug in ein Kino, dem man vertrauen kann: Die Indiana Jones Filme habe ich alle wieder gesehen und muss sagen, dass es wohl beinahe unmöglich ist Filme zu machen, die so gut sind wie „Raiders of the Lost Ark“ und vor allem „Temple of Doom“, aber auch der letzte Teil „Kingdom of the Chrystal Skull“ hat mir dieses mal wirklich gut gefallen, Spielberg ist halt Spielberg. Das sind wirklich, wie immer bei Spielberg, Filme die man direkt zweimal sehen will, einmal, um sie zu genießen und einmal um zu verstehen, wie das gefilmt, geschnitten und getrickst wurde.
        Ganz zum Jahresende gab es dann gestern wieder „Eyes Wide Shut“, auch ein Film der nach Kino schreit, den ich aber noch nie im Kino gesehen habe. Aber das ist völlig wurscht, der Film funktionierte Anfang 2000 auf dem Röhrenfernseher und er funktioniert jetzt auf dem 4k Flachbildfernseher. (Unfassbar die Vorstellung, dass "Eyes Wide Shut" und "Magnolia" beide 1999 erschienen sind, was ein Kinojahr).
        Nur „Jojo Rabbit“, der erste Kinobesuch des Jahres, kann sogar der sentimentalste Rückblick nicht besser machen, der ist und bleibt leider Scheiße, egal wie rosarot die Brille der Rückschau ist. Trotzdem: Es war doch ein schönes Kinojahr, im Kino und auch zu Hause.

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          jeffcostello 15.10.2020, 20:15 Geändert 15.10.2020, 20:38
          über Frantic

          Thrillerplots stellen immer einen Widerspruch zwischen Individuum und Gesellschaft her, eine Distanz dazwischen und der Plot besteht dann darin, diese Distanz zu überwinden und wieder zurückzufinden. Die Figuren können dabei die Gesellschaft von außen betrachten. Bei Hitchcock sind die Protagonisten oft aus der Gesellschaft hinausgefallen, weil sie zu unrecht eines Verbrechens beschuldigt wurden, David Fincher macht den Läuterungsprozess den das außerhalb der Gesellschaft seins bedeutet in "The Game" zum Thema. Es geht also um das Ausgestoßensein aus der Gruppe und gleichzeitig auch darum, was diese Außensicht mit den Figuren macht.
          In "Frantic" ist die Hauptfigur Dr. Walker eigentlich schon zu beginn, wenn noch alles vermeintlich in Ordnung ist, fremd, sie findet sich mit Jet-Lag in einem fremden Land wieder. Er ist als Arzt in Paris, um an einem Kongress teilzunehmen. Als dann seine Ehefrau aus dem Hotel entführt wird, verliert Fords Figur die Synchronisation mit der Gesellschaft, die Leute glauben ihm nicht, sie denken seine Frau betrüge ihn, habe ihn verlassen, sie finden ihn lächerlich und unangenehm, seinen gesellschaftlicher Status, den er oft anzubringen versucht, verfehlt seine Wirkung. Der Plot, den Polanski sorgfältig und in seine morbiden Details verliebt um einen McGuffin herum konstruiert stößt Walker dann in eine Welt internationaler Kalter-Kriegs Konflikte und Pariser Klein-Gangstern, speziell der jungen Drogenkurrierin Michelle. Abseits von Frau und Kindern, in einer völlig Fremden Welt verliebt er sich in diese Frau, in die Musik, die sieht hört, in ihre Lebensart, ihre Unbekümmertheit, ihre Jugend und Schönheit und lernt sich dabei selbst ganz neu kennen. Harrison Ford spielt das wunderbar, in seinem Spiel zerfließt Sorge mit Verwirrtheit und Scham. Polanski findet für diesen Zwischenzustand starke Bilder, der Tanz von Ford und Seigner beispielsweise, der gleichzeitig die Möglichkeit und Unmöglichkeit einer anderen Wirklichkeit zeigt.
          Das Ende spiegelt dann den Anfang, aber Fords Mimik und Ennio Morricones aufgewühlte Musik lassen keinen Zweifel daran, dass nichts mehr ist, wie es vorher war, mit viel Gewalt und Leid wurde die alte Gesellschaftsrealität ist wieder hergestellt, aber die Schlussszene zeigt, dass sich Dr. Walker in ihr nie wieder wohl fühlen wird, weil er sie von außen betrachten konnte und um ihre Gemachtheit weiß, weiß wie wenig sie doch mit ihm selbst zu tun hat.
          Polanski hat in einem Interview mal gesagt, sein Lieblingsfilm sei Carol Reeds "Ausgestoßen" und jeder seiner Filme ein Versuch diesen Film nach zu konstruieren. Mit "Frantic" ist es ihm ziemlich gut gelungen.

