Martin Canine - Kommentare

Alle Kommentare von Martin Canine

  • Martin Canine 26.10.2018, 13:25 Geändert 06.11.2018, 02:44

    Gerade mit Stop Motion und Gummimasken habe ich bis heute ganz stark meine Probleme. Das hat so etwas Abtraumhaftes, Unwirkliches.

    Am Besten ist es für ein Kind denke ich, wenn es nur ins Düstere und Makabere geht, ohne, das wirklich etwas Gruseliges zu sehen ist. Hokus Pokus geht da schon klar, ein paar Sekunden aus Hexen hexen (heruntergenommene Maske) hat mich dagegen für die nächsten Tage fürchterlich traumatisiert. Hab den aber nie ganz gesehen, und nur dieses eine Mal.
    Ich fand als Kind auch die Harry Potter-Filme gruselig, aber das hat perfekt dazu beigetragen, dass ich die Filme als Achterbahnfahrt zwischen lustig, faszinierend, spannend und eben unheimlich empfunden habe. Ich würde auch die Jurassic Park-Filme empfehlen, die konstant Spannung aufrecht erhalten, ohne wirklich traumatisierende Schocker zu bieten, dar Dinosaurier eher als cool anstatt gruselig wahrgenommen werden. Oh, und der letzte Jurassic World hatte überraschenderweise mit der Schlafzimmerszene die vielleicht beste Sequenz seit der Küchsenszene im ersten Film.

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    • Der einzige Filmmoment, bei dem mir jemals wirklich schlecht wurde, ist die Eröffnungsszene von "Mäusejagd". Da musste ich tatsächlich würgen.

      Die meisten Szenen von der Liste sind entweder nur schockierend oder brutal.

      • "Lots of democrat nonsense, pushing LGBT propaganda down throat too" und Lady Gaga promoten. Wenn Gaga seit jeher für eins gestanden ist, dann ist es ein friedliches Miteinander aller Leute, egal welche Herkunft oder Sexualität. Noch dümmlicher kann man da gar nicht argumentieren.

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        • Mach es gut. Hast tapfer gekämpft.

          Meine Kindheit und auch die von vielen Anderen hast du auf jeden Fall bereichert. Danke dafür.

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          • Hab den Film nie als politisch inkorrekt wahrgenommen, einfach nur als mehr oder minder lustige Komödie.

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            • Boah ey... muss man jetzt echt homosexuelle Figuren besser behandeln als heterosexuelle anstatt gleich? Solange die Figur positiv dargestellt wird, seid doch froh.

              • Martin Canine 14.08.2018, 19:26 Geändert 16.08.2018, 19:05

                Bin nur hier, um darauf hinzuweisen, dass wir LGBTQ-Typen nicht alle so hirnamputiert sind. Das sind nur wieder die, die am Lautesten sind, und das sind halt leider die Dümmsten. 90% freuen sich einfach darüber, wenn wir repräsentiert werden, ohne jeden Scheiß auf die Waagschale zu legen.

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                • Wann ist eigentlich politisch inkorrekter Humor etwas schlechtes geworden? Also ich kann mich noch erinnern, als jeder "Borat" und "Drawn Together" verdammt witzig fand.

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                  • Hab Alf nie gesehen, aber dieses elende "der Zeitgeist hat sich geändert" kann ich im Bezug auf Humor echt nicht mehr hören. Wenn es einmal lustig war, ist es immer noch lustig. Was haben sich in letzter Zeit alle so?

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                    • Martin Canine 01.08.2018, 23:01 Geändert 01.08.2018, 23:02

                      Meine Mutter ist gerade dabei, zusammen mit mir die Filme der IMDB Top 250 anzusehen, um die Filmwelt kennenzulernen (so hab ich ja auch angefangen). Da sind 150 Minuten ziemlicher Standard fiel mir auf. Also unerträglich sieht anders aus.

                      Also ich bin hochgespannt auf "Suspiria", der Trailer sah angenehm artsy und eigenständig aus.

                        • Die ist tatsächlich vom Typ sehr gut getroffen. Finde es auch klasse, dass sie den Kleidungsstil so beibehalten haben. Mit etwas Glück wird das wieder so ein richtiger Abenteuerfilm wie zu meiner Kindheit um die Millenniumswende.

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                          • Hab THC nicht gesehen, reizt mich auch nicht... das hier allerdings... wird mal vorgemerkt.

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                              • FSK:
                                Sinnvoll, zumindest als Richtwert für Eltern, wobei sich da jede Familie selbst organisieren sollte und es nicht gesetzlich vorgeschrieben sein sollte. Vom Kinobesitzer sollte in Begleitung eines Erwachsenen der Besuch aber erlaubt sein.

                                Alles andere ist kompletter Schrott und fällt sehr stark in eine Richtung, die einem vorschreibt, was "Kunst" ist und was nicht, was ich für gefährlich halte. Es klappt bei uns in Österreich doch auch ohne Indizierung oder Beschlagnahme.

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                                • Martin Canine 15.05.2018, 09:10 Geändert 15.05.2018, 14:15

                                  "is not art"

                                  Ähm... doch. In einem Film durchaus.

