David Lynchs meisterhafter Trip auf dem Lost Highway

09.08.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Lost Highway
Concorde
Lost Highway
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Ein Saxophonsolo drückt sich unnachgiebig in meinen Gehörgang. Wie auf einem Gemälde von Salvador Dalí verschwimmt die Realität und mischt sich mit dem Traum, während die Zeit sich zu dehnen scheint. Was ist real und was ist es nicht? Und, muss man es wissen?

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David Lynchs Lost Highway ist ein betörender Traum in schwarz, der den Zuschauer umtanzt und dabei in wunderschönen Bildern eine Geschichte von Mord, Liebe, Eifersucht und Wahnsinn ins Ohr flüstert. Was am Ende bleibt, ist ein Film, den der Zuschauer nicht so schnell vergessen kann und der noch lange im Unterbewusstsein rotiert.

Mit seiner Mischung aus Film Noir, Psychothriller und Horrorelementen, gepaart mit einem hervorragenden Soundtrack (welcher Rammstein internationale Aufmerksamkeit bescherte), rast Lynch mit uns auf dem Rücksitz den Lost Highway hinunter. Er erklärt uns nicht, wo die Reise hingeht. Wir müssen selbst aus den Zeichen und Schildern am Wegesrand schlau werden und uns einen Reim darauf machen, wohin der Meister des Mysteriösen mit uns will. Einigen Zuschauern wird das nicht gefallen. Wer sich darauf einlassen kann und sich einfach zurücklehnt und aufmerksam dem Geschehen folgt, erlebt einen unvergesslichen Trip der besonderen Art.

Der Film macht es einem auch nicht einfach und tauscht, als wäre es selbstverständlich, nach dem ersten Akt einfach den Protagonisten aus, nur um kurz vor Ende den Tausch wieder rückgängig zu machen. Erleben wir den ersten Akt an der Seite von Bill Pullman, folgen wir im zweiten Balthazar Getty, welcher ohne weitere Erklärung einfach Pullmans Charakter ersetzt, nur damit im dritten Akt die Sache erneut gedreht wird. Damit muss der Zuschauer leben. Nicht fragen, abwarten und zusehen, was passiert. Wer Lynch kennt und liebt, hat vertrauen und so wirr es auch klingt, jenes, was dem Zuschauer serviert wird und im ersten Moment mehr Fragezeichen hervorruft als die meisten Filme zusammen, macht doch tatsächlich Sinn. Es gibt mehrere Theorien zur Deutung der Handlung und so lädt der Film, zum diskutieren und erneuten schauen ein. Stimmung, Bilder und Charaktere sind fesselnd und alles scheint möglich. Dabei gibt es groteske Szenen und Charaktere, die viel Spielraum für Interpretationen lassen. Und wenn ihr auf diesen Quatsch keine Lust hat, dann genießt einfach den Ritt, der geboten wird.

Einer dieser Charaktere ist der Mystery Man, gespielt von Robert Blake. Dieser, wie der Name es schon sagt, mysteriöse Charakter taucht immer wieder im Film auf und bedrängt die Hauptpersonen Fred (Pullman) und Pete (Getty). Dabei scheint er sie an Dinge zu erinnern wollen, die sie verdrängt haben. Mit weiß geschminktem Gesicht und einem diabolischen Grinsen auf dem Gesicht, spielt Blake hier eine unglaublich gute Rolle (eine seiner letzten bis zum heutigen Tage). Den weiblichen Gegenpart für beide Männer des Films spielt Patricia Arquette in den Rollen der Renée Madison bzw. Alice Wakefield. All das mag für den Leser jetzt etwas erwirrend sein, allerdings ist es schwer den Film zusammenzufassen, ohne etwas vom Sehvergnügen vorwegzunehmen. Und das wäre fatal bei einem Film wie Lost Highway.

Es gibt Filme, die ich gesehen habe und die ich danach unbedingt noch einmal mit einem Freund/einer Freundin schauen will, weil ich a.) den Film nochmal sehen will und b.) weil ich jemanden haben will, mit dem ich darüber reden kann. Ähnliches hatte ich bei Filmen wie Oldboy, Drive, aber besonders bei Lost Highway. Was hatten wir gerade gesehen? Was bedeutete das alles? Für mich war Lost Highway der Einstiegspunkt in den wirren Kaninchenbau, den Lynchs Filmographie darstellt und in dem ich mich schnell wohlfühlte.

Lynch selbst hat einmal über seinen Film gesagt, es gäbe eine Erklärung für alles, was wir in Lost Highway sehen würden. Genug Hinweise wären vorhanden und am Ende wäre auch alles schlüssig. Aber muss es das zwangsläufig? Denn zeitgleich meint er auch, wir sollten uns die Dinge nicht unnötig zerreden. Es ist wie bei einem Songtext. Manchmal ist es nicht das, was gesagt wird, sondern geht mehr um den Klang und das Wortgebilde, das Bild das im Kopf entsteht, als um einen wesentlich tieferen Sinn. Für Lynch ist Lost Highway schlüssig und wenn der Zuschauer ein Weile darüber nachdenkt, findet er auch ein bis zwei Lösungen, die einem den Film erschließen. Aber wie gesagt, muss das zwangsläufig sein? Ist es nicht die fantastische Fähigkeit des Kinos, uns Bilder und Welten zu zeigen, die nicht den Regeln unserer Welt, der realen Welt unterworfen sind. In denen er sich künstlerisch austoben kann, um Dinge zu zeigen und zu erschaffen, die wir so noch nie gesehen haben. Wie ein Gemälde des Surrealismus, bricht der Film auf unaufgeregte Art immer wieder mit unseren Erwartungen und wirft uns in Szenen, die wir so nicht erwarten. Da sich diese allerdings in teils schauerlich reale Szenen eingliedern, gewinnen sie noch an Schlagkraft. Ist die Umwelt, die wir sehen am Ende nur ein Abbild des gequälten Innenlebens unserer Protagonisten? Sind unsere Protagonisten am Ende ein und dieselbe Person? Was ist Traum und was ist real?

Wie gesagt, Lost Highway ist ein Trip, den ihr nicht so schnell vergesst. Er ist eine Achterbahnfahrt, die dort beginnt, wo sie endet, so dass wir immer wieder aufsteigen können. Wer bisher noch nicht mitgefahren ist, sollte den Ritt wagen. Lasst euch auf der Rückbank nieder und euch von Lynch durch die staubige Dunkelheit des Lost Highway kutschieren. Ihr werdet es nicht bereuen!

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