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            jeffcostello 31.08.2020, 16:45 Geändert 31.08.2020, 17:16

            Für Clint Eastwood ist die Liebe in "Die Brücken am Fluss" ein Ereignis, geradezu eine Bedrohung für die funktionierende Familienstruktur, sie ist etwas, das viel zu stark ist um es in das normale Leben schadlos integriert werden zu können, der Film begreift die Liebe als etwas, das gar nicht in die Gesellschaft gehören kann. Es werden vier Tage gezeigt, in denen sich der Fotojournalist Robert und die Hausfrau Francesca verlieben, für beide eine Durchgangsstation, eine Situation die aus dem Alltag, also ihrem normalen Leben, ausgelagert ist, in der sich beide, vor allem Francesca neu erfinden können, eine Kino Situation wenn man so will: Das Kino selbst ist ja eine Durchgangssituation, man verlässt das Leben für zwei Stunden, bloß um es in dieser Zeit reiner und konzentrierter als normal, wie in Brühwürfelform erleben zu können und man kann sich selbst in der Spiegelung mit den Figuren auf der Leinwand für diese Zeit neu und anders begreifen. Wie auch Francesca sich neu erfindet, neu zusammensetzt, sich neue Kleider kauft und geradezu ein Schauspiel aufführt um möglichst elegant und sophisticated zu wirken. Meryl Streep spielt das außerordentlich gut, ihr immer etwas manieriertes, steifes Spiel passt sehr gut zu ihrer Figur.
            Eastwood inszeniert den Film wunderbar, jedes Bild meint nur sich selbst, ist nur für die Figuren da, um ihnen Raum zu geben, und Eastwoods Bilder schaffen es, dass die Liebe der beiden Figuren die Welt verzaubert, das biedere Landhaus, die verregnete Straße, das Innenleben eines Trucks – Eastwood verzaubert die Alltagswelt. Einer der großen Liebesfilme.

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              jeffcostello 29.08.2020, 17:20 Geändert 29.08.2020, 17:32
              über Tenet

              "Tenet" ist ein unheimlich kindlicher Film: Jeder der schonmal mit einer Digitalkamera oder mit der Handykamera rumgespielt hat, hat sich schonmal einen Spaß draus gemacht, Sachen rückwärts ablaufen zu lassen und dann kommen die Freunde plötzlich aus dem Badesee auf den Steg geflogen und verpassen einem eine Ohrfeige. "Tenet" ist genau das, nur etwas teurer.
              In jeder Hinsicht ist der Film kindlich, es ist offenbar ein Film eines Regisseurs der die Bond Filme gesehen und geliebt hat, der sich ihrer Faszination nicht entziehen kann und der sie auch durchaus transportieren kann. Der eine kindliche Freude daran hat ein echtes Flugzeug in ein Gebäude rammen zu lassen. Deswegen ist es auch gar nicht so schlimm, dass Tenet ein unorigineller Film geworden ist, mit einem ziemlich unoriginellen Plot, weil er sich ja als Teil eines Genres, einer Tradition von Überwältigungs- und Actionkino versteht.
              Die Figuren haben keine Tiefe, keine Sexualität, teilweise nicht einmal Namen, alles ist nur Oberfläche, alles wird zum Formgegenstand, zur leeren Hülle, zum Erfüllungsgehilfen des Filmemachers, Figuren wie schöne Möbelstücke. Elizabeth Debicki, John David Washington und Robert Pattinson sind aber auch eben unfassbar schöne Oberflächen, denen man gerne zusieht.
              Hoyte von Hoytemas Kamera behält immer den Überblick, und gerade dieses Gefühl von Ordnung im Chaos macht die ansonsten etwas drucklosen, starren Actionszenen auch sehenswert. Eine Virtuosität und Schönheit wie bei George Miller in "Fury Road" erreicht die Action nicht, es gibt hier keinen emotionalen Überbau, die Action bei Nolan ist rein als geometrisches Spiel interessant.
              Was dem Film viel nimmt ist die wirklich rein behauptete Komplexität des Plots, die ihn überfrachtet und dem kindlichen, angenehm naiven Teil des Films entgegenwirkt und wie schon bei "Inception" (aber lange nicht so schlimm) oft in endlose Exposition ausartet. Wenn eines das nicht zu sehr ärgert, kann man mit dem Film aber durchaus seinen Spaß haben, er ist schön laut, sieht an vielen Stellen sehr schön aus und die Schauspieler sind allesamt derart sexy – und Nolan genießt diese Sexyness sichtlich – dass man sich kaum satt sehen kann.

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                jeffcostello 19.01.2020, 16:24 Geändert 19.01.2020, 16:48
                über 1917