                                  Irgendwie mag ich diese neue Debatte nicht, was Kunst darf. Da waren wir vor ein paar Jahren schon weiter, als der allgemeine Konsens galt: "Alles."

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                                  • Finde es schade, dass Michael Bay nicht mit an Bord ist. Der ist personifizierte Action. Positiv ist aber: immerhin ist dieser Idiot Jerry Stahl auch nicht mehr dabei. Da brauch ich keine Gewissensbisse mehr haben, wenn mir der Film gefällt.

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                                      über Saw VI

                                      “Saw VI” macht etwas äußerst Cleveres, um etwas, das ihm wichtig ist, dort zu verbreiten, wo es sonst wenig gehört wird: in das übliche Schema der Reihe, welches sich in der Zwischenzeit in der Landschaft der Horrorfans etabliert hat, flechtet der Film ein Anliegen ein, und das so nahtlos, dass es jedem Fan der Reihe wie Schuppen von den Augen fallen müsste. Nämlich gibt es eine Szene, in der John Kramers Figur zum Sprachrohr des Drehbuchautorduos wird, und an deren Stelle eine äußerst prägnante Kritik äußert, auf welcher dann ein Großteil des Filmes aufbaut. Mit dieser einen Szene gerät eine Lawine an moralischen Frage ins Rollen, welche durch einen steten Kontrast der beiden Seiten lebt.

                                      Nämlich übt “Saw VI” eine für einen Mainstreamfilm relativ scharfe Kritik am amerikanischen Gesundheits- und Versicherungswesen aus, welches ein Thema ist, das dort definitiv zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. In einer beeindruckenden Szene debattiert ein aufgebrachter Kramer mit einem Versicherungsleiter und legt dabei seine mit viel Überzeugung vertretenen Standpunkte vor. Dies ist die einzige Sequenz der Serie, in der wir spüren, dass die Figur des Jigsaw synonym mit den Filmemachern wird und sich eine gewisse Wut entlädt. Dieser Moment ist nicht nur außergewöhnlich emotional gehalten (nicht sentimental, eher mit Feuer und Flamme), sondern greift auch in die Welt der Politik ein. Wenngleich keine weitere Szene des Filmes jemals wieder derart deutlich politische Ambitionen erkennbar, so schwebt sie doch wie ein Schatten über den ganzen Film - denn besagter Leiter der Krankenversicherung ist dieses Mal die Ratte im Labyrinth.

                                      Und hier bewerkstelligt der Film eine kluge Einwebung der kritischen Ansätze mit der bekannten Struktur der ‘Saw’-Filmreihe. Denn wie wir bereits wissen lässt Jigsaw Menschen seine Martyrien durchleben, die das Leben nicht wertschätzen, quasi um sie “zu erziehen”, jedoch war seine Motivation nie so ausführlich geschildert und in so stark kritischem Tonfall gehalten wir hier. Natürlich: dieses Mal betrifft es ihn selbst, obwohl er, wie er sagt, wohlhabend genug wäre, um seine Behandlung selbst zu finanzieren. Nichtsdestotrotz agiert er hier nicht aus Rache, sondern wie immer aus reiner Ideologie heraus. Nur, dass er diesmal einen Standpunkt mit den Filmemachern teilt.

                                      Auf filmischer Ebene bleibt zu sagen, wer seinen Spaß am Thrill hatte, den die Story offenbarte, der wird auch hier vollends auf seine Kosten kommen. Die Jagd auf den Nachfolger von Kramer als neuer Jigsaw-Killer geht weiter und erneut muss gelobt werden, wie stark doch Detective Hoffman als Antagonist funktioniert. Seine Machtjonglage und Gewitztheit gibt ihm ein diabolisches, unsympathisches Gesicht unter seiner Fassade, allerdings wird es zunehmend brenzliger für ihn, der ja ständig an der Seite seines Feindes agiert, welcher ihm aber immer weiter auf die Schliche zu kommen droht. Hier gibt es eine Vielzahl an spannenden Situationen, wenn in einigen Szenen sein doppeltes Spiel aufzufliegen droht. Es ist dieselbe Art von Suspense, die einem ‘Columbo’-Krimi innewohnt, da wir den Täter kennen und die Annäherung an die Lösung des Falles aus seiner immer beklemmender werdenden Lage heraus mitbekommen.

                                      Der eigentliche Hindernisparcour, den der Versicherungsleiter durchlaufen muss, steckt voller Entscheidungen. Diese Fallen sind die Härtesten, da sie immer zum Tode einer Figur, welche nicht geprüft wird, führen. Allerdings sind es genau diese Entscheidungen, die das Opfer laut Jigsaw selbst täglich getroffen hat, allerdings mit wesentlich unmittelbarerer Folge, von der es keine Distanzierungsmöglichkeiten gibt. Leider ist seine erste Falle, in der er zusammen mit einem Kettenraucher zum Luft Anhalten aufgefordert wird, nicht sonderlich passend, unfair, schlecht begründet und effekthascherisch, was sich allerdings in weiterer Folge gänzlich ändert. Der Twist funktioniert hier so gut wie zuletzt in Teil 2. Und das, weil er an einer Stelle auftaucht, an der man nicht mit ihm rechnen würde, und das, obwohl man bei jedem Installment des Franchises bereits mit der Erwartungshaltung einer überraschenden Wendung herangeht. Zwar eröffnen sich durch ihn keine neuen Dimensionen in der Handlung, nichtsdestotrotz ist er ein überaus effektives Stilmittel, das den Effekt beim Zuschauer wirklich in die Höhe treibt.

