Boxhagener Platz spiegelt deutsche Geschichte

17.02.2010 - 13:00 Uhr
Jürgen Vogel in Boxhagener Platz
Pandora
Jürgen Vogel in Boxhagener Platz
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Der Berlin-Film ist auferstanden: Nach Ecke Schönhauser, nach Sonnenallee und Sommer vorm Balkon geht es nun in den Friedrichshain. Kritiker sind von dem Film durchaus angetan.

Matti Geschonneck ist einer der erfolgreichsten Regisseure Deutschland, für den Fernsehbereich. Auf der großen Kino-Leinwand fanden wir seine Werke bisher selten. Das soll sich nun ändern: Mit boxhagener-platz-2 hat der Filmemacher eine Kriminalkomödie fürs Kino gedreht, die gestern Abend im Berlinale Special Premiere feierte und mit Beifall bedacht wurde. Erzählt wird von Oma Otti (Gudrun Ritter) und ihrem zwölfjähriger Enkel Holger (Samuel Schneider), die 1968 in Ostberlin am Boxi einiges erleben: Zum Einen geht es um das ganz persönliche Glück, auf der anderen Seite um die politischen Bewegungen der Zeit, Studentenunruhen und sexuelle Revolution im Westen, Panzer in Prag. Vorlage für den Film ist das Romandebüt von Torsten Schulz, der auch das Drehbuch schrieb.

Filmjournlaisten sind begeistert, unter anderem deshalb, weil der Boxhagener Platz Berlin ein Denkmal setzt und die Tradition des Berlin-Films bekommt weiterführt. Hanns-Georg Rodek von der Welt sah einen großartigen Berliner Heimatfilm. “Der erste Kinofilm von Matti Geschonneck (Sohn des großen Erwin Geschonneck, selbst am Boxi aufgewachsen und vielfach fernsehpreisgekrönt) ist so lakonisch-klarsichtig wie seine Figuren; keine Szene dauert auch nur eine Sekunde länger als nötig. Die DDR ist mit Boxhagener Platz von der Phase der Nostalgie in jene der Melancholie übergetreten. Wer nicht länger nostalgisch unwiederbringlich Beendetes zurückersehnt, kann sich ruhig mal ein paar Stunden dem melancholischen Schmerz über das Vergangene hingeben.”

Boxhagener Platz huldigt nicht der Ostalgie, sondern eher ganz allgemein dem Proletariat, stellt Thorsten Funke auf critic fest. "Regisseur Matti Geschonneck ist geschickt darin, diese Atmosphäre irgendwo zwischen Schwank und historischer Akkuratesse zu erschaffen. Neben der Geschichte der DDR und – in der von Michael Gwisdek gespielten Figur – des ihr vorausgehenden Straßenkampfes der, so heißt es häufiger, “wahren Kommunisten”, werden auch noch andere Zeiteinflüsse wie die Westberliner Studentenrevolte und der niedergeschlagene Prager Frühling hineingewoben."

Politik muss aber nicht langweilig sein; hier darf gelacht werden, stellt Christina Tilmann im Tagesspiegel fest. “Zwischen Grab und Grenze, Spielplatz und Stasi entwickelt sich eine vermeintliche Krimi-Geschichte, die bald zum Zeitkrimi wird. Studentenproteste in WestBerlin, Prager Frühling, das allgemeine Gefühl der Auflösung, das dann doch noch einmal, für zwanzig Jahre, unterdrückt und in Schach gehalten wird: Mit den Augen eines Zwölfjährigen wird das ganz wunderbar eingefangen. Ein zärtlicher Erinnerungsfilm, es geht nicht um Ostalgie, es geht um vergangene Jugendzeit.”

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