                Kino als Erfahrbarmachen von extremen Erlebnissen (wie beispielsweise Krieg) – oft versucht durch besondere technische Umsetzung (beispielsweise hier ohne sichtbaren Schnitt, oder in Gaspar Noés "Enter the Void" durch den durchgehenden POV-Shot) – hat für mich nie funktioniert. Zum einen weil es ja so oder so immer nur ein Surrogat der Erfahrung ist, eine künstliche Erfahrung eben, der dann aber oft die Reflexion und Distanz fehlt und zum anderen weil das Kino an sich einfach ein unglaublich künstliches und reflexives Medium ist. Das gilt auch für den ähnlich gelagerten "Dunkirk", obwohl ich Nolans Film im Vergleich klüger finde.
                "1917" ist ein Abenteuerfilm und die Leichen und Ratten und zerstörten Landschaften, die die beiden Soldaten im Film durchlaufen, wirken immer wie frisch für sie drapiert. Da gibt es keinen (für die Figuren) langweiligen Moment, in dem die Zeit quälend vergehen muss, kein Moment in dem nichts Aufregendes geschieht und alle Momente in denen sich der Film dann doch versucht zu entschleunigen sind entweder reine Exposition bei der man die Drehbuchseiten hören kann, oder fallen ob ihrer Künstlichkeit völlig aus dem restlichen Film heraus. Um Krieg oder sich selbst als Kunstwerk zu reflektieren taugen sie jedenfalls nichts, Krieg wirkt hier eher ein bisschen so wie eine Fahrt durch eine Geisterbahn und die Monster die hier und da für ein paar Sekunden rausspringen sind die talentiertesten englischen Schauspieler (Cumberbatch, Firth, Strong), die von Mendes verheizt werden.
                Das einzige was man positiv anmerken kann, ist das Mendes und Deakins hier und da schöne Einzelbilder finden. Hätte gerne viele Oscars, wird vermutlich auch einige bekommen, wäre schade um die anderen, wirklich guten Filme, die dieses Jahr nominiert sind. Vor allem schade für Robert Richardson, dem ich den Kamera-Oscar für "Once Upon a Time ... in Hollywood" gönnen würde.

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                  jeffcostello 23.09.2019, 20:16 Geändert 28.09.2019, 02:10

                  Ad Astra hinterlässt mich zwiegespalten: Die Action wirkt oftmals deplatziert im Film und sie ist auch von James Gray inszeniert wie ihm lästige Pflichtschuld, ohne Druck, ohne Leidenschaft. Dadurch wirkt die Härte und die körperliche Robustheit, die Brad Pitts Figur – ein Mann der sich lange Zeit innerlich abgeschottet hat und sich nur durch seine (körperlichen) Leistungen definiert hat – eigentlich lange Zeit nur behauptet. Manchmal fühlte ich mich auch eher eingeengt als bereichert von Pitts Voiceover, das zwar die Verinnerlichung seiner Figur abbildet, aber gleichermaßen auch oft nur das Bild doppelt: Gleich am Anfang, wenn die Ehefrau von Pitts Figur ihn verlässt und er sie widerstandslos gehen lässt, zeigt Gray sie, obwohl Pitt sein Gesicht zu ihr hin wendet, immer nur in Unschärfe während Pitt aus dem Off sagt, dass er sie gehen ließ – das Bild erzählt eigentlich schon alles und doch wird es vom Voice-Over gedoppelt.
                  Erst in der zweiten Filmhälfte findet der Film dann zu sich. Gray macht es ein wenig wie Hitchcock in "Der unsichtbare Dritte", am Anfang sitzen alle Figuren in einem Raum zusammen und erklären den kompletten Plot, dann können Hitchcock, bzw. Gray den Rest des Filmes in Bildern erzählen. Auch der "Aufhänger" der Erzählung ist in "Ad Astra" nicht mehr als ein MacGuffin. Eigentlich – und das fand ich schön – will Gray nur Pitts Seele im Weltraum erforschen, wie sie getrieben von der Auseinandersetzung mit sich selbst immer tiefer in ein vernarbtes Unterbewusstsein vordringt, in Bildern, die aus dem Protagonisten selbst zu kommen scheinen. Deshalb greift die Kritik die behauptet, dass es unsinnig sei, dass "Ad Astra" im Weltraum spielt – denn diese Geschichte könne ja überall stattfinden – auch daneben. Der Weltraum ist, wie sowieso fast immer, nur eine Metapher für die Leute die ihn durchreisen und im Falle dieses Films ist es eine ausnehmend schöne (und filmische) Metapher. In der zweiten Hälfte werden die Bilder freier, der Film körperlicher und der ohnehin schon eher lose Plot löst sich gänzlich auf in einer Bilderflut, die so schön gemacht und gespielt ist, dass der Film mich doch berühren konnte, auch wenn mir Grays frühere Filme über jüdische Familien in New York besser gefallen haben, sie waren sicherer inszeniert und dichter erzählt.

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                    jeffcostello 14.08.2019, 16:31 Geändert 14.08.2019, 16:34