                                      Langsam macht sich zwar bemerkbar, dass sich die Reihe in die Länge zieht und sich immer weiter in seiner Uminterpretation der Vergangenheit verschachtelt, jedoch ist noch genug Esprit und Handlung vorhanden, um nicht in Sinnlosigkeit zu verfallen.

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                                      • über Campino

                                        Er gestaltet seine Texte unprovokant?
                                        Ich meine schon.
                                        Er meint, dass Kunst nicht alles darf?
                                        Ich meine schon.

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                                            über Saw V

                                            (In jeder “Saw”-Review spoilere ich die Ereignisse der vorangegangenen Filme. Es gibt aber KEINE SPOILER zu “Saw V”.)

                                            Wenn man sich die Filme der ‘Saw’-Reihe ansieht, dann fühlt es sich in etwa so an, als würde man einer Serie folgen. Natürlich bin ich mit dem neumodischen Schnickschnack wie Netflix und der so hochgelobten neu gefundenen, filmischen Qualität der Serien ungefähr so vertraut wie mit dem Gefühl, eine blau angestrichene Knoblauchzehe in der Nase stecken zu haben, und gehe von daher vom alten, klassischen Fernsehen aus. Da war es egal, wenn mal hier und da was nicht richtig sitzt, man hat die Weitererzählung der Geschichte trotzdem mit Hingabe verfolgt. Ungefähr so verhält es sich auch mit der Reihe um den Puzzle-Mörder Jigaw. Es wird immer etwas Neues aus dem Hut gezaubert, das einen bei Laune hält, um sich ganz konventionell an der Fortführung der Handlung zu erfreuen. Das wird besonders dadurch hervorgerufen, dass wir uns zu Beginn der Filme immer sehr unmittelbar am Ende des vorangegangenen Teils wiederfinden - ganz so, wie bei den Episoden einer TV-Serie.

                                            Bei “Saw V” ist vom brillanten Aufbsu der ersten 3 Filme recht wenig zu spüren; nichtsdestotrotz kann man ihm eine würdige inhaltliche Erweiterung nicht absprechen, ebenso wenig wie ein ausgewogenes Maß an Spannung. Eine ungemeine Verbesserung zum 4. Teil ist im diesmaligen Fallenparcours zu finden, in dem sich fünf Personen wiederfinden, die allesamt scheinbar eine Verbindung aufweisen, wenngleich sie erst herausfinden müssen, um welche es sich handelt. Sie haben eine Reihe von Tests zu absolvieren, die von jedem maximale Anstrengung und Willen erfordern, wobei sie die Anweisung bekamen, entgegen ihres Instinktes zu handeln. Dieses Mal bringen die Fallen ihre Opfer vermehrt zum Nachdenken und Reflektieren über das eigene Handeln und über die Schuld, die sie in sich tragen. Auch das sich immer weiter zusammensetzende Bild, welche Gemeinsamkeit es zwischen den Personen gibt, fügt sich hier in die verdrehte jigsawsche Moralgeschichte elegant ein. Im Vergleich zum direkten Vorgänger, in welchem die einzige “Sünde” des Opfers Selbstlosigkeit war, eine enorme Steigerung.

                                            Parallel dazu wird gezeigt, wie Detective Hoffman versucht, den ihn verdächtigenden Strahm auszuschalten und als Sündenbock darzustellen, um selbst entkommen zu können. Überaus interessant sind dabei die Rückblenden, die nun nicht mehr auf die Hintergrundgeschichte John Kramers eingehen, sondern den Ursprung der Zusammenarbeit von Jigsaw und Hoffman erläutern. Das Interessanteste an diesem Ansatz liegt in der Figur von Hoffman selbst, der entgegen des guruhaften und stark idealistisch geleiteten Kramer und der emotional gesteuerten Amanda einen sehr harten, kalten und sadistischen Charakter hat.Tatsächlich gibt dieser Mann, der zwar gänzlich nach den Regeln Jigsaws agiert, dies jedoch doppelzüngig und genießerisch tut, einen fabelhaften Bösewicht ab. Trotz der unheimlichen Tortur, der er andere unterzieht, fällt es schwer, Jigsaw zu hassen.

                                            Das Schwierigste und Herausforderndste an der ‘Saw’-Reihe ist für den Zuschauer bekannterweise nicht, das Blut und den Schmerz auszuhalten, sondern sich moralisch zu positionieren. Es geht nicht. Die Opfer sind in nicht seltenen Fällen Arschlöcher, die Täter oftmals verständlich, die Methoden in jedem Fall komplett an der Grenze des Vertretbaren vorbei und ein Schatten der absoluten Eskalation kreist immer über Allem. Hoffman ist der pervertierte Schatten Kramers. Er macht exakt dasselbe wie sein Mentor, teilweise perfekt kopiert, allerdings meint er die vermittelte Moral nicht - bzw. zumindest nicht offensichtlich - ernst. Stattdessen inszeniert er sich als Machtjongleur, der ein Doppelleben lebt und es auskostet, als Polizist gefeiert und als Mörder gefürchtet zu werden, und hat gefallen daran, schlau genug zu sein, um alle an der Nase herumzuführen. Er sonnt sich in seiner eigenen Genialität und besitzt ein großes Ego. Er ist der Bösewicht, bei dem man sich auch nie scheut, ihn auch als solchen zu bezeichnen. Kramer handelt, so verrückt es auch klingen mag, absolut selbstlos, um Anderen zu helfen. In seiner völlig an jeglicher Relation vorbeischießenden Vorstellung sollen die Martyrien dazu führen, dass man das Leben mehr wertschätzt - sein eigenes oder das der Anderen. Hoffmans erster Mord war durch Rache begründet und bereits zu diesem Zeitpunkt gut geplant und geschickt manipuliert. Er bediente sich der Jigsaw-Morde und kopierte sie gekonnt, um keinen Verdacht auf sich zu lenken (man mag jetzt überlegen, wie lange John Kramer bereits sein Unwesen treibt, da alle Rückblenden in allen Filmen entweder vor Teil 1 oder vor Teil 2 spielen) - später tut er dasselbe, allerdings unter der Fittiche Kramers. Man mag ihn als treuen Jigsaw-Jünger bezeichnen, was er auch sein mag, allerdings ist seine Motivation fraglich und scheint eher ein Ventil für seine enormen taktischen Fähigkeiten zu sein.

                                            Die Beschäftigung mit dieser Figur macht auch “Saw V” wieder zu einer Folge der Reihe, die uns interessiert hält. Es passiert genug, dass wir sowohl innerhalb als auch außerhalb des Fallenmarathons hellhörig bleiben, und die Ausweitung des Jigsaw-Kosmos schreitet unentwegt voran, einstweilen ohne sich merklich zu verhaspeln und über sich selbst zu stolpern. Es bleibt wohl gemerkt die absolute Überraschung aus, und es zeichnen sich auch durchaus gewisse Schemen ab, nichtsdestotrotz verfällt das Franchise nicht wie so viele andere seiner Art im Verlust ihrer Persönlichkeit zugunsten des absoluten stilistischen Overkills. So viel Gewalt auch über die Bildschirme wandern mag - ‘Saw’ bleibt eine vom Inhalt getriebene Serie. Vorerst.

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                                            • Wollte grad nach der Überschrift den Trailer zu "The Congress" drunter posten... aber hab dann gelesen, dass ihr ja selber Bezug zum Streifen nehmt. Wobei ich den ja weit weniger dystopisch fand als andere.

                                              • 6 .5
                                                über Saw IV

                                                Vergleicht man die ‘Saw’-Reihe mit dem großen Genrevorbild ‘Sieben’, so fällt auf, dass es sich an vielen Stellen um 2 Seiten derselben Münze handelt. Ähneln sie sich in vielen Belangen - so wird etwa eine unvorstellbar brutale Mordserie nicht deshalb ins Leben gerufen, um Triebe zu befriedigen, sondern um der Welt auf die denkbar falscheste Weise eine moralische Botschaft zu vermitteln - so ist der Fokus doch deutlich anders. ‘Saw’-Filme leben von der Wahrnehmung der jeweiligen Opfer - den Leuten, die sich verantworten müssen - während ‘Sieben’ ihnen keine Stimme gibt, und sich auf die Gefühlswelt der Ermittler konzentriert. Was ist das Resultat dieses Unterschiedes? John Doe, der Killer aus ‘Sieben’, wirkt größtenteils wie ein fundamentalistisch eingestellter Fanatiker, der an der Welt, welche seines Erachtens nach immer weiter in die Sünde verfällt, durch ein Exempel wachrütteln möchte. Bei der Todsünde ‘Stolz’ gibt es zwar in den Grundzügen den Urtyp einer ‘Saw’-Falle, jedoch ist es Doe egal, ob sein Opfer überlebt oder überhaupt eine Chance hat. Ihm sind sie im Grunde egal - es ist die Welt, nicht die Individuen, die erzogen werden soll. John Kramer, auch bekannt als Jigsaw, ist hingehen deutlich komplexer und weniger plump in seiner Herangehensweise. Er möchte in den Leuten, die das Leben nicht zu schätzen wissen, eine gewisse Läuterung hervorrufen. Weiters sind seine Taten nicht religiös oder konservativ motiviert. Doe hat deutlich größenwahnsinnige und psychotische Züge, und schert sich nichts um seine Opfer, Kramer hingegen hat teilweise etwas von einem Guru, der ein Umdenken bewirken will. Dafür geht er ausgesprochen weit und legt teilweise auch das Leben einzelner Unschuldiger in die Hände anderer, die er testet. Nicht, dass er sich für besagte Tests immer Schuldige aussuchen würde - er unterzieht nicht nur gesetzlichen oder moralischen Verbrecher diesen Martyrien, manchmal auch Personen, die sich ihr Leben nur selbst schwer machen - und nimmt somit die Rolle eines gottgleichen Richters ein. Letzten Endes bleibt zu sagen, dass John Doe und John Kramer, so unterschiedlich verständlich sie auch sind, beide genauso böse agieren wie diejenigen, die sie richten.