                    Schaut man sich diesen Film an, dann bekommt man wirklich den Eindruck, dass manchmal die "kleinen", die scheinbar weniger bedeutsamen Filme mehr über einen Regisseur und dessen Handschrift aussagen, oder weiter gehen, als die Hits oder Meisterwerke. "Man's Favorite Sport?" ist eine Variation der Geschichte von Hawks großen Komödien "His Girl Friday" und "Bringing Up Baby": Eine Person (in Ersterem eine Frau, in Letzterem ein Mann), die ihr Leben im Griff hat und verlobt ist, wird von einer anderen Person urplötzlich wie von einer Plage heimgesucht, die im Laufe des Films ihr ganzes Leben zerstört und am Ende ist sie doch in den Zerstörer oder die Zerstörerin, die in den Filmen auch wirklich eine beinahe monströse Präsenz einnehmen, verliebt. Allerdings waren die ausgeboteten Verlobten in "His Girl Friday" oder in "Bringing Up Baby" stets unangenehme Figuren, eine pedantische Nervensäge oder ein Langweiler. In "Man's Favorite Sport?" jedoch ist die Verlobte des Protagonisten Roger eine unfassbar erotische, angenehme, humorvolle Frau, es entsteht keineswegs der Eindruck, als wäre die Beziehung unglücklich gewesen. Auf der anderen Seite ist die Frau, die Rogers Leben einreißt nicht wie Cary Grant oder Katharine Hepburn in den anderen beiden Filmen eine enorm anziehende Person, sondern schlaksig, unsicher und ein wenig burschikos. Hawks ist hier also weitergegangen, er macht es seinem Publikum nicht mehr so einfach den Figuren in ihren Entscheidungen zu folgen und das Mysterium der Liebe ist am Ende umso dringlicher zu spüren.
                    Auch sonst ein sehr schöner Film, den Hawks so lässig und detailverliebt erzählt, dass man sich ihm nur zu gerne hingibt.

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                      jeffcostello 14.08.2019, 16:09 Geändert 14.08.2019, 16:29

                      "Cohen und Tate" ist schon ein ganz harter Brocken, ein Film der Seelenverwandt mit David Cronenbergs "A History of Violence" ist, was auch ein äußerst passender Titel für Eric Reds Film gewesen wäre. Genau wie Cronenbergs Film beschwört "Cohen und Tate" zu Beginn Amerika-Mythen, das erste Bild ist die ikonische Silhouette eines amerikanischen Landhauses, dahinter die Weite des amerikanischen Landes, ein Vater, der mit seinem Sohn vor der Veranda Ball spielt. Dann kommen die titelgebenden Killer, der besonnene Cohen (Scheider ist grandios) und der wahnsinnige Tate (Alec Baldwin übertreibt es ein wenig) ins Spiel, ballern die Farm in Stücke, entführen den Jungen, versuchen ihn durch die Nacht nach Houston zu fahren und ab da hat die Gewalt Besitz von dem Film ergriffen: Der Restliche Film spielt nur noch in der Nacht, alle Figuren sind infiziert von Gewalt, keine Figur ist dem Publikum durch die Inszenierung dabei nahe, nicht einmal das entführte Kind – im Gegenteil, Red beobachtet wie in der Druckkammer des Autos, in dem der Film sich hauptsächlich abspielt, jede der Figuren gleichermaßen die Gewalt, die sie in sich trägt so zerstörerisch wie möglich einzusetzen versucht. Der Film endet dann, nach wunderbar kompakten 80 Minuten puren Unwohlseins, so konsequent wie es nur geht – mit tödlicher Gewalt.

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                        jeffcostello 28.04.2019, 14:30 Geändert 28.04.2019, 16:00

                        Es gibt viele schöne Momente in diesem Film, einer meiner Liebsten gleich am Anfang: Jack Nicholson irrt durch ein Wüstenkaff auf der Suche nach jemandem, der ihn versteht und ihm helfen kann, wird aber nirgendwo fündig. Nach etlichen gescheiterten Verständigungsversuchen plötzlich ein Blickkontakt, Schuss und Gegenschuss, mit einem Mann der vor einer Hütte sitzt und direkt gibt es die Gewissheit, dass er ihn verstehen wird, dass er dort Hilfe finden wird. Die Bilder wissen es bereits vor dem nächsten Schnitt, der es dann offenbart.
                        Nicholson spielt einen Reporter, der aus seiner Existenz auszubrechen versucht, indem er die Identität eines toten Bekannten annimmt und mit dieser Identität eine Irrreise durch Europa antritt. Antonionis Bilder verorten die Figuren in einer Welt, in der sie von deren grenzenloser Weite oder ihrer grenzenlosen Fülle schwindeln und darin irre werden.
                        Am Ende steht die Frage eines Ermittlers an die zwei Frauen im Leben der Hauptfigur – seine tatsächliche Ehefrau und seine Geliebte, die er auf seiner Odyssee kennen gelernt hat –, ob sie sich zu ihm bekennen, was nur letztere tut. Das wiederum ist vielleicht Antonionis abschließendes Bekenntnis, dass man auch, oder vielleicht eben gerade in der Fiktion zur Wahrheit finden kann.

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                          Es gibt immer ein Unwohlsein, einen Zweifeln gegenüber dem Kino, man will sich dem Kino zwar hingeben, es lieben, seine Schönheit und Anmut bewundern, aber man weiß auch, dass es immer Manipulation ist, Ausüben von Macht. "Opera" macht dieses Gefühl des Unwohlseins gegenüber dem Medium zum Thema, am deutlichsten immer dann, wenn die Hauptfigur gezwungen wird den Morden zuzuschauen, wenn das 'Wegsehenwollen' und das 'Hinsehenmüssen' auf einen Moment gebracht wird. Diese Momente, in denen die Beziehung zum Kino sozusagen dann kippt, die inneren Brüche, versucht der Film formal zu markieren und manchmal entstehen so die wahnwitzigsten und allerschönsten Brüche die man sich nur denken kann. Dabei versucht Argento nie, sich dieser Uneindeutigkeit, diesem Unwohlsein zu entziehen, es zu erklären oder aufzulösen, wie es viele schlechtere Filme, die sich mit Kino und Gewalt auseinandersetzen tun, er sorgt im Gegenteil dafür, dass sich sein Film immer genau in diesem unangenehmen Zwischenraum aufhält, weil dieser Zwischenraum der Raum des Kinos ist. Nach dem nachgeschobenen Ende weiß man dann gar nicht mehr, was war, was wird und was man davon halten soll und besser kann einen ein Film nicht zurücklassen.

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                            "After the Storm" ist ein Film über Armut und Geld, von denen es viele gibt, aber wenige die so eindrücklich sind, wie Koreedas Film. In "After the Storm" geht es nämlich auch visuell um Geld, die Suche nach Geld ist den Körpern eingeschrieben: Dauernd sieht man Umschläge mit Geld, oder Figuren die Geld zählen, Figuren die Geld suchen, Figuren, die über Geld reden, die mit Gütern handeln, oder auch ausgeklügelte Geldverstecke, die gefunden oder gesucht werden. Dadurch wirkt die Armut nie behauptet, sie ist immer Sichtbar, als Prozess der ewigen Suche, der immer auch eine Verletzung des eigenen Stolz anheftet, als Regression ins Kindliche, die bei der Bewusstwerdung des Erwachsenseins in Scham mündet. "After the Storm" fühlt sich zuweilen an, wie eine Screwball-Komödie, nur wird in den gestischen, aggressiven Dialogen nicht die Liebe, sondern das Geld verhandelt.

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                              jeffcostello 24.03.2019, 11:46 Geändert 24.03.2019, 11:56

                              Am Anfang sieht man ein französisches Ehepaar in einem teuren BMW-Cabriolet fahren, sie sind gut angezogen, sie hören Bach und sind auf dem Weg nach Berlin: Dort ist Jahre zuvor ihre dreijährige Tochter gekidnappt worden und die Mutter ist auch Jahre später immer noch auf der Suche nach ihrer Tochter. Das Stück das sie auf der Fahrt hören heißt: "Ich hatte viel Bekümmernis". Dann ein harter Schnitt, die Musik bricht ab, aus Bach werden Naturgeräusche, wir sehen die Tochter, verloren dastehen im Tiergarten, der in dem Film ein bisschen so wirkt wie ein gefährlicher Märchenwald. In diesem Schnitt steckt der ganze Film, die ganze Erzählung: Die Eltern sind zwar verdammt zur ewigen Suche, aber sie haben wenigstens Geschichte, haben sich durch ihre Trauer wieder in eine Geschichte zurück gekämpft, das Bach-Stück erzählt von ihrer Trauer und ihrem Schmerz, sie haben eine Bewegungsrichtung und sei es auch nur die der Suche, sie haben vielleicht auch ihre Liebe. Das Mädchen, Nina, hat keine Geschichte, Musik und Bewegungsrichtung brechen ab, sie ist herausgefallen aus der Erzählung und zum titelgebenden Gespenst geworden und Berlin, so wie Petzold es filmt, zur Gespensterstadt. Nina wandelt durch die Orte, die von den Menschen abgewandt existieren, Hinterhöfe, Wälder am Stadtrand, Kaufhäuser, in denen sie erst recht merkt, dass es nicht mehr verbindendes zwischen ihr und anderen Menschen gibt. Ihre Odyssee durch Berlin mit Toni ist der Versuch sich wieder zu materialisieren.

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                                jeffcostello 16.03.2019, 12:19 Geändert 17.03.2019, 16:52