                                                Warum schreibe ich all das? Nun, zum Einen habe ich soeben erst die ‘Saw’-Reihe gesichtet, wobei ich nur die ersten zwei Teile schon kannte, und gleich im Anschluss das filmische Meisterwerk ‘Sieben’, weshalb sich mir solche Gedanken geradezu aufdrängen, zum Anderen, um dem Franchise anzurechnen, dass es eine eigenständige Identität entwickelt hat, die sich von dem Vorbild doch in einigen Belangen unterscheidet, und trotz ähnlicher Prämisse andere Herangehensweisen darstellt - und diese auch zunehmend ausbaut, wie etwa in diesem Werk zu sehen ist.

                                                “Saw IV” steht ganz im Zeichen von Kramer. Wir bekommen deutliche Einblicke darin, wie sich der einst fürsorgliche und ruhige Mann zum Jigsaw-Killer entwickelte und welche Ereignisse ihn bewegten, die Spiele ins Leben zu rufen. Das Schwierige hierbei ist, dass charakterlich keine 180°-Wendung stattfindet; Kramer verliert hier vor Allem durch einen tragischen Zwischenfall seine Hemmschwelle im Kampf darum, anderen zur Läuterung zu verhelfen (davor half er seiner Frau, welche in einer Entzugsklinik arbeitet, nun hat er andere Methoden). Das macht ihn durchaus verständlich und gibt ihm sogar zugegebenermaßen extrem sympathische Seiten, die einen stellenweise fast vergessen lassen, wie viel unerträgliches Leid er Anderen zufügt. Das ist natürlich die größte Stärke und fatalste Schwäche des Filmes: er verwehrt einem die Schwarzweißzeichnung und drängt einen geradezu zur Differenzierung - aber manch einer läuft wohl auch Gefahr, eine Rechtfertigung für die angewandte Folter darin zu sehen, die es nicht gibt. Von einem John Doe kann man sich dank seines ausufernden Gottkomplexes und seiner mittelalterlichen Ansichten stets distanzieren, aber es gibt nicht wenige Szenen, in denen man mit Kramer mehr leidet als mit seinen Opfern, und man fragt sich, ob man die Jigsaw-Fallen nicht hätte verhindern können, wenn die Welt nicht so viel Abgefucktes in sich trüge. Ein interessanter Gedankengang für den, der analysiert, ein gefährlicher für den, der manipulierbar ist. Und auch sicher nicht der Urgedanke von James Wan und Leigh Whannell, die Kramer im ersten Film noch stellenweise unfair agieren ließen, voyeuristische Züge zusprachen und durch Formulierungen wie das berühmte “Ich möchte ein Spiel spielen” auch ein gewisses Vergnügen durchblitzen ließen. Womöglich war John Kramer ursprünglich ähnlich wie Doe als Psychopath geplant, der nunmal auch ein Fünkchen Wahrheit erkannt hat, dessen Bild sich aber vor Allem mit Teil 4 allmählich zu komplex gestaltet, um ihn als geisteskranken Triebtäter abstempeln zu können.

                                                So brillant sich auch der Mythos John Kramer in den Rückblenden zusammenfügt, so sehr schwächelt auch die Story in der Gegenwart. Leider beginnen hier auch deutlicher als in jedem anderen Film der Reihe gewisse dramaturgische und inszenatorische Schwachpunkte überhand zu nehmen.
                                                Nach dem grandiosen dritten Film, welcher sich mit dem Motiv der Rache, Vergebung und Selbstjustiz auseinandersetzte und so moralische Diskussionen anheizen konnte, ist die Begründung, weshalb das diesmalige Spiel eingeleitet wird, leider äußerst schwach - und wenn man ehrlich ist auch nicht unbedingt im Sinne John Kramers. Wer das Erbe des Jigsaw-Killers antritt wird nun zum zentralen Themas des Filmes. Dieser Nachfolge nimmt sich der Form des in ‘Saw III’ gezeigten Parkours an und stellt erneut eine Figur in die Mitte desselben, wo diese angehalten wird, über die eigenen Fehler zu reflektieren. Das Problem: sein Fehler ist keiner - es ist ein überaus starker Gerechtigkeitssinn und Selbstlosigkeit. Resümieren wir nochmal kurz: in Teil 3 wird ein von Rachegefühlen geplagter Vater, dessen Sohn überfahren wurde, dazu angehalten, zu vergeben und Empathie zu entwickeln. In Teil 4 ist nun das Gegenteil der Fall: unser Protagonist möchte jedem helfen, wird aber zu angehalten, diesem Drang zu widerstehen. Wir kennen John Kramer mittlerweile gut genug, bzw. lernen wir ihn hier gut genug kennen, um zu wissen, dass er solch einen Mann eigentlich nicht testen würde. Er wäre ein gutherziger Bürger, dessen Methoden Kramer allerdings als sinnlos abstempeln würde. Kurzum: ich kaufe das dem Film nicht ab. Und es ist leider ein nicht unerheblicher Teil des Werkes, das einem, anders als der Vorgängerfilm, auch keinen moralischen Diskurs ermöglicht: Selbstlosigkeit ist schlicht nichts Kontroverses oder Verwerfliches. Rache und Selbstjustiz sind hingegen komplexe Themen, die bei unterschiedlichen Leuten unterschiedlich rezipiert werden.