                                Am Anfang ein Travelling: Die Kamera gleitet über ein altes Messingschild auf dem Hollywood steht, über eine Hauswand in ein Zimmer zu einem Bett, kommt also, wie Christian Petzold einmal über den Beginn des Films geschrieben hat, aus der Vergangenheit und sucht die Gegenwart ab, nach etwas, das sie von früher kennt und in Philip Marlowe, der schlafend auf dem Bett liegt, wird sie fündig. Er ist in der Vergangenheit verhaftet, fährt in einem Auto aus den 40er Jahren durch das Los Angeles der 70er Jahre, in dessen Herz er lebt, in einem Glasappartement mit Blick auf die Stadt, zu der er aber nicht gehört: Die kiffenden, dauernackten Hippie-Mädchen die neben ihm wohnen versteht er längst nichtmehr, die Irrungen des neuen Falls, den er bearbeitet durchdringt er nicht mehr. Alle Nebenfiguren reißen sich um Marlowe, wollen etwas von ihm, aber zu keiner Figur kann er ein wirkliches Verhältnis herstellen.
                                Dabei lässt Altman aber keinen Zweifel, dass "The Long Goodbye" ein gegenwärtiger Film ist, Vilmos Zsigmonds L.A. Bilder strahlen in satten Farben, das Meer und die Palmen, zu denen der Film immer wieder zurückkehrt beschwören die Lebendigkeit des Ortes, ein noir-artiges Voice-Over wird ausgetauscht gegen verwirrte Selbstgespräche eines überalterten Helden. Wie auch "Chinatown", der andere große New Hollywood Private Eye Film, evoziert auch "The Long Goodbye" eine Gegenwärtigkeit. Polanskis Film setzt Figur und Zeit zwar synchron, entscheidet sich aber auch gegen schwarz-weiß oder eine ausgestellte Retro-Ästhetik sondern belebt L.A. in strahlendsten Farben und lässt keinen Zweifel an der Gegenwärtigkeit des Geschehens, liegt es auch noch so weit in der Vergangenheit.
                                Trotzdem sind die Brüche immer sichtbar in Altmans Film, zwischen den Figuren, den Zeiten, dem Erzähler und dem Erzählten, sie sind in den Bildern: Einmal sieht man – durch die Glasfassade zum Strand hin zwei wichtige Figuren, die sich in ihrem Strandhaus unterhalten und als Spiegelung im Glas Marlowe am Meer, der mit der Unschuld eines Jungen vor den Wellen wegläuft. Alle zusammen in einem Bild und doch Welten zwischen ihnen.

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                                • Magnolia
                                  Wilde Erdbeeren
                                  Drei Farben: Rot
                                  Dame König As Spion
                                  Das Verhör
                                  Chinatown
                                  Rendezvous nach Ladenschluss
                                  Rio Bravo
                                  Die Unbestechlichen
                                  Das Grauen

                                  Ohne Reihenfolge. Die Liste könnte natürlich von Tag zu Tag anders aussehen. Irgendjemand hat mal gesagt, Listen in der Kunst wären der Versuch, das Unendliche zu Katalogisieren (was aber natürlich trotzdem immer wieder Spaß macht). Jetzt schon fange ich an mich zu hassen, weil kein Hitchcock drin ist.

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                                    jeffcostello 08.01.2019, 13:58 Geändert 08.01.2019, 15:46

                                    Nach dem Unfalltod von des älteren Sohnes, dem Suizid-Versuch des jüngeren Sohnes und seinem darauffolgenden Klinikaufenthalt setzt Redfords Film an und begleitet die Familie etwa über ein halbes Jahr durch Herbst und Winter. Redfords Film bleibt einfach: Meistens zeigt er wenige Figuren in klar aufgelösten Raumkompositionen, er fokussiert sich meistens auf Dialogszenen zwischen zwei Figuren. Durch diese einfache formale Anordnung gewinnt der Blick des Films auf die Familie Klarheit und Struktur, auch die Klarheit und Ordnung, die Probleme der einzelnen Familienmitglieder klar und deutlich aus dem Chaos der familiären Verflechtungen zu verdichten. Die bleichen, leblosen Herbst- und Winterfarben, die flachen, kargen Landschaften und das museumsartige Haus der Familie werden von Redford als passende Kulissen, für die innere Kälte, die in der Familie aufsteigt, genutzt. Manchmal sind die Figuren auch das einzige, was aus der Dunkelheit der Bilder heraus erkennbar ist. Und selten lässt Redford wirklich melodramatische Momente zu, einmal besonders schön, wenn der Sohn Conrad, als er am Fenster steht, ganz plötzlich rot und blau angeleuchtet wird, bevor das Bild wieder dunkel wird.
                                    Die Inszenierung stellt damit eine große Konzentration für die Dialoge und die Schauspieler her. Dialoge die von besonderer emotionaler Feinheit sind und nicht in den Reflex zu verfallen die Figuren erklären zu wollen. Die Schauspieler sind fabelhaft, Hutton ganz besonders, der sowieso einer der am meisten unterschätzten amerikanischen Schauspieler ist (siehe ganz besonders "Stark" von Romero). Redfords Film ist so beschaffen, dass er den Blick freistellt auf die Probleme und Konflikte der einzelnen Personen, er schafft eine (natürlich eben auch zum Teil künstlich wirkende) Ordnung aus der heraus der Zuschauer beobachten und begreifen kann. Das macht ihn so genau und berührend.

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                                    • 1. Polizeiruf – Tatorte
                                      2. In den Gängen
                                      3. Transit
                                      4. Die Verlegerin
                                      5. Brawl in Cell Block 99
                                      6. Der seidene Faden
                                      7. First Reformed
                                      8. Mission Impossible: Fallout
                                      9. Die Woche
                                      10. Mamma Mia 2

                                      https://www.moviepilot.de/liste/2018-top-10-jeffcostello

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                                        Der Vorwärtsbewegung der Reise nach Lund stellt Bergman die in die Vergangenheit gerichteten Bewegungen der Erinnerungen und Tagträume entgegen. Sind die Bilder der Reise impressionistisch, wie bei Bergman so oft Close-ups von Gesichtern, so sind die Bilder der Erinnerung expressionistisch. In der Gegenwart der Riese sind die Gesichter die Oberflächen an denen man die Welten im inneren der Figuren, die Untiefen unter der Oberfläche erahnen kann, die Erinnerungsbilder sind dann die Bilder der Welten im Inneren selbst, aber durch Symbole codiert, in Vorahnungen und Schuld behaftet. Im Wechselspiel entschlüsseln sie sich gegenseitig, geben sich gegenseitig Raum. In der Aufspaltung des Films in zwei verschiedene Bilderwelten liegt auch das Drama der Hauptfigur, die in dieser Spaltung verfangen ist. "Wilde Erdbeeren" ist ein Film bei dem es wirklich nur auf die Bilder ankommt, die Dialoge und das Voice-over sind nicht zuverlässig, nur in dem dämmrigen Zwischenzustand zwischen Gegenwart und Erinnerung, einem wirklichen Kinozustand, in dem Bilder ineinander verlaufen, kann Bergman einen wirklichen Raum für seinen Protagonisten finden.

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                                          In einer Szene kommt Leitmayr zu einer Wohnung, um eine Frau zu Befragen, ihre Tochter, die die Tür öffnet meint, dass sie schlafe. Die beiden gehen ins Schlafzimmer, die Frau hat sich erhängt: "Mama schläft an der Decke". Leitmayr setzt sich kraftlos aufs Bett, fängt an zu weinen, das Kind setzt sich daneben, teilnahmslos, stumm, in sich zurückgezogen. Der weinende Leitmayr wie ein Bild aus der Zukunft, wie eine unheilvolle Vorausdeutung auf die Schäden, die die Tat bei dem Mädchen noch anrichten wird. Gegenwart und Zukunft fallen in einem Bild zusammen. Es ist ein unerbittlicher Film, voller Brutalitäten und Hässlichkeiten, aber er ist nicht kalt, weder in seinen Bildern, noch in seiner Erzählhaltung, er solidarisiert sich mit den unterdrückten Figuren, er ist sentimental in seiner Inszenierung, die immer versucht den Zusammenhang zwischen Gewalt und ihren Folgen sichtbar zu machen. Folgerichtig ist Grafs Film sentimental, vereinnahmt von einer Traurigkeit, die sich auf allem ablagert, deswegen immer wieder wie verzweifelt Kalauer und Scherze, wunderbare Blödeleien, sonst würde man all das nicht aushalten.

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                                            jeffcostello 13.11.2018, 13:02 Geändert 15.11.2018, 11:08

                                            Am Ende des Films verlässt Mr. Arnaud Paris und geht auf eine monatelange Weltreise, er lässt seine tägliche Verabredung mit Nelly, der er für ein Buch sein Leben nacherzählt hat, damit enden. Am Ende sieht man dann beide, ihn am Flughafen, wie er schmerzlich zögert seinen Pass vorzuzeigen, als wäre er sich nicht sicher und sie in seiner nun leeren Wohnung, die ihrerseits zögert, diese ein letztes Mal zu verlassen. Diese Entscheidungen lassen Gegenwart zu Vergangenheit werden, lassen das was man bewältigen kann zu dem ewig unbewältigten, des Unterbewusstseins werden. In diesen Momenten wird aus der Gegenwart das Kino. Und darum geht es in Sautets ganzem Film, der so schön und dicht erzählt ist, dass es einem eigentlich erst in diesen letzten paar Minuten wirklich bewusst wird.

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                                              "Eine Stadt wird erpresst" ist sozusagen das Gegenteil eines John Ford Films: Wo es bei Ford oft um das Herausbilden einer zivilisierten Gesellschaft geht, geht es hier bei Graf um die Zerstörung von einstmals zivilisierter und funktionierender Gesellschaft. Und Dominik Graf nimmt die Westernbilder sehr deutlich auf in diesem Film und codiert sie um, die endlose Weite der Landschaft wird zu einem Zeugnis zerstörter Landschaft, das Bild von einer Reiterin in dieser Landschaft zu einer Flucht vor dem unausweichlichen Scheitern, nicht mehr dem Überwinden von Grenzen, oder dem Erreichen der Freiheit. Die Geschichte, die der Film erzählt speist sich aus dieser Landschaft, eigentlich erzählt Graf von einem Ort und dieser Ort von sich selbst. In manchen Szenen gleitet der Film dann visuell fast schon ab in die Bilderwelten des Zombiefilms, wenn Menschen sich mit Feuerzeugen ihren Weg durch eine dunkle Diskothek bahnen, oder schwarze Silhouetten nachts über ein Feld geistern und versuchen eine bereits verlorene Vergangenheit wiederzubeleben. Wie die Zombies am Ende von Romeros "Land of the Dead". Der Zombiefilm hat die Zivilisation schon hinter sich gelassen, beziehungsweise hat diese sich entkernt und die Zombies sind das was von ihr übrig geblieben ist. Wenn die Western Utopie ausgeträumt ist, dann fängt der Zombiefilm an, Grafs Film verbindet diese Bilderwelten.
                                              In einer Szene verwandeln sich die Gesichter der Täter dieser titelgebenden Erpressung, die aus der Not heraus gehandelt haben, dass ihre Heimat zerstört wird, nach und nach in das Gruppenfoto einer harmlosen Hobby Fußballmannschaft – die Gespenster sind unter uns, sozusagen.