                                                Mit seiner Hintergrundgeschichte und dem Ende etabliert “Saw IV” Vieles, das in den weiteren Teilen von Wichtigkeit ist - in gewisser Weise ist er für diese sogar essenzieller als die Vorgänger, und führt einen äußerst bösen und kalten Antagonisten ein, der schon eher dem Bild des skrupellosen Killers entspricht als Kramer. Das ist allerdings erst in Teil 5 wirklich ersichtlich, und wird von daher leider auch nicht zu einem der großen Clous des vierten Filmes. Nichtsdestotrotz ist es schön, zu sehen, dass man sich immer noch vorwiegend um die Fortführung der Geschichte bemüht, und die Gewaltakte einen vergleichsweise geringen Teil der Gesamtlänge ausmachen.

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                                                  Martin Canine 27.03.2018, 10:36 Geändert 27.03.2018, 12:27
                                                  über Saw III

                                                  ‘Saw’ war ein Meisterstück. Brillant konstruierte sich aus Bruchstücken weiter und weiter ein gesamtes Bild, welches erst durch das gut platzierte letzte fehlende Teil der Wahrheit Gesicht enthüllt. Neben seinem gekonnten Aufbau verfügte der Film ebenfalls ein Höchstmaß an Ästhetik und konnte durch den gekonnten Schnitt, eine unklinisch verseucht aussehende Optik und ein punktgenaues Zusammenspiel auf der visuellen und akustischen Ebene einen Sog erzeugen, der dem Voyeur in uns schmeichelt, bevor er die Messerklinge genüsslichst wetzt. Erwähnenswert sei hierbei auch die Philosophie dahinter, welche sich mit dem Überlebenswillen auseinandersetzt und dies durch ein künstliches, quälerisches Martyrium erwirkt - eindrucksvoll gezeigt in jener Szene, in der Amanda im Verhörraum aussagt; eine Sequenz, welche in meinem Gehirn unmittelbar mit dem Gedanken an den Film verbunden ist wie eine mentale Nabelschnur.

                                                  ‘Saw’ entsprang dem Erbe von ‘Sieben’ und war konzipiert als Psychothriller, welcher in die Abgründe der menschlichen Seele blickt, konnte dieser Prämisse allerdings in seinem Aufbau, seinem unverwechselbaren Schnittstil und seinem Härtegrad seinen eigenen Stempel aufdrücken. ‘Sieben’ selbst strahlt wiederum im Unlicht des ‘Schweigen der Lämmer’, und will man die Kette weiter zurückverfolgen, so gelangt man irgendwann bei ‘Psycho’ und ‘Peeping Tom’ an, geht man noch ein wenig weiter so wird man letzten Endes bei ‘M - Eine Stadt sucht einen Mörder’ landen. Jeder einzelne dieser Filme kann von sich behaupten, seinem Genre neue Impulse gegeben zu haben, zur Inspiration für nachkommende Filmemacher geworden zu sein und sich somit einen Platz in der Filmgeschichte gesichert zu haben. Nun brachte der immense, unvorhersehbare Mainstream-Erfolg des Independentthrillers ‘Saw’ eine Reihe von Fortsetzungen und Copycats ins Spiel, die sich zumindest in den Augen der meisten Zuschauer allesamt weg vom Thriller- und hin zum Horrorgenre bewegten. Seine Nachahmer, und davon gab es zahlreich und vermutlich offenkundig mehr als von irgendeinem der anderen hier genannten, fokussierten sich auf den Aspekt der in den Filmen vorzufindenden Folterinstrumente, anstatt wie bei ‘Schweigen’ oder ‘Sieben’-Nachzüglern die gesamte Intention zu imitieren und auch durch Thrill, Charakterzeichnung und Motive in deren Schatten zu treten. Diese Flut an oftmals minderwertigen Mitläufern hat letzten Endes wohl auch dafür gesorgt, dass der eigentlichen 'Saw'-Reihe neben unheimlicher popkultureller Relevanz auch ein Schleier des zweifelhaften Rufes anhaftet. Torture Porn schimpft man - aber das ist freilich Mumpitz.

                                                  ‘Saw II’ hatte ich seinerzeit mit 9 Punkten äußerst gut bewertet. Meine Erinnerung sagt allerdings etwas Anderes. So merkt man diesem Teil relativ gut an, dass er ungeplant als Reaktion auf den Erfolg entstanden ist, und versucht hat, das Phänomen zu wiederholen. Das macht er zweifelsfrei überaus wirkungsvoll und er ist in der Lage, durch Gruppendynamik der Figuren und immer wieder gestreuten Hinweisen dauerhaft die Spannung auf dem Maximum zu halten. Nichtsdestotrotz zeichnet sich nur allzu gut eine Formel ab; der Film funktioniert wie nach einer Schablone auf genau dieselbe Weise und bringt der Reihe wenig Eigenständiges. Was bleibt ist allerdings immer noch ein überaus spannender, handwerklich grandioser Thriller. Ich denke jedoch, bei dieser hohen Wertung würde es heute dennoch nicht bleiben.