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                                                jeffcostello 10.10.2018, 09:49 Geändert 10.10.2018, 14:19

                                                In Thrillern geht es immer um Menschen, die ihre Synchronisation mit der Welt verloren haben, die an der Welt kranken. In "The Vanishing" trifft das auf Täter und Opfer zu und der Film stellt beide Figuren ins Zentrum. Am Anfang verschwindet eine Frau spurlos, ohne dass man die Hintergründe erkennt. Damit legt Sluizer die Dramaturgie seines Film glücklicherweise nicht auf die Frage fest, ob die Frau von einem der beiden Protagonisten entführt wird, sondern legt gleich zu Anfang offen, dass es passieren wird. Vielleicht ein bisschen wie bei Bresson und "Ein zum Tode verurteilter ist entflohen", dessen Titel das Ergebnis der Flucht ja auch vorwegnimmt, um den Fokus auf etwas anderes zu legen. So wie es Bresson unangenehm war Spannung aus der Frage zu erwirken, ob jemand hingerichtet wird oder nicht, scheint es sich bei Sluizer auch zu verhalten.
                                                Wenn es dann um den Hinterbliebenen des Opfers geht, den zweiten Protagonisten, zielen die Filmbilder auf den größtmöglichen emotionalen Effekt ab, versuchen den emotionalen Schiffbruch des Protagonisten zu erspüren. Geht es um den Täter sind die Bilder nüchtern und distanziert, sie versuchen durch ihr Abbilden zu Begreifen: Abläufe, Motivationen. Sluizer wählt seine Bilder so, dass deutlich wird, dass der Film nur in die Innerlichkeit des Opfers vordringen kann, nicht in die des Täters.
                                                Am Ende treffen sich Opfer und Täter und die Geschichte wiederholt sich, die Synchronität kann nicht wiederhergestellt werden, aller Versuche des Verstehens zum Trotz ist nichts klar und nichts konnte begriffen werden. Beinahe betroffen von diesem Ende flieht der Film in die Poesie der Bilder, die eine unwirkliche aber dringend herbeigesehnte Harmonie beschwören – zwei goldene Eier, die im Weltraum schweben. Ein beinahe unaushaltbar gruseliger Film.

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                                                  jeffcostello 03.10.2018, 12:48 Geändert 08.10.2018, 11:52
                                                  über Bullitt

                                                  "Bullitt" ist eigentlich ein ziemlich gradliniger Film, ein simpler Plot, simple, funktionale Dialoge, keine Schnörkel, sondern Kälte, Distanz und Präzision in der Inszenierung. Aber es gibt dann eine Szene, kurz vor dem Finale des Films, in dem Bullitt einen Streit mit seiner Freundin hat, die ihre gemeinsame Zukunft in Frage stellt. Und auf ihre Einwände antwortet er mit einem seltsamen Satz, der gar nicht so recht zu seiner Figur passt: "Time starts now". McQueen spielt das sehr schön, so als würde seine Figur selber nicht genau verstehen, was sie gerade genau sagen will, als sage sie es, weil es ihre unmittelbare emotionale Regung war. In dieser Szene wirkt es fast so, als würde sich der Film einen Moment lang für sich selbst, für seine kalte, distanzierte Erzählhaltung schämen, wie sich Bullitt in dieser Szene für sich selbst und seine Stumpfheit schämt. Diese Scham, die weder der Film, noch die Figur ablegen können, steckt konsequenterweise auch im Schlussbild. "Bullitt" ist wunderbar präzise inszeniert und sehr elegant strukturiert, fährt nach zwei Dritteln der Laufzeit einmal eine große Action-Szene auf, die Verfolgungsjagd, und entscheidet sich dafür für ein kleines, intimes Finale.

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                                                    jeffcostello 19.09.2018, 15:55 Geändert 19.09.2018, 15:56

                                                    Ganz am Ende von „Before Sunrise“, wenn die Liebenden Celine und Jesse sich am Bahnhof schon verabschiedet haben, zeigt uns Linklater nochmal alle Stationen ihrer Reise durch das nächtliche Wien: Einen Aussichtspunkt, eine Gasse, ein Weg am Flussufer, eine Kneipe, ein Park, ein Brunnen, wir sehen alle diese Orte in statischen Einstellungen jeweils für ein paar Sekunden, im kalten Morgenlicht, verlassen daliegen. Das sind die wichtigsten Bilder, die traurigsten Momente des Films, sogar trauriger noch als der Abschied am Bahnhof, weil die Liebe plötzlich wirklich sichtbar wird. Durch die Abwesenheit der Liebenden werden die Orte kalt und leer und die Erinnerungen die in sie eingeschrieben sind, mit der sie sozusagen beseelt sind, lassen die Leere wirklich schmerzhaft wirken. Es wird etwas sichtbar, was ohne die Kamera nicht sichtbar sein kann, nämlich die Liebe und was sie machen kann, nicht so sehr in den Menschen, sondern eher mit der Welt.

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