                                                  Nun macht “Saw III” einiges um ein Vielfaches besser als sein Vorgänger, in dem er einen neuen Fokus setzt. Aber reden wir zunächst über den Elefanten im Raum: wo die Vorgängerfilme ihre Figuren gut und gerne enormen Qualen aussetzten, fand sich dies alles im Rahmen der Sehgewohnheiten des Genres wieder und trug sich für uns vor Allem auf psychischer Ebene zu. “Saw III” fackelt nicht lange. Hier hängen Haken in allen denkbaren Körperteilen, um ihn auseinanderzureißen - und wir sehen jedes Detail. Hier geht man deutlich den Schritt in Richtung Horrorkino, um die Schmerzen so gut als möglich grafisch darzustellen. Ist das pure Bedürfnisbefriedigung, um den Fans das zu bieten, was sie schon seit Teil 1 genauer sehen wollten? Ja. Stört es den Film? Keineswegs.

                                                  Denn wenngleich sofort auffällt, wie drastisch hoch der Pegel der sichtbaren Brutalität abgehoben wurde, so glänzt die dritte Filmsäge vor Allem dadurch, die Philosophie des Jigsaw in den Vordergrund zu stellen. Mehr als jemals zuvor hat man das Gefühl, dass die Fallen und Tests darauf ausgerichtet sind, das Subjekt zum Reflektieren über seine eigenen Gefühle anzuregen. Derjenige, der getrieben ist von Rachegelüsten, sieht nun diejenigen, die ihm seiner Ansicht nach alles genommen haben, solchen unvorstellbaren Qualen ausgesetzt, dass er das Ausmaß seines eigentlichen Zornes überdenken muss. Seine vermeintlich gefühllosen Monster erscheinen blitzschnell als überaus deutlich verletzliche Leute und Opfer, die Schmerzen erleiden. Unheimlich starke Schmerzen. Um ehrlich zu sein: erstmals seit der Rückblende zu Amanda im ersten Teil wird klar, dass Jigsaw tatsächlich eine Läuterung bewirken will und kann. Hier geht es sogar noch weiter: Amanda weiß durch ihre Folter ihr Leben erst zu schätzen, aber Jeff, der hier den Protagonisten mimt, wird zur Auseinandersetzung mit der Tragweite seines dornenhaften Zornes angehalten, und wird dabei im Idealfall eine Einsicht erfahren. Man merkt hierbei, dass, egal, wie unvorstellbar grausam und falsch Jigsaws Methoden auch sind, sie dennoch einen Zweck erfüllen, der über pure Lust am Foltern hinausgeht. Die Ultra-Extrem-Erfahrung wird zum Auslöser für die Selbstdekonstruktion.

                                                  Allerdings besitzt auch dieses Werk wie seine Vorgänger zwei Geschichten, welche parallel ablaufen. Jigsaw liegt im Sterben, und eine Ärztin soll ihn am Leben erhalten, bis sein letztes Spiel vorbei ist, oder sie selbst muss aufgrund der an einer Apparatur um ihren Kopf angebrachten Sprengsätze sterben. Wir bekommen hier quasi etwas, das sich mit einem Blick hinter die Kulissen vergleichen lässt. Es beginnt damit allmählich die Reihe, dem gnadenlosen Rächer eine überaus zugängliche Seite zu verleihen, die uns teilweise überrascht, da man nicht nur einmal vergisst, was dieser Mann anderen Leuten für unsägliches Leid zugefügt hat. Nicht rein deshalb, weil er einen gewissen Sinn für Fairness und, auch wenn er selbst es abstreiten würde, Empathie besitzt, sondern weil der Aufbau seiner Tests beinahe routiniert wirkt - wie ein großes Leidenschaftsprojekt, welches zum Abschluss gebracht wird - oft mit vereinten Kräften.

                                                  Trotz seiner deutlich angestiegenen Splattrigkeit ist ‘Saw III” immer noch sehr an der Fortführung der Geschichte interessiert; mehr noch, als man es von Horrorsequels mit höherem Ansehen kennt. Wirklich zweitklassig ist hier nichts, und man hat sich richtigerweise entschlossen, den Inhalt der Vorgänger mit großem Respekt entgegenzutreten, und weder exakt zu kopieren, noch ihn mit Füßen zu treten, um schnell etwas Massentaugliches hinzuklatschen. Grämt euch nicht einmal, dass einige der Fallen unlösbar sind. Der Film wird früh genug auf diesen zunächst scheinbaren Makel zurückkommen. Und bis dahin hält euch der Film gefangen. Angekettet. Und mit einer Säge auf dem Boden neben euch.

                                                  SPOILER:
                                                  Das Ende wirkt auch um einiges flüssiger in die Handlung integriert als zuvor. Anstatt einem eine 180 Grad-Wendung vor die Füße zu knallen, belässt dieser Film im Grunde alles dabei, wie es ist, fügt allerdings als Twist eine neue Facette hinzu, die eine zusätzliche Ebene erschafft. Es wirkt viel angenehmer und weniger bemüht, obwohl im Vorgänger der überraschende Schluss durchaus funktionierte - ein drittes Mal wäre eine allzu trickreiche Wende allerdings zu viel des Guten gewesen.

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                                                  • 7 .5

                                                    Die Inszenierung der Nicht-Inszenierung ist wohl das größte Markenzeichen des großartigen Werner Herzog. Sein Blick filtert das Berauschendste, das die Welt von Haus aus schon zu bieten hat, ohne dafür etwas erst in Szene setzen zu müssen. Seine Faszination für diese Bilder der Welt - seien es Naturgewalten oder uralte von Menschen erbaute Kunstwerke und Bauten - überträgt sich durch die Kamera auf den Zuschauer. Diese flechtet er für gewöhnlich perfekt in seine Geschichten ein, wobei der Verlauf nicht selten sogar durch diese bestimmt wird - so treiben in ‘Aguirre, der Zorn Gottes’ die Floße weg, da sie tatsächlich am Set von der mächtigen Strömung - zuvor noch majestätisch auf Zelluloid eingefangen - mitgerissen wurden.

                                                    Nun ist das Frühwerk “Fata Morgana” von eben diesen narrativen Elementen befreit. Der Film fängt Impressionen der Wüste ein - unter Anderem die titelgebenden Fata Morganen, allerdings auch Bewohner eines dort ansässigen Dorfes. Unterlegt wird dies durch diverse musikalische Werke, welche von Chopin bis hin zu Leonard Cohen reichen, dabei aber unerwartet flüssig und stimmig ineinander übergehen, sowie Verse, welche die Schöpfungsgeschichte der Maya (Popul Vuh genannt, wie die Band, die später für eine Vielzahl an Soundtracks herzogscher Werke verantwortlich ist - Zufall?) rezitieren, und diese dann bis zu einer scheinbaren Jetztzeit weiterführen.

                                                    Ursprünglich war geplant, “Fata Morgana” als einen auf einem fernen Planeten spielenden Film zu drehen - jedoch nahm die Begeisterung für die Wüste so stark überhand, dass Herzog die Prämisse umstellte. Bereits 1971, ohne den kinskischen Klaus, erwiesen sich Herzogs Dreharbeiten als schwierig: so wurden er und sein Kameramann verhaftet, da letzterer mit einem zu Tode verurteilten Verbrecher verwechselt wurde - ein anderes Mal musste das Filmequipment an einer Grenze zurückgelassen werden. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass während den Drehs nicht nur das Projekt, sondern auch ein Leben bedroht wird. Aber Herzog weiß selbst besser als jeder Rezipient, dass gerade diese unvorhersehbaren Zwischenfälle seine Filme genauso stark formen wie seine Drehbücher. Wäre ‘Fitzcarraldo’ so eine unbändige Wucht, wenn alles wie ein gewöhnlicher Dreh ohne der steten Aussetzung von Extremsituationen verlaufen wäre? Wohl weniger, da gerade die Umstände ihren Weg in den Film fanden. Und womöglich wäre auch “Fata Morgana” geradliniger, durchstrukturierter, kalkulierter und somit weniger aufregend.

                                                    In seiner experimentellen Art der Bildsprache ist der Film einer der ersten Wegbereiter für Meisterwerke wie ‘Koyaanisqatsi’, ‘Baraka’ und ‘Mikrokosmos’, wobei man auch erwähnen muss, dass es diese wesentlich besser verstehen, eine Narrative aufzubauen, während Herzogs Werk sich besonders durch Ungeschliffenheit auszeichnet. Die erzählte Geschichte der mythologischen Weltentwicklung erschließt sich in Kombination mit dem Gesehenen auch nur bedingt (erst, als erstmals Menschen erwähnt werden, sind auch gehäuft welche zu sehen, ansonsten bewegen sich Bild und Ton teilweise zusammenhangslos). Interessant finde ich noch, dass Herzogs spätere Filme, so sehr sie sich auch vorwiegend als intensive audiovisuelle Erlebnisse sehen lassen, doch bis zu einem gewissen Grad von ihren Figuren und dem Plot leben dürften. Das fällt auf, da “Fata Morgana” trotz weniger als halb so langer Lauflänge doch wesentlich mehr Konzentration abverlangt als der epische ‘Fitzcarraldo’. Auch dieser ist in seiner natürlichen Bildgewalt unheimlich beeindruckend und erweckt öfters den Eindruck, die Natur wäre der wahre kreative Kopf hinter dem Werk. Gerade im Vergleich zu diesem Film merkt man jedoch Herzogs tragende Rolle auf inhaltlicher Ebene.

                                                    In “Fata Morgana” liegt die gesamte Kraft in den Bildern, welchen Herzog auf seiner Reise durch die Sahara und Sahelzone begegnete. Und diese haben eine äußerst hypnotische und einnehmende Wirkung, welche den Zuschauer durchgehend an den 74-Minüter fesseln. Dabei ist wohl das Wenigste wirklich geplant gewesen: so hat er den Dorfjungen, der mit einen Fennekfuchs an einer Leine herumspaziert, einfach getroffen, und eigentlich erst gar nicht verstanden, was dieser wollte - er hat es aber einfach gefilmt. Und so entstanden vielerlei der Szenen, welche wir nun in Herzogs avantgardistischem Werk bewundern dürfen